Die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz
Unser Gesprächspartner, der Unternehmensberater, Peter Holtei, ist für Deutschland, die Niederlande und Belgien als Repräsentant der Greater Zurich Area AG verantwortlich. Die Greater Zurich Area AG betreibt die Vermarktung des gleichnamigen Wirtschaftsraumes in der Schweiz und wird von einer Stiftung als Public-Private-Partnership getragen - im öffentlichen Bereich durch die Kantone Aargau, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn und Zürich und die Städte Winterhur und Zürich. Die Greater Zurich Area repräsentiert damit rund 70 Prozent des deutschsprachigen Wirtschaftsraumes der Schweiz. In seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter der IMOS Consulting mit Sitz in Gevelsberg (NRW) und als Hauptaktionär der IMOS AG mit Sitz in Hünenberg in der Schweiz ist Peter Holtei seit 1989 weltweit in der betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt internationales Projektmanagement für namhafte KMU und Konzerne tätig.
Wirtschaftswetter: Herr Holtei, wer geht gegenwärtig in die Schweiz, um dort zu gründen, auszulagern oder Filialen zu eröffnen?
Peter Holtei: Aus privater Sicht kann ich dies nicht beurteilen, da wir - die Greater Zurich Area AG - uns lediglich mit der Ansiedlung von Unternehmen in dem durch uns vertretenen Wirtschaftsraum befassen. Aus unternehmerischer Perspektive ziehen sich die Interessenten und Projekte quer durch alle Bereiche, vom Handwerker bis hin zum multinationalen Konzern.
Schwerpunktmäßig lassen sich jedoch gerade in der letzten Zeit vermehrt KMU (kleine und Mittelständische Unternehmen) durch uns beraten und unterstützen. Ebenso besteht - insbesondere seit dem Inkrafttreten der zweiten Stufe der bilateralen Verträge der Schweiz mit der EU ab dem 01.06.2005 - seitens der Berater dieser Unternehmen (Steuerberater, Anwälte und Consultants) ein ständig wachsender Informations- und Unterstützungsbedarf.
Wirtschaftswetter: Können Sie eventuelle Gemeinsamkeiten bei den Unternehmen und Unternehmern feststellen, die sich bevorzugt in der Schweiz ansiedeln?
Peter Holtei: Die höchste Übereinstimmung hinsichtlich der Motivation der Unternehmer und Unternehmen besteht in den grundsätzlich als besser eingestuften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz, gepaart mit dem Vertrauen in eine stabile und funktionierende Wirtschaft und Politik. Angefangen vom dort sehr liberalen Arbeitsrecht über eine sehr geringe Bürokratie-Belastung bis hin zu einer im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähigen Unternehmensbesteuerung sehen Firmen jeder Größenordnung die Schweiz als einen attraktiven Standort für ein unternehmerisches Engagement an. Darüber hinaus sind Argumente wie "Rechtssicherheit, Stabilität und Planbarkeit" sowie die Verfügbarkeit von bestens ausgebildeten, in der Regel mindestens dreisprachigen Mitarbeitern sowie die im Vergleich zu Deutschland sehr geringen Lohnnebenkosten durchgängige Gemeinsamkeiten aller Ansiedlungsprojekte.
Wirtschaftswetter: Für wen sehen Sie gegenwärtig und/oder in naher Zukunft die größten Chancen in der Schweiz? Sind es zum Beispiel spezielle Branchen oder Firmen
aus bestimmten (europäischen) Staaten, für die ein Engagement im Land der Kantone besonders lohnenswert sein kann?
Peter Holtei: Generell sind die Chancen für alle diejenigen Unternehmen sehr gut, deren Produkte oder Dienstleistungen auf einer hohen Wertschöpfung basieren. Insbesondere sind hier die Branchen Life-Science (Bio- und Medizinaltechnologie), High-Tech (Mikro- Nanotechnologie, Sensorik, Spezialmaschinenbau und Robotik), Informations- und Kommunikations-Technologie sowie natürlich der gesamte Finanz- und Dienstleistungsbereich (Konzernzentralen, Controlling Zentren, Shared Service Centers, Prinzipalgesellschaften) zu nennen.
