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Korkenzieher

"... welcher beim Eindrehen des Bohrers in den Kork das Ausziehen der Letzteren bewirkt"

von Annegret Handel-Kempf

Weinflasche Bevor genussvoll Wein probiert werden kann, muss der traditionell meist verwendete Verschlusskorken entfernt werden. Kunstvoll, um den ruhenden Wein weder zu verschrecken, noch zu zerstören. So muss es wohl sein. Denn warum sonst ruhten tief im Keller des Deutschen Patentamts in München bündelweise Patente noch aus dem 19. Jahrhundert.

Heutzutage wird in Internet-Foren beispielsweise über die ideale Funktionalität ausrastender Flügel geplaudert, ohne real existierende Weinöffner dabei allzu schlecht wegkommen zu lassen: „Aber denke doch mal an einen klassischen Korkenzieher. Du drehst die Spirale ein paar Zentimeter in den Korken hinein und ziehst ihn dann raus. Dabei versucht man normalerweise nicht durch den Korkenboden zu stoßen, um Brösel zu vermeiden.“ Antwort: „Das geht aber nur beim einfachsten aller Korkenzieher, Marke Spindel plus Handgriff (T-Form). Bei allen anderen Korkenziehern mit Spindel durchbohrt man den Korkenzieher in jedem Fall. Ich finde übrigens nichts Böses dabei, ein Krümelchen holt man mit dem Kaffeelöffel (im Restaurant) oder mit dem Finger (beim Picknick) wieder heraus.“ – Schön, diese Solidarität mit Krümelmonstern: Nur gibt es nicht vielleicht doch allmählich den idealen Korkenzieher, über den seit immerhin rund 320 Jahren gesprochen und geschrieben wird, und der seinen Namen „corkskrew“ vor etwa 280 Jahren erhalten haben soll?

Fundgrube Deutsches Patentamt

Das Stöbern in den Schriften und Zeichnungen des Deutschen Patentamts bringt einen vielfältigen Lösungsreichtum zu Tage, der ausschließlich um das eine kreist: Den Korken möglichst leicht und sauber aus der Flasche zu befördern. Wobei idealerweise eine eventuell verwendete Spirale den Kork nicht durchstoßen, beziehungsweise mit dem Wein nicht in Berührung kommen sollte, da insbesondere Metall eine chemische Reaktion hervorrufen kann. Und das liegt keinesfalls im Sinne der guten Weingeister. Ganz nüchtern werden diese animierten Technik-Highlights im Verwaltungsdeutsch des Amtes in der Rubrik „Öffnen der Verschlüsse von Flaschen und anderen Gefäßen“ als „Korkzieher mit Korkzieherschraube“, „Korkzieher ohne Korkzieherschraube“ und „Korkenzieher zum Entfernen von in das Flascheninnere gefallene Korken“ charakterisiert.

Federnde Schenkel

Korkenzieher Schon das bereits erwähnte Patent Nummer 16 vom 3. Juli 1877 hat das ästhetische Ziel gehabt, allen Krümelmonstern den Garaus zu machen.
„Der vorliegende Pfropfenzieher vermeidet, von einem neuen Prinzip ausgehend, das Anbohren indem er, den Kork fest umfassend, das unbeschädigte Herausziehen desselben gestattet.“ Das Besondere des Pfropfenziehers von „Benjamin Loew in Tilsit“ lag an der „Anwendung zweier den Kork umfassender Schenkel (laut Zeichnung) c und f von denen einer verschiebbar ist... Durch Hochziehen und gleichzeitiger Drehung des Pfropfenziehers kann ... der Kork ohne Beschädigung leicht entfernt werden.“

Verlängerte Spirale

Bereits zehn Tage später ließ Friedrich Wilhelm Schäfer „in London“ unter der Nummer 98 einen weiteren Pfropfenzieher patentieren, der sich anstelle der umklammernden Federn auf die Nutzbarmachung von Spiralen verlegt, wie sie auch heute noch häufig verwendet werden:
„Der Vortheil, die Oeffnung einer Flasche durch fortgesetzte Drehung des Pfropfenziehers zu bewirken, wird bei dieser Erfindung erreicht, indem der Pfropfenzieher mit zwei oder mehr Spiralen, ohne oder mit Mittel-Spirale versehen ist ... Fig. 3 stellt einen Pfropfenzieher dar, dessen Spirale C lang genug ist, um durch einen Kork von gewöhnlicher Länge hindurch gehen zu können, bei dem aber die Spirale B kürzer, als C ist. Der Zweck dieser Abänderung ist der, dass sehr schlechte Korke, welche beim Andrehen brechen könnten, durch die über B hinaus verlängerte Spirale gehalten werden und so in ihrer ganzen Länge der fortschreitenden, aufwärts gerichteten Bewegung folgen müssen.“

