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Alles ganz easy!

Denglish und Jugendsprache

Vortrag vor polnischen Deutschlehrern, Studenten und Oberstufen-Schülern in Danzig, im Rahmen des Schriftsteller-Austausches Bremen-Danzig im Oktober 2005

von Birgid Hanke

Deutsches Wörterbuch Als ich vor einigen Wochen die Anfrage erhielt, ob ich nicht vor hiesigen Deutschlehrern einen Vortrag zu einem Thema meiner Wahl halten könne, musste ich gar nicht lange nachdenken. Ganz spontan fiel mir etwas ein, worüber ich mich schon seit Jahr und Tag immer wieder ärgere. Nun bot sich mir die Gelegenheit, dieses Thema sogar nicht nur aufzugreifen, sondern einmal richtig aufzuspießen und mich darüber auszulassen:
Es geht um Denglisch, also den Sprachmischmasch aus Deutsch und Englisch, der in der deutschen Umgangssprache mittlerweile alltäglich ist. Ich will und kann mich daran einfach nicht so recht gewöhnen, stolpere immer wieder über besonders dumme Formulierungen oder Stilblüten, von denen ich hier einige vorstellen möchte. Als Autorin und Journalistin habe ich tagtäglich mit Sprache zu tun und vielleicht ein besonders feines Ohr für Unstimmigkeiten.

Aber auch ich habe mich im Laufe der Zeit daran gewöhnen müssen, zu einem „Meeting“ gehen zu müssen, wenn ich einen beruflichen Termin wahrnehme. In solch einem „Meeting“ werde ich dann „gebrieft“, was da heißen soll: Mir werden die Informationen und Bedingungen des „Jobs“, also des Auftrags, den ich übernehme, mitgeteilt.
Ein bisschen schief guckte ich dennoch, als mir zum ersten Mal mitgeteilt wurde, ich sei nunmehr und bis auf Weiteres für das „Wording“ zuständig, also dafür verantwortlich, dass alle im Zusammenhang mit dem laufenden Projekt verfassten Schriftstücke in einem korrekten, sauberen, lesbaren, gut verständlichem Deutsch an die Öffentlichkeit gelangen: „Wording“ eben.

Da nur die wenigsten SchriftstellerInnen in Deutschland vom Bücherschreiben auch leben können, bin ich gezwungen, meine Brötchen in den unterschiedlichsten beruflichen Bereichen zu verdienen. Dazu gehört unter anderem auch das Übertragen amerikanischer „True Stories“ ins Deutsche, aber auch, dass ich ab und an als „Ghostwriterin“ tätig bin. In diesem Zusammenhang fällt mir gerade auf. Es ist doch seltsam, dass die für „Denglisch“ gerade so anfälligen Radiosender bei ihren Verkehrsmeldungen immer vor Geisterfahrern warnen. Das ist ein sehr anschaulicher Begriff. Seltsam, dass gerade diese Sender, die mir schon beim Einschalten auf die Nerven gehen, weil sie mich zum „Rocken, Poppen, Dancen“ auffordern, nicht vor „Ghostdrivern“ warnen. Wahrscheinlich nur eine Sache der Zeit.

Daran, dass ich als Ghostwriterin niemals auf dem Titel oder im Impressum namentlich genannt werde, habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Das nehme ich sogar ihn Kauf, denn so ein „Job“ wird bis zu fünf Mal so gut bezahlt werden wie etwas selbst Geschriebenes. Abfinden kann ich mich damit trotzdem nicht, denn eigentlich ist es doch absurd, für eine eigene Urheberschaft lediglich mit einem Bruchteil dessen honoriert zu werden, als für das, was man als Ghostwriter verlangen kann. Aber ich drohe abzuschweifen....
„Come in and find out“ lautete vor einem Jahr die Botschaft einer großen deutschen Drogeriekette, - die übrigens einen schottischen Namen trägt - , mit der sie das große Weihnachtsgeschäft ankurbeln wollte. Eine Aufforderung, die im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten los ging. Die Texter hatten etwas ganz anderes gemeint, aber kamen doch recht schnell dahinter, dass niemand einen Laden betritt, um wieder heraus zu finden. Der Slogan, der übrigens nicht mehr Slogan, sondern „Claim“ heißt, war aus den Werbeprospekten, Verzeihung, es heißt natürlich den „Flyern“ ganz schnell wieder verschwunden.