Mit dem nach den USA weltweit höchsten Pro-Kopf-Aufkommen bei Patenten und bedingt durch die Position des Wirtschaftsraumes rund um Zürich als einen der größten Finanzplätze der Welt, finden diese Branchen hier die besten Bedingungen für eine erfolgreiche Unternehmensansiedlung vor. Insbesondere durch die bevorstehende europäische Steuerharmonisierung findet die Schweiz bei Unternehmen, deren europäischer Hauptsitz bisher in Deutschland, den Niederlanden, in Belgien, Irland oder auch in Groß Britannien beheimatet war, ein überproportional großes Interesse.
Ebenso hat sich die Schweiz für Unternehmen aus den USA als ein hochinteressanter Standort für ein erstes Engagement in Europa etabliert. Dies ist besonders deutlich an der im Jahr 2004 in Zürich erfolgten Gründung des ersten außerhalb der USA eingerichteten Entwicklungszentrums des Unternehmens Google zu erkennen, das innerhalb dieser Zeit von zunächst fünf auf nunmehr geplante 150 Mitarbeiter gewachsen ist. Grundsätzlich gilt jedoch: Jedes unternehmerische Ansiedlungsvorhaben ist ein differenziertes, einmaliges Projekt. Deswegen beraten wir potenzielle Investoren gerne kostenlos und unverbindlich auf Basis der uns zur Verfügung gestellten Informationen.
Wirtschaftswetter: Welche Branchen haben Ihrer Meinung nach zur Zeit tatsächlich die besten Absatzchancen in der Schweiz?
Peter Holtei: Der Binnenmarkt in der Schweiz ist - anders als in Deutschland - von einer stetig guten Nachfrage und einem kontinuierlichen Wachstum geprägt. Mit einem BIP-Wachstum von 1,2 Prozent sowie einer Arbeitslosenquote von rund 3,8 Prozent besteht in der Schweiz kein Grund für das in Deutschland aktuell zu beobachtende "Angstsparen". Obwohl Firmen wie Lidl und Aldi mit den entsprechenden Geschäfts- und Preismodellen nun auch in den schweizerischen Markt vorstoßen, bestehen die besten Absatzchancen im Endverbraucher-Segment nach wie vor für qualitativ hochwertige Produkte. Im industriellen Segment sind Spezialprodukte für die Automobilindustrie - die Schweiz ist eines der größten Automobil-Zuliefererländer für Deutschland, im Kanton Solothurn existiert ein Automobilcluster - sowie Hightech-Produkte und Produkte für die Chemie und die Medizinal- und Biotechnologie die bedeutendsten Umsatz- und auch Wachstumsträger. Ebenso bestehen auch im Dienstleistungsbereich - dieser macht ca. 70 Prozent des BIP der Schweiz aus - noch gute Absatzchancen.
Wirtschaftswetter: Wie lange dauert eine Firmen- und Filialgründung in der Schweiz von der Vorbereitung bis zum Eröffnungstag in etwa?
Peter Holtei: Die rein operative Umsetzung einer Firmengründung – zum Beispiel. einer schweizerischen AG - benötigt einen Zeitraum von etwa zwei Wochen (mindestens). Zu beachten ist jedoch, dass die unternehmensinternen Vorbereitungen - dies sind zum Beispiel die Konzeption der geeigneten Firmenstrukturen und Beteiligungsverhältnisse (Cross-Border-Strukturen), die Auswahl der Rechts- und Gesellschaftsform der schweizerischen Unternehmung, die Akquisition von Personal und last but not least die grundsätzliche Standortauswahl innerhalb der Schweiz - in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchen. Unbedingte Voraussetzung sollte ein entsprechender Businessplan sein. Da seit Mitte des letzten Jahres ein durch die bilateralen Verträge mit der EU manifestierter Rechtsanspruch auf Einreise- Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung für die sogenannten EU-15-Staatsangehörigen (Anmerkung: Die alten EU-Länder vor der EU-Ostweiterung) besteht, ist - anders als noch vor einigen Jahren - hier mit den wenigsten Verzögerungen und Hemmnissen zu rechnen.
Wirtschaftswetter: Ist die Bürokratie, mit der sich Gründer und Unternehmer in der Schweiz auseinandersetzen müssen, ähnlich überwältigend wie in Deutschland?
