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They have a dream - Kultur gegen Gewalt

Die Kinderkulturkarawane aus drei Kontinenten tourt durch Deutschland

von Anne Siebertz

Musiker und Tänzer während der Probe Sie kommen aus drei Kontinenten und breiten vor einem großem Publikum in Deutschland ihre Schätze aus: die Kultur ihres Landes. Mit Musik, Theater, Tanz und Zirkus erzählen sieben Kinder- und Jugendgruppen von ihrem Leben in der Heimat.

Drei Monate lang reisen sie unter der Schirmherrschaft der Unesco, von Unicef Deutschland und dem Entertainer Ron Williams durch das ganze Land. Groß ist ihre Freude, hier zu sein, viele Menschen zu treffen, ihr Können zu zeigen. Traurig aber ist der Hintergrund: Kriege, Gewalt, Diskriminierung, Aids und Armut beherrschen ihren Lebensalltag zu Hause.

Um ein Zeichen zu setzen gegen die Missstände, unter denen Kinder in Afrika, Lateinamerika und Asien zu leiden haben, riefen im Jahr 2000 das Büro für Kultur und Medienprojekt aus Hamburg, die Terra Nostra aus Bremen und das Institut equalita aus Köln ein engagiertes Projekt ins Leben: die Kinderkulturkarawane. Seit sechs Jahren stehen die Organisatoren in engem Kontakt zu sozialen Organisationen wie Kindertagesstätten und Jugendzentren in Kolumbien, dem Kongo, Nicaragua, Afghanistan, Burkina Faso und vielen anderen Ländern. In diesen Zentren kommen Kinder und Jugendliche aus den ärmsten Familien zusammen, finden dort ein Stück Familie, Bildung, Sicherheit.

Die Rapper proben Dabei sind es gar nicht immer Straßenkinder, die dort zu finden sind. In der Zwei-Millionen-Stadt Medellín in Kolumbien beispielsweise ist das ganz normale Leben geprägt von Gewalt, Arbeitslosigkeit und Analphabetismus. Schusswechsel und Waffen auf den Straßen sind nicht ungewöhnlich, denn, so erzählen die Jugendlichen, es gibt drei militärische Gruppen, die in den Großstädten den Alltag beherrschen: die Guerilla, die Regierungsarmee und die paramilitärische Armee. Letztere, durch die Großgrundbesitzer finanziert, rekrutiert auch Kinder für ihre Zwecke, stattet sie mit Waffen aus und leistet so den Bandenkriegen in den ärmsten Bevölkerungsgruppen Vorschub.

Stationen der Tournee

Anzutreffen ist die Kinderkulturkarawane zwischen Mai und November 2005 in zahlreichen Städten Deutschlands. Hamburg, Berlin, München und Köln stehen als Großstädte auf dem Programm, aber auch kleinere Städte wie Lüdenscheid, Heide, Schwalbach, Schwäbisch-Hall und Leverkusen sind dabei.

RapperIn Köln, einer von rund 25 Städten auf dem Tourplan 2005, treffen wir auf das 10-köpfige Musikerensemble „Viviendo y Sonando“. Sie kommen von der Cooperación Educativo Y Cultural Simón Bolivar aus Kolumbien. Seit 1980 ist das Zentrum im Barrio Kennedy, einem Stadtteil mit 45.000 Menschen in Medellín, erfolgreich in Sachen Gewaltprävention tätig. Dort setzt man vor allem auf kulturelle Arbeit und Bildung. Mit ihrem engagierten Programm „Die Gewalt verlernen“ ist es den Sozialarbeitern gelungen, die Bandenkriege und die Anwesenheit von Milizen im Stadtteil deutlich zurückzudrängen. Im Rahmen unermüdlicher Jugendarbeit haben sie verschiedene Rap- und Musikgruppen aufgebaut, Theaterprojekte und Workshops durchgeführt und damit einen aktiven Friedensprozess „von unten“, will heißen von seiten der nachwachsenden Generationen eingeleitet.

Die jungen Musiker namens „Chirimia Polaris“, die sich zwei Jahre lang auf ihre Reise nach Deutschland vorbereitet haben – sprühen geradezu vor Lebensenergie. Mit ihren Djemben, Klarinetten, Rasseln und Basstrommeln nehmen sie im Handumdrehen das Publikum temperamentvoll für sich ein. Ihre traditionelle Folkloremusik ist geprägt von vielen Elementen der Kulturgeschichte des Landes,Tänzerin den Einflüssen spanischer Eroberer, afrikanischer Sklaven und den Ureinwohnern. Während auf der Bühne fünf junge Musiker trommeln, rasseln, tanzt die 16-jährige Caroline bis zuletzt immer noch strahlend. Fast so als wäre der Auftritt nicht anstrengend. Doch der Gegenbeweis lässt nicht lange auf sich warten. Als das Publikum mittanzen darf, darunter auch die Autorin, stellt sich schon nach zwei Minuten die Frage, wie man bei den schnellen Rhythmen mithalten kann, ohne aus der Puste zu geraten.

Sehr viel cooler dagegen präsentieren sich die vier Rapper der „Sociedad FB7“. Die Hip-Hop-Gruppe ist ebenfalls aus der Einrichtung in Medellín hervorgegangen. Das war aber schon 1993. So haben sie bereits reichlich Auftrittserfahrung, sind älter, reifer. Melancholisch sind ihre Texte, sozialkritisch. Sie erzählen immer wieder vom „barrio“, von der „ciudad“, vom Leben dort mit Gewalt, Konflikten und sozialen Missständen. Aber auch von der „allegría“, der Lebensfreude, den Projekten, die sie herausgeholt haben aus ihrem Elend. Und von den Hoffnungen auf eine bessere Welt.

Die Erfahrung, die die jungen Menschen auf ihrer dreimonatigen Deutschlandtournee machen, sind für sie unbeschreiblich. Probe mit AutorinVon dem Aufenthalt hier sind sie völlig überwältigt. Auf die Frage, wo sie am liebsten leben würden, antworten sie hin- und hergerissen: schon gerne in Deutschland, das ihnen wie ein Paradies erscheint, aber fern der Heimat, nein, das möchten sie auch nicht.

Ausreisegenehmigung für „Alas de Colibri“ verweigert

Mit ihnen reisen und als Kinderkulturkarawane 2005 auftreten sollte eigentlich auch die Gruppe „Alas de Colibri“ aus Kuba. Zwei Jahre lang hatten sich die jungen Tänzerinnen und Tänzer auf die Reise vorbereitet. Ihre Organisatoren hatten unendlich viele Anträge gestellt, Bewilligungen eingeholt und Ausreisepapiere besorgt. Doch nun hat die kubanische Regierung sie nicht ausreisen lassen. Begründung: Ein Dienstweg soll nicht eingehalten worden sein. Somit ist zumindest für diese Kinder ein Traum zerplatzt.

Weitere Infos:
Kinderkulturkarawane


2005-09-15 by Anne Siebertz, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: ©Anne Siebertz

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