Den Vogel schoss vor ein paar Jahren jedoch die berühmte Moderschöpferin Jil Sander ab. Lassen Sie mich aus ihrem Originaltext zitieren, den die altehrwürdige FAZ sich nicht scheute, in ihrem Magazin in voller Länge zu drucken, Zitat:
"Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das Futuredenken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladysches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muss Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils. " Zitatende

Vielleicht wollte Jil Sander mit diesen Worten ihre Weltläufigkeit demonstrieren. Zu Recht ist ihr für diese Worte der Titel der „Sprachpanscherin des Jahres“ verliehen worden. Im Jahre 1997 ist – ursprünglich eigens für diese Glanzleistung - dieser Preis geschaffen worden. Mittlerweile hat sich diese Auszeichnung jedoch fest etabliert, so dass ihrer Verleihung inzwischen jährlich mit großer Erwartung entgegen geschaut wird. Um nun Jil Sander zu rehabilitieren: Der Schock ob dieser Ehre war so groß, dass fortan alle Anglizismen aus ihren weiteren Selbstdarstellungsbroschüren und Pressetexten verschwanden.

Sie hat würdige Nachfolger gefunden, Zitat:
"Eben bekomme ich von Customer Care der Deutschen Telekom AG die Message, dass ich jetzt meine Rechnung online bekomme. Ich kann sie dann downloaden und auf meine Hard Disc storen. Nachdem ich sie auf meinem Laser-Jet geprintet habe, kann ich sie dann wieder deleten, damit sie mir nicht zuviel Space wegnimmt. Für künftigen Access habe ich mir sicherheitshalber die URL der Web Site gebookmarkt. Bei Unklarheiten darf ich die Hotline contacten."
Ich weiß nicht, wie Ihre Telefonrechnungen aussehen, aber so hört sich ein deutscher "User“ an, der echt happy ist. Zitatende

Ich gehöre zu der Generation, die mit dem Nancy Sinatra Hit „These boots are made for walking“ aufgewachsen ist. Sagt nun ein "Supporter", dem ich mal wieder mein endloses Leid über meinen, mir nicht gehorchenden Computer klage: „Dann musst du deinen Rechner eben noch mal booten“ –bemerkenswert, dass aus dieser Zunft wiederum kein Mensch mehr vom Computer, sondern vom Rechner spricht – also sagt so ein Spezialist so etwas zu mir, entsteht seit Jahr und Tag vor meinem geistigen Auge das Bild oder besser gesagt, der Wunsch, mit klobigen Stiefeln meinen Rechner zu treten. Verdient hat er es sowieso!
Weiterbringen wird es mich nicht.

In die Tiefen der Computersprache bin ich sowieso niemals eingedrungen, will ich nicht, brauche ich auch nicht, denn: „Forget it, baby, du bist end-user, total bull-shit, wenn du jetzt noch versuchst in den System-Dateien rumzumurksen.“
Also vergesse ich !
Irgendwann im Verlaufe meiner Vorbereitungen auf diesen Vortrag fiel mir wieder ein, dass ich ihn ja vor Deutschlehrern halten solle. Daraufhin begann ich mich zu fragen, was denn die Schülerinnen und Schüler hierzulande, also hier in Danzig, in ihrem Deutschunterricht vermittelt bekommen. Ich kenne die Lehrpläne Ihrer Schulen nicht, weiß aber um die hohe Affinität zur deutschen Sprache in Ihrem Land, zu allen dunklen und hellen Zeiten. Die Sprache von Schiller und Goethe. Aber was hat sie mit der heutigen Jugend zu tun ? Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie im Unterricht auch zeitnahe Literatur behandeln. Und in der Geburtsstadt von Günter Grass kommt man an diesem bestimmt nicht vorbei.

Aber ich frage mich, ob diese an dieser Sprache geschulten Deutschstudenten in der Lage wären, folgendem Bericht zu folgen, Zitat:
“Alles ganz easy: Nach einem One-Night-Stand musste ich erst mal abchillen und bin mit dem Lift in die Lounge, einen Drink ordern. Bis der kam, ging ich meinen Look mit diversen Beautyprodukten wieder auffrischen. Ich wollte die neue Bodymilk testen, bevor ich neues Make-up auftrug, musste mich aber erst aufstylen.“ Zitatende
Unfreiwilliger Ohr-Zeuge werden, ist leider viel zu einfach. Steigen Sie in den nächsten Zug, die nächsten U-Bahn, Straßenbahn oder Bus Sie werden hören müssen.