Peter Holtei: Diese Frage kann nur mit einem klaren Nein beantwortet werden. Im Vergleich zu Deutschland und auch zu Österreich ist der bürokratische Aufwand um deutlich mehr als die Hälfte geringer. Müssen bei einem deutschen oder österreichischen Unternehmen pro Monat durchschnittlich etwa 120 Stunden für administrative Aufwendungen in den Bereichen Sozialversicherung, Steuern und Abgaben, Statistik, Bewilligungen und Umweltschutz aufgewendet werden, so sind dies bei einem Schweizerischen Unternehmen nur ca. 55 Stunden. Allerdings hat die geringe zeitliche Belastung für statistische Erhebungen auch zur Folge, dass die Schweiz weniger statistische Daten zur Verfügung stellen kann als zum Beispiel. die Länder der EU. Darüber hinaus wird ein Unternehmen in der Schweiz (auch vom Finanzamt) grundsätzlich eher als Partner denn als Gegner gesehen - dem entsprechend verhalten sich Behörden auch. In einigen Kantonen, zum Beispiel. im Kanton Schwyz, besteht sogar ein Mitspracherecht der kantonalen Wirtschaftsförderung bei der Gesetzgebung, um unternehmensfreundliche und nicht durch Überregulierung geschädigte wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu erhalten beziehungsweise gegebenenfalls zu schaffen.
Wirtschaftswetter: Welche Vor- und Nachteile warten in der Schweiz speziell auf den deutschen Unternehmer?
Peter Holtei: Die Liste der Vorteile ist sicher lang. Als herausragende USP (Unique Selling Propositions) der Schweiz gelten insbesondere:
- Sozialer Friede, politische Stabilität und Rechtssicherheit
- Liberale Arbeitsgesetzgebung, daraus resultierende hohe Produktivität bei hoher Qualität -in der Schweiz arbeitet man 400 Std. mehr als in Deutschland!
- Leistungsfähiger Kapitalmarkt und international bewährtes Bankensystem, Währungs- und Preisstabilität
- Exzellentes Ausbildungsniveau
- Unternehmer- und unternehmensfreundliche, moderate Besteuerung
- Schnelle Entscheidungen dank schlanker und kompetenter Verwaltung
- Vorhandene und funktionierende Infrastruktur
- hohe Lebensqualität: In Zürich ist man gem. In der Mercer-Studie wurde Zurich zum vierten Mal nacheinander die Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit! (Anmerkung, Zürich teilt sich den ersten Platz mit Genf, Studie der Londoner Beraterfirma William M. Mercer, 2005)
Als Nachteil ist sicherlich zu sehen, dass die Schweiz ein eher kleiner Absatzmarkt ist. Mit 7,3 Mio. Einwohnern, dazu noch unterteilt in drei sprachliche, und damit großteils auch wirtschaftliche Zonen sowie regional auf einige wenige Zentren konzentriert, ist die Schweiz nur begrenzt als "Expansionsmarkt" zu sehen. Dafür eignet sich speziell die deutschsprachige Schweiz hervorragend als Testmarkt für deutsche Unternehmen.
Wirtschaftswetter: Was finden europäische und außereuropäische Investoren in der Schweiz, was sie in Deutschland und Österreich nicht finden?
Peter Holtei: Obwohl sie geografisch zentral innerhalb Europas liegt, gehört die Schweiz nicht zur EU und unterliegt damit auch nicht deren Gesetzgebung. Im Rahmen der bilateralen Verträge mit der EU ist sie allerdings besser integriert als manches EU-Land – 60 Prozent ihrer Exporte gehen in die EU, 40 Prozent ihrer Importe bezieht sie aus der EU.
Mit der Westschweiz als "Tor zu Frankreich", der Südschweiz als "Tor zu Italien" sowie den Nachbarländern Deutschland und Österreich - trotzdem liegen alle diese Wirtschaftsräume sehr dicht beieinander - ist die Kleinheit der Schweiz ebenso einer der Vorteile. Mit dem internationalen Flughafen Zürich, aber auch mit internationalen Verbindungen nach Genf, dem Standort vieler globaler Organisationen, zum Beispiel der UNO und der WTO, verfügt sie über eine interkontinental sehr gute Anbindung. Gerade auch mit den jüngsten Erweiterungen der Verträge (Beitritt zum Schengener Abkommen und der Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten, dem das Schweizer Volk mit einer 56-prozentigen Mehrheit am 25.09.05 zugestimmt hat) hat sich die Schweiz strategisch sehr gut für den internationalen Standortwettbewerb positioniert.
Wirtschaftswetter: Mit welchen Risiken müssen Unternehmen mit ihren Plänen in der Schweiz rechnen, worin liegen die größten Schwierigkeiten? Gibt es überhaupt solche
landespezifischen Anpassungsschwierigkeiten in der Schweiz oder sind sie eher allgemeiner Natur?
