31. Folge
von Ines Kistenbrügger
Es ist nicht schade um das schnöde Geld, obwohl mein Angetrauter mit Sicherheit weit mehr für dieses Glücksgefühl ausgegeben hat, als mir eigentlich lieb ist. Es ist seine Sucht und Leidenschaft, seit jenem verhängnisvollen Tag im Herbst des Jahres 2002. Und ein kleiner, stinkiger Schweizer ist Schuld.
Wir waren spazieren in Wien, als wir einen kleinen Laden betraten, der sich Sekunden später als ein riesiges Delikatessengeschäft entpuppte. Noch hatten wir kein Kaufziel, wir hatten auch gerade gegessen, doch können Genussmenschen wie mein Mann und ich selten an solch extravaganten Lebensmitteln vorbeigehen, ohne nicht mindestens einmal die vielen Verpackungen, Gerüche, Probierstücke und Eindrücke in uns aufzunehmen. Wie üblich hatten wir uns zwischen den vielen Probierständchen, Regalen und Theken auch schnell verloren. Noch dachte ich mir nichts dabei. Ich wanderte noch eben schnell durch die Sushi-Bar, bevor ich meinen Mann suchen wollte. Da sah ich ihn schon auf mich zugehen. „Hast Du die Käsetheke gesehen - wollen wir Brot und Käse kaufen und uns in den Park setzen?“ Seinen glänzenden Augen konnte ich schon damals entnehmen, dass es ihn erwischt hatte. Wie extrem diese neue Sucht werden sollte, konnte ich aber damals kaum erahnen.
Ein paar Minuten später saßen wir dann auch bereits im Park. Mein Mann, immer noch wie in Trance vor Glückseligkeit, öffnete seinen neuen Schatz - den Käse, verpackt in einer Dose und genoss den Geruch, indem er mit seiner Nase in die Dose eintauchte und tief einatmete. „Weißt du wie sie diesen Käse geschnitten haben? Er wurde dünn geschabt, mit einem Spezialmesser. Guck mal wie gut er riecht.“ Auch wenn ich mich selbst als Käsefreund bezeichnen würde und an keinem kalten Buffet vorbeigehen kann, ohne nicht mindestens einmal am Käse zu naschen, fiel mir nur auf, dass der Käse einen sehr scharfen, stinkigen Geruch hatte. „Du weißt doch“, sagte da auch schon meine bessere Hälfte, „nur ein Käse, der stinkt, der schmeckt vorzüglich.“ Und von nun an, war dieser kleine runde Käse aus dem Schweizer Bergland, mit seinem penetranten Geruch unser ständiger Kühlschrankbewohner, der selbst auf unserem Hochzeitsbuffet nicht fehlen durfte: Tête de Moine, der Mönchskopf. Zwei Wochen später kauften wir uns dann auch den Käsehobel, den Girolle, um die Rosetten abschaben zu können. Denn, wie mein Mann gleich bemerkte, der Käse schmecke nur gehobelt und nicht geschnitten.
So lecker der Käse auch (tatsächlich!) ist, so sehr hat er auch einen Nachteil. Er kostet uns ein kleines Vermögen. Nicht nur mussten wir unseren nächsten Urlaub in der Schweiz verbringen - quasi auf den Spuren eines Käses – nein, wir fahren auch hier in den USA von einem Delikatessenladen in den nächsten. Nur um Hunderte von Dollar der Käseindustrie in den Rachen zu werfen. Wie häufig hatte ich versucht, meinen Mann zu überzeugen, doch auch einmal seinem zweiten Lieblingskäse gerecht zu werden und diesen vermehrt zu kaufen, den Gruyère. Doch mein Mann sieht mich dann mit traurigen Augen an, packt den Gruyère in den Einkaufswagen wie ein Kind, dem statt ein Keks ein Apfel gegeben wird und schleicht langsam zur Kasse, immer noch hoffend, dass ich ihm erlaube doch den geliebten Mönchskopf in den Wagen zu legen. Manchmal werde ich weich. Zu Weihnachten, zum Hochzeitstag, zum Valentinstag. Das sind Mönchskopftage. An allen anderen Tagen muss dann Gruyère, Etorki, Appenzeller, oder auch mal ein Ziegenkäse auf den Tisch.
In einem Land, das Scheiblettenkäse als „American Cheese“ bezeichnet, stoßen wir bei unseren Freunden auf viel Unverständnis. Doch wir lassen uns nicht abhalten und bilden unseren Käseverstand weiter. Wir probieren viele Sorten aus, doch keine Sorte löst bei meinem Mann das selbe Verzücken aus wie der Mönchskopf.
Doch neulich fiel mein Mann kurzfristig von seinem Käseglauben ab. Gerade waren wir in einem unserer Delikatessengeschäften, als ich ihn, dessen erster Weg immer zu Käsetheke führt, leicht unterdrückt, aufschreien hörte. Da hatte die ahnungslose Käseverkäuferin den runden Käse halbiert, indem sie ihn in zwei Halbkreise schnitt. Eine Todsünde unter den Mönchskopfgourmets, denn wie soll nun der Kopf langsam und sanft mit dem Käsehobel abgeschabt werden? Eine Sünde in etwa, wie dem Spargel die Köpfe abzuschneiden und wegzuwerfen.
Wir haben natürlich kein Stück gekauft. Ich musste meinen leichenblassen Angetrauten aus dem Geschäft führen, bis er an der frischen Luft langsam den Schock überwinden konnte. Wir haben dieses Geschäft nicht wieder aufgesucht. Die Liebe zum Tête de Moine ist aber geblieben.
Detroit, 2006-01-01 by Ines Kistenbrügger, Wirtschaftswetter
Text:©Ines Kistenbrügger
Foto:©Ines Kistenbrügger
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