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Wirtschaft oder - und Soziales?

Unternehmerisches Sozialengagement als Investition in die Gesellschaft und ins eigene Personal

von Angelika Petrich-Hornetz

Baby 1 Während einige große Unternehmen ihre eigenen Betriebskindergärten sowie weitere soziale und personalwirksame Einrichtungen firmenintern betreiben, sind kleine und mittlere Unternehmen häufig auf die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und Organisationen vor Ort angewiesen, um im globalen Wettbewerb um Fachpersonal und Spezialisten mithalten zu können. Die aktuelle Geburtenrate lässt zudem ahnen: Gerade der Wettbewerb um gut ausgebildete Frauen sowie um junge Mitarbeiter setzt jetzt ein und wird nicht erst irgendwann in ferner Zukunft beginnen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Work-Life-Balance einzelner Mitarbeiter entwickelt sich langsam zur Work-Life-Balance der Unternehmen selbst – eine vorausschauende Personalpolitik wird für die Überlebens- und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen immer wichtiger.

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO), einer der großen Wohlfahrtsverbände in Deutschland, sucht gegenwärtig verstärkt Kooperationen mit der Wirtschaft und will Unternehmen mit den eigenen, Strukturen unterstützen. Auf diesen basierend, will der Verband neue Angebote entwickeln, wie zum Beispiel den erst vor kurzem eingeführten „Elternservice.“
Dabei handelt es sich um ein Angebot an Unternehmen, die für ihre Mitarbeiter die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern wollen beziehungsweise müssen. Über eine kostenlose Hotline werden die Beratungssuchenden an ein Büro vor Ort vermittelt und in einem persönlichen Gespräch der Bedarf der Kinderbetreuung ermittelt - Umfang, Zeitraum, Örtlichkeiten – sowie bei akutem Bedarf auch gleich entsprechendes Personal wie Kinderfrauen, Tagesmütter, Babysitter, Au-Pairs und sogenannte „Notmütter“ vermittelt.

Die Unternehmen müssen sich dann nicht mehr selbst mit der Kinderbetreuung auseinandersetzen. Sie lagern in kompetente Hände aus und helfen ihren Mitarbeitern dennoch aktiv. Das Angebot ist sowohl für Rückkehrer aus der Familienpause interessant als auch dazu geeignet, Familienpausen zu verkürzen sowie dauernden oder zeitweisen Betreuungsbedarf zu decken - selbst für den „betrieblichen Notfall“. Die Mitarbeiter wiederum können sich darauf verlassen, dass ihre Kinder sicher und qualifiziert betreut werden, verspricht die AWO Ostwestfalen-Lippe, die sich für die Organisation des neuen „ElternService AWO“ verantwortlich zeichnet.

Auf die Idee soziale Dienstleistung für Unternehmen zu entwickeln kam der Verband, als im Herbst 2005 die Deutsche Rentenversicherung (ehemalige Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, BFA) per Ausschreibung einen Anbieter zur bundesweiten Beratung und Vermittlung von Kinderbetreuung mit dem Schwerpunkt Berlin suchte. Dabei wurde auch ein Beratungsbüro für persönliche Gespräche gefordert. Die Bundesgeschäftsführerkonferenz der AWO beschloss sich zu beteiligen, weil sie die Kapazitäten hatte. Für über 100 Kindertageseinrichtungen fungiert die Arbeiterwohlfahrt bereits als Träger, schon lange gibt es dort auch eine Agentur für Tagesmütter, die ähnlich wie der neue Service für Eltern funktioniert. Schließlich wurde die Gründung der "ElternService AWO" zunächst als GbR beschlossen und die Arbeit Anfang 2006 aufgenommen. Allein bei der Betreuung von Kindern will die AWO nicht stehen bleiben, sondern ihr Portofolio für unternehmens- und mitarbeiternahe Dienstleistungen dem wachsenden Bedarf entsprechend erweitern, kündigte sie an.

Neben der Arbeiterwohlfahrt haben auch andere Anbieter den Markt für unternehmensnahe Betreuungsdienstleistungen längst entdeckt. Das macht es für die Unternehmen deshalb nicht einfacher, weil der Markt nun unüberschaubarer wird und die Leistungsmerkmale nicht einfach im Prospekt abzulesen sind. Die Angebotspalette ist groß, das Sortiment unterschiedlich breit und tief, es reicht vom „Einkaufen“ halber Belegschaften in städtische Kindertagesstätten bis hin zur Ferienbetreuung, Betreuung von kranken Kinder, Ausfallbetreuung (z.B. wenn die reguläre Tagesmutter erkrankt) oder auch der Betreuung von Gastkindern von Mitarbeitern aus dem Ausland, die sich temporär in Deutschland aufhalten. Außerdem wird die lang- und kurzfristige Pflege von älteren Angehörigen zum Thema, wenn nicht gar drängenden Problem, und auch hierfür gibt es bereits unterstützende Angebote solcher Dienstleister.

Weil die Situation von einzelnen Mitarbeitern und auch ganzen Belegschaften individuell sehr unterschiedlich ist, braucht ein Unternehmen passgenaue Lösungen, die in der Praxis sowie in Hochstressphasen funktionieren. Man sollte sich also – vor der Einführung - Zeit nehmen, den Bedarf der Mitarbeiter ermitteln, sich gründlich – nicht nur von einer Stelle - beraten lassen, und wie immer: Angebote vergleichen. Außerdem sollte man auch Erfahrungen mit Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Organisationen und Anbietern, die diese vermitteln, einholen, denn wie bei allen Dienstleistungen gilt auch hier: „Drum prüfe, wer sich (womöglich) ewig bindet, ob er nicht noch etwas Besseres findet“. Immerhin sollen Mitarbeiter deutlich entlastet werden, damit sie dem Unternehmen zur Verfügung stehen - wer sich mit weniger zufrieden gibt, bekommt nachher eventuell Probleme. Wer sich aber gründlich und sorgfältig informiert, findet die Dienste, die es Unternehmen erleichtern, junge und gut ausgebildete Mitarbeiter, die Familie haben, zu finden und zu halten.

Baby 2Eine weitere Möglichkeit ist die rein finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers an den Kinderbetreuungs-Kosten der einzelnen Mitarbeiter in Form eines Zuschusses. Bevor man einem Mitarbeiter mit Kindern im Kindergartenalter eine Gehaltserhöhung angedeihen lassen will, sollte man sich bei ihm erkundigen, wie viel er für Betreuung seiner Kinder ausgibt. Der Vorteil eines Zuschusses liegt auf der Hand: Die Übernahme der Kinderbetreuungskosten ist im Gegensatz zur Gehaltserhöhung steuer- und sozialversicherungsfrei (§3 Nr. 33 EstG). Auch Vor dem Hintergrund der neu eingeführten steuerlichen Absetzbarkeit von Kinderbetreuungkosten ab 1. Januar für alle Bürger, kann es sich lohnen, weil die persönliche Absetzbarkeit Grenzen unterworfen ist, und der Rest vom Arbeitgeber bezuschusst werden kann.
So oder so: Wer seine Mitarbeiter unterstützt, bekommt die besten Arbeitskräfte. Familienfreundlichkeit steht nicht erst morgen sondern heute in den Startlöchern in Deutschland zu einem Wettbewerbsfaktor um hoch qualifiziertes Personal zu werden, das sowohl berufliche als auch familiäre Interessen verfolgt.

2006-03-30 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswteter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Fotos: ©Angelika Petrich-Hornetz
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