Peter Holtei: Selbstverständlich gibt es auch Risiken. Zu beachten sind in jedem Fall:
Die Motivation: Der "Ich bin ein Deutscher, holt mich hier raus" Gedanke ist grundsätzlich die denkbar schlechteste aller Motivationen für ein unternehmerisches Engagement im Ausland - und natürlich auch in der Schweiz. Jedes Auslandsengagement - auch das in der Schweiz, selbst als geografischer Nachbar - bedeutet eine Investition von Zeit und Geld. Investitionen sollten sich aber auszahlen. Eine gute Projektplanung, verbunden mit einer zielgerichteten und auf Nachhaltigkeit und Wachstum ausgerichteten Umsetzung ist deshalb besonders wichtig.
Die Sprachgrenze: Die Schweiz ist als drei- beziehungsweise viersprachiges Land (Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch) bereits "in sich" geteilt - die Schweizer sprechen da zum Beispiel vom "Röstigraben". Jedoch auch in der deutschsprachigen Schweiz ist "Hochdeutsch" (der Schweizer sagt "Schriftdeutsch") eine Fremdsprache für die Schweizer – so, als wenn ein Deutscher Englisch sprechen müsste - ein Fakt, den man insbesondere im Zusammenhang mit der schweizerischen Geschäftsmentalität nicht unterschätzen darf.
Die Mentalität: Die Schweizer Wirtschaft hat eine völlig andere Mentalität. Seit jeher in hohem Masse exportorientiert, andererseits jedoch auch zurückhaltend und vorsichtig, geht man in der Schweiz auch anders miteinander um. Meetings mit seinem Wettbewerber - gerne beim Businesslunch, um eventuelle Synergien herauszuarbeiten, gehören in der Schweiz zur Normalität. Gerade daran müssen sich besonders deutsche KMUs erst gewöhnen. Netzwerke und auch die Beteiligung daran sind - obwohl in der Schweiz weit weniger institutionalisiert als in Deutschland - nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Der Zeitfaktor: "Er kam, sah und siegte": Das funktioniert in der Schweiz so nicht. Netzwerke aufzubauen - in der Schweiz gilt das Motto "Business is made by people" seit jeher in besonderem Maße - und ein kontinuierliches, nachhaltiges Geschäftskonzept umzusetzen bedarf einer gewissen Zeit. Dies sollte sich jeder Investor vergegenwärtigen.
Wirtschaftswetter: Die günstigeren Produktionsstandorte liegen in Osteuropa und in Asien. Ist die Schweiz als Produktionsstandort überhaupt noch ein Thema?
Peter Holtei: Natürlich werden gegenwärtig die Produktionsstandorte Osteuropa und Asien als "The-Places-To-Go" gehandelt, wenn es um die Errichtung neuer oder die Verlagerung von bestehenden Produktionsstandorten geht. Dabei geht es in erster Linie aber um Stückzahlen - also Massenproduktion. Des Weiteren besteht in diesen Regionen auch häufig das Risiko des ungewollten Technologietransfers sowie einer instabilen Rechtslage und damit ein erhöhtes Risiko eines Investitionsverlustes. In der Schweiz ist jedoch - trotz gegenteiliger Meinung - die Entwicklung und Fertigung vor allem von hochtechnologischen Produkten mit hoher Wertschöpfung immer noch lohnenswert, denn:
Lohnnebenkosten: Ein Angestellter, der 100.000 Euro verdienen möchte, kostet das Unternehmen in Deutschland immer noch rund 180.000 Euro. In der Schweiz kostet der gleiche Arbeitnehmer das Unternehmen etwa 120.000 Euro.
Arbeitsmarkt: In der Schweiz arbeitet man 416 Stunden mehr im Jahr als in Deutschland - bedingt durch die normale Wochenarbeitszeit, weniger Urlaubs- und Feiertage, einer geringeren Krankheitsquote und so gut wie keinen Streiks. Denn in der Schweiz besteht das Prinzip der Tarifautonomie darin, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im bilateralen Verhältnis auseinandersetzen. Eine staatliche Regelung per Gesetz oder Verordnung sowie der in Deutschland übliche starke Einfluss der Gewerkschaften findet so gut wie nicht statt.
