von Astrid Wehling
Die australische Küche entsteigt langsam ihren englischen Kinderschuhen. Wurde über Generationen gekocht, was aus Good Old England überliefert war, so haben die Einwanderer nach dem zweiten Weltkrieg das Bild der australischen Küche stark verändert. Die Menschen aus Mittel- und Südeuropa und Asien brachten ihre eigenen Zutaten sowie ihre Gerichte in ihr neues Land mit. Und die Australier - alte und neue - begannen, ihre eigene kulinarische Geschichte zu schreiben.
2005 ist die australische Küche eine gelungene Symbiose aus Ost und West. Ein Mix aus Mittelmeer und Asien, kombiniert mit original australischen Buschprodukten, wie zum Beispiel Lemon Myrtle, Wattleseed oder Buschtomaten.
Australiens Klima ermöglicht den Anbau von tropischen und mediterranen Früchten und Gemüsen, die Meere vor der Haustür bieten eine große Auswahl an Fisch und Schalentieren, erstklassiges Fleisch liefern Rinder, Lämmer und Geflügel. Auch organischer Anbau ist inzwischen kein Fremdwort mehr. Australien produziert heute bestes Olivenöl, hervorragende Weine und Käse, die sich locker mit der europäischen Konkurrenz messen können.
Heute nehme ich Sie mit in den Hyde Park, direkt ins Zentrum der City. Der Oktober ist seit ein paar Jahren “Good Food Month” - ein Mix aus verschiedenen Veranstaltungen, während derer sich Restaurants, Spitzenköche und Produzenten gekonnt von ihrer besten Seite zeigen.
Eine beliebte Attraktion unter den Sydneysidern ist der bekannte asiatische Night Noodle Market in North Sydney, dem zweiten großen Businessviertel der Stadt. Freitag abends trifft man sich dort nach Feierabend zu einer Schale Noodles, zu Sushi oder Satay-Spießchen auf die Hand. Doch anläßlich des “Good Food Month” wurde der Markt in diesem Jahr kurzerhand auf die andere Seite des Hafens in den Central Business District verlegt.
Bereits auf dem Weg durch den Park, endlich abseits von Verkehrsgewühl und Menschenmengen, steigt mir der typische Duft in die Nase. Eine Mischung aus Ingwer, Zitronengras, Chillies, Knoblauch, Kokosmilch und Koriander. Gebratene Hühnchen und Enten, gedünsteter Fisch und natürlich jede Menge Noodles - das original asiatische Essen ist so vielseitig wie der ganz Kontinent und Meilen von dem entfernt, was früher von “unserem Chinesen” in meiner alten Heimat Deutschland serviert wurde.
Auf dem kleinen Platz am Ende des Parks gruppieren sich kleine weiße Zelte um einen Springbrunnen. Obwohl es noch hell ist, werden die ersten bunten Laternen angezündet, die letzte Dekoration arrangiert. Es ist angerichtet.
Und ich kann mich einmal wieder kaum entscheiden. Wie wäre es denn heute mal mit indisch oder chinesisch oder japanisch, thailändisch, vietnamesisch? Oder vielleicht doch lieber koreanisch?
Ich versuche es erst einmal mit einem Gericht aus dem Himalaya, schon allein des Namens wegen. “Shangri-La Combo” ist ein nicht zu scharfes Curry bestehend aus Lammfleisch, Kartoffeln, Noodles, Gurken und Reis mit einem großen Schlag Joghurt obendrauf. Hmmm. Auch wenn ich nicht genau herausschmecken kann, welche Gewürze in dem Curry sind - es schmeckt einfach nur gut.
Während ich meine Schale während des Essens vorsichtig auf den Knien balanciere, füllt sich langsam der Platz. Geschäftsleute, Angestellte, Mütter mit Buggies und hungrigen Kindern, Touristen - die Schlangen vor den Zelten werden länger. Aber das ist ja das Schöne hier - es wird einfach nicht gedrängelt oder gemeckert. Man wartet ab und unterhält sich in der Zwischenzeit.
Der Herr in Anzug und Krawatte, der sich gerade neben mir auf dem Brunnenrand niederlässt, versucht tapfer, seine Dim Sums mit Chop Sticks, den Eßstäbchen, zu erlegen. Dim Sums, diese kleinen chinesischen Häppchen, isst man sonst traditionell Sonntags mittags in lauten großen Restaurants beim Yum Cha (Tee trinken). Da werden mundgerechte Bällchen in den so typischen Bambuskörben serviert, die Körbe werden am Tisch vorbeigefahren, man nickt oder winkt ab, je nach Laune und Geschmack. Dim Sums sind zum Beispiel Hackfleisch, Seafood oder Gemüse in Reisnudelteig, in Brühe gedünstet oder gedämpft, fritierte Chili Calamari oder Garnelen und süße Vanilletörtchen zum Abschluss. Dazu Unmengen von Jasmintee.
Yum Cha ist eine meiner Lieblings-Sonntagmittag-Beschäftigungen, da geht es mir wie Tausenden von Chinesen.
Der Herr neben mir hat mir jetzt doch den Mund wässrig gemacht. Ich bin sicher, so ein paar kleine Klöpschen passen bestimmt noch in mich hinein. Mit einem Lächeln reicht mir die Köchin meine Schale mit gedünstetem Hühnchen und Pak Choy Wontans. Dazu noch ein kleines Blätterteigtörtchen für den Nachhauseweg – ein rundum perfekter Abend.
2005-10-21 by Astrid Wehling, Wirtschaftswetter
Text: © Astrid Wehling
Fotos: © Astrid Wehling
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