Arme hoch und runter geklappt

Am alltagstauglichsten für alle, die das Prinzip des Eindrehens und Ziehens zu hassen gelernt haben, sind geniale Korkenzieher mit Armen, die nach oben gehen und zum Kork-Entfernen wieder nach unten geklappt werden, im Volksmund aufgrund dieses Bewegungsablaufs auch nach dem französischen General „de Gaulle“ genannt. „Ad. Bernhard Lindner in Hannover“’s Erfindung eines solchen Schreck-geh-weg-Werkzeugs wurde am 4. Mai 1901 patentiert: „Soll nun ein Kork herausgezogen werden, so setzt man die geschlossene Vorrichtung auf, und schraubt durch Drehen des Korkziehers denselben vollständig in den Kork hinein. Dabei nehmen die Kniehebel infolge der Annäherung des Drehpunktes c an den Ring die aus Fig. 2 ersichtliche Stellung ein. Es ist ohne Weiteres klar, dass ein auf die freien Enden der Hebel a ausgeübter Druck ein Herausziehen des Korks aus dem Flaschenhals bewirken muss.“

Korkenretter

Welch ein Schreck, der Korken ist weg – doch glücklicherweise erfand beispielsweise Helmuth Segger „in Kiel“ mit Patent vom 21. Mai 1920 einen „Korkenzieher mit Hilfsvorrichtung zum Herausziehen von in die Flasche gefallenen Korken“, „dadurch gekennzeichnet, daß mit Hilfe einer federnden Greifvorrichtung (a, b, c, d, f, g) der Korken in der Flasche festgestellt und dann durch Eingriff des mit leicht abnehmbarem Handgriff (l) versehenen Korkenziehers (i) der Korken aus der Flasche herausgezogen wird.“

Luftpumpe für Korken

Eher der Party-Gag-Generation der 60er Jahre ist ein kombinierter „Folien-Schneider und Korken- Entferner“ zuzurechnen, der für den Erfinder Robert W. Cameron, Belvedere, Kalifornien, am 2. Juni 1964 beim US-Patentamt patentiert wurde. Durch eine Hohlnadel, die den Korken durchsticht, wird bei der Spezies der Luftdruck-Korkenheber Luft in den Wein gepumpt, woraufhin infolge des Überdrucks dem Korken gar nichts anderes übrig bleibt, als mit einem lauten Plopp Jeany-gleich aus dem Flaschenhals zu sausen. Manchen Weinliebhaber plagt angesichts solcher Gerätschaften die Sorge, dass aus seinem eben noch ruhenden Wein nun sekundenschnell ein lebhafter Schaumwein wird.

Spiralennutzer

Doch die Suche geht weiter, und die Verbesserungen kreisen immer wieder um die Spirale. So wurde am 10. November 2000 beim Europäischen Patentamt eine Korkenzieher-Spirale von Presa Eguren Jacinto, Spanien, patentiert, deren Rollenaufsatz die Spiraldrehungen aufnimmt und beim Heraushieven des Korkens vervielfacht.

Krümel trotz Teflon

Viele Erfindungen, doch was löst denn nun den Korken am saubersten und bequemsten aus der Flasche? - Ein Tipp mit Einschränkungen zum Schluss vom Leiter Wein und Sekt der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Frankfurt am (Wein-)Main: „In Sachen Korkenzieher haben wir leider selbst keine Ideallösung anzubieten – fast jeder uns bekannte Korkenzieher hat seine Nachteile. Für den ‚Hausgebrauch’ bevorzuge ich den Screwpull – auch hier finden sich hier und da Korkstückchen im Wein, vor allem wenn die Teflonbeschichtung der Spirale abgenutzt ist.“

Lächeln Merke: Gegen Abnutzung hilft also selbst ein Patent auf eine mit Teflon beschichtete Spirale nichts, auch wenn einen die Beschreibung „gleitet sanft durch den Korken und zieht diesen aus der Flasche, ohne ihn zu zerstören“, schon förmlich den bröselfreien Wein auf der Zunge beißen lässt.

Der Vorhang senkt sich ... viele Fragen bleiben offen: Doch wen der Korkenzieher und seine Möglichkeiten nicht mehr los lassen, der kann sich ja dem Verein Korkenzieherfreunde in Eurasburg oder gleich der „International Correspondence of Corkscrew Addicts“ anschließen.


2006-07-01 by Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: © Annegret Handel-Kempf
Illustrationen: ©aph
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