Qualifiziertes Personal: Bedingt durch ein funktionierendes Bildungssystem und ein daraus resultierendes exzellentes Ausbildungsniveau sind hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter verfügbar. In Zusammenarbeit mit der Hochschule St. Gallen (HSG), der Technischen Hochschule Zürich (ETH) sowie mit den zahlreichen, öffentlichen und privaten Forschungsinstituten hat jedes Unternehmen die Möglichkeit, vom Wissensstandort Schweiz zu profitieren. Nicht umsonst beherbergt die Schweiz die weltweit höchste Anzahl von Nobelpreisträgern und belegt den zweiten Rang bei der Zahl von Patenten pro Kopf.
Diese Argumente werden eindrucksvoll von der Tatsache bestätigt, dass zum Beispiel die Motoren, mit denen die Fenster in der Glaskuppel des deutschen Reichstags automatisch gesteuert werden, von der Firma Belimo aus der Schweiz kommen - und auch dort gefertigt werden.
Wirtschaftswetter: Die Personalkosten sind auch in der Schweiz nicht besonders niedrig, der Lebensstandard eher hoch, das Gesundheitssystem kostet etwas, mit der
demografischen Entwicklung hat die Schweiz ähnlich zu kämpfen wie Deutschland und Österreich. Wenn die Schweiz ein einziges Unternehmen wäre, dem Sie einen betriebswirtschaftlichen Rat geben sollten, was würden Sie sagen?
Peter Holtei: Die Schweiz ist auf dem richtigen Weg. Jedoch gibt es zwei Punkte, die ich für verbesserungswürdig halte:
1. Die Außendarstellung (das Image) der Schweiz, insbesondere in nicht-angrenzenden (im Fall Deutschland sogar Bundes-)Ländern bedarf der Verbesserung. Die Schweiz wird - je weiter ein Investor weg ist, umso mehr - immer noch als das Land der Berge, Uhren, Käse, Schokolade und des Bankgeheimnisses sowie als eine Bastion, in "die man nicht hineinkommt" angesehen.
Abgesehen davon, dass es korrekter Weise "Bankkundengeheimnis" heißen müsste, steht die Schweiz schon lange für Werte wie „Forschungs- und Wissensstandort“ sowie „Innovationen“, gilt als offenes und unternehmerfreundliches Land und ist natürlich nach wie vor auch als globaler Finanzplatz inklusive einer hohen Lebensqualität bekannt - und das bedeutet eben auch Urlaub, Berge, Ski fahren etc. Gerade dieser Mix sollte jedoch - für die schweizerische Mentalität natürlich eher untypisch - noch aggressiver beworben und vermarktet werden.
2. Der Föderalismus. Aus wirtschaftlicher Sicht macht der Föderalismus einerseits Sinn, weil er zum Beispiel den Wettbewerb der (26!) einzelnen Kantone untereinander fördert und damit gleichzeitig auch dafür sorgt, dass die Schweiz in ihrer Gesamtheit im internationalen Standortwettbewerb konkurrenzfähig bleibt. Dennoch wirkt andererseits so manche nach außen gerichtete Maßnahme auf den Adressaten eher befremdlich, kann dieser doch – zum Beispiel bereits in NRW - nicht mehr nachvollziehen und zuordnen, dass ein Land in der Bevölkerungsstärke des halben Ruhrgebietes sich dermaßen different präsentiert. Hier besteht - ohne einen Grundpfeiler des Schweizerischen Systems in Frage stellen zu wollen - Verbesserungsbedarf, zumindest nach außen hin. Allerdings bestehen hier auch schon einige sehr gute Ansätze, beispielsweise mit der Greater Zurich Area AG, die als Public Private Partnership bereits heute sieben Kantone (Aargau, Glarus, Graubünden, Solothurn, Schaffhausen, Schwyz und Zürich) sowie zwei Städte (Winterthur und Zürich) vertritt und damit rund 70 Prozent des deutschsprachigen Wirtschaftsraumes der Schweiz repräsentiert.
Wirtschaftswetter: Wer in die Schweiz geht, wird mit Schweizern kommunizieren. Herr Holtei, was sollte ein Unternehmer unbedingt mitbringen, der von den Eidgenossen freundlich aufgenommen werden will?
Peter Holtei: Soziale Kompetenz, einen guten Businessplan und ein wenig Geduld.
Und er sollte auf keinen Fall versuchen, Schwyzerdütsch zu sprechen - das kommt gar nicht gut an - wenn er's nicht perfekt kann.
2006-01-01 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz und Gesprächspartner Peter Holtei
Foto Langläufer: ©Cornelia Schaible
Banner: ©Angelika Petrich-Hornetz
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