Schon beim nächsten Thema (übrigens auch ein Lehnwort aus dem Griechischen): Der Verlust der Diskretion im Alltag. Aber das ist jetzt nicht „topic“ dieser meiner Ausführungen.
Während meiner Vorbereitungen auf diesen Vortrag erschrak ich irgendwann: Um Himmels Willen, jetzt kann man dich so weit missverstehen, dass du für Reinheit und Sauberkeit der deutschen Sprache plädierst.
Was unter Missbrauch dieser beiden Worte in der Geschichte angerichtet wurde, wissen wir alle.
Nichtsdestotrotz wuchs mein innerliches Unbehagen mehr und mehr. Aber schließlich und endlich stieß ich auf jemanden, der diese Empfindung mit mir teilt und das ungute Gefühl theoretisch untermauert.

Der Journalist und Kollege Dieter E. Zimmer setzt sich nunmehr seit Jahrzehnten mit der Entwicklung der deutschen Sprache auseinander. In seinen Zeilen fand ich die Bestätigung dessen, was ich seit Jahren verspüre. Ich muss nun wieder zitieren und schicke ganz schnell die Definition des Begriff des „Switchen“ voraus, nämlich das blitzschnelle Wechseln von einer in die andere Sprache, das die Hipphopper perfekt beherrschen, komma ABER.

Zitat: "Die großes Zahl unassimilierter englischer Wörter und Wendungen erzwingt ... einen ständigen Wechsel zwischen Codes beider Sprachen ... die Bedeutungen werden aufgeweicht, unscharf, der Zugriff auf die Wörter wird unsicher und ungenau ...Durch diese Unsicherheiten wird der Code der eigenen Sprache beschädigt, und damit verliert sie die Fähigkeit, Fremdes zu assimilieren." Zitatende
Und weiter, Zitat: "Besonders groß ist die Gefahr", so Herr Zimmer, "wenn ein solch ständiger Code-Wechsel in der Entwicklungsphase geschieht, wenn die Sprache noch nicht gefestigt ist, also bei Jugendlichen, die sich gerade viel in Bereichen bewegen, in denen sie diesem ständigen Code-Wechsel unterliegen...“

Schiefertafel Nun fühlte ich mich endlich bestätigt, kann mir aber nicht die Anmerkung verkneifen, warum diesem geschätzten Kollegen keine Alternative zum „Sprach-Code“ eingefallen ist.
Aber dennoch Bestätigung für das, was ich in meinem Familienalltag praktiziere. Es ist ein tagtäglicher Kampf, gegen die inflationären „cools“, die aus den Mündern meiner Töchter und noch mehr deren Freundinnen an mein Ohr schwappen.
Ein Blick von mir, und meine siebenjährige Tochter gibt den weiter an die beste Freundin. „Du weißt doch, cool sagen wir hier bei uns nicht, sag doch, wie es richtig ist, es ist eben ganz toll.“
“Echt geil war das“, lautet die Erwiderung ihrer besten Freundin. Mit einem Seitenblick auf mich. „Also, bei mir zuhause darf ich immer geil sagen.“

Was soll ICH dazu sagen ?

Ich will mich nicht gegen Entwicklungen sträuben. Ich bin mir der Gräzismen, Latinismen, Gallizismen, die zur Entwicklung meiner Muttersprache unentbehrlich waren, sehr wohl bewusst. Eine Sprache kann so viele Einflüsse vom außen verkraften und bleibt trotzdem sie selbst.
Wogegen ich mich wehre, ist das Mischmasch, die Verwaschenheit, die alles sagt und nichts bedeutet.
Daher beende ich diese Ausführungen mit einem Satz von Schopenhauer, Zitat: “Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.“ Zitatende

Birgid Hanke hielt diesen Vortrag im Oktober 2005 in Danzig.

2006-01-01 by Birgid Hanke, Wirtschaftswetter
Text: ©Birgid Hanke
Illustrationen: © Angelika Petrich-Hornetz
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