von Cornelia Schaible
Wer heutzutage küchentechnisch nicht hinterm Mond lebt, besitzt mindestens zwei kleine handliche Mühlen. Möglichst solche aus schickem Acrylglas, damit man auch gleich sieht, was drin ist: in der einen schwarze Pfefferkörner, in der anderen grobes Salz. Meistens ist aber nur die Pfeffermühle im Einsatz, denn die Salzmühle geht schwer und knirscht schrecklich – und vor allem: Welches Salz soll da überhaupt rein? Meersalz ist oft zu feucht und klumpt. Klar, es verstopft auch den Salzstreuer. Für dicke Brocken Himalayasalz aus dem Naturkostladen wäre eher ein Hämmerchen zweckdienlich. Und gewöhnliches Kochsalz kippen die meisten ohnehin direkt aus der Packung ins Nudelwasser. Aber das würde natürlich niemand zugeben.
Denn der banale Würzstoff hat neuerdings höhere gastronomische Weihen erhalten, Prädikat: kulinarisch besonders wertvoll. Aber bloß, wenn es sich dabei um exklusive Sorten aus fernen Ländern handelt. Raffiniertes Speisesalz aus deutschen Landen, industriell abgebaut und gereinigt, ist bei Feinschmeckern verpönt. Es schmecke leicht bitter, sagen sie, und – nun ja, zu salzig eben. In Verruf geraten ist außerdem der übliche Jodzusatz zum Kochsalz. Medizinisch mag das sinnvoll sein, aber welcher Spitzenkoch will sich schon nachsagen lassen, er koche mit einem Anti-Kropfmittel?
Es war abzusehen: Das billige Massenprodukt Salz musste schleunigst Karriere machen, um neben Balsamicoessig und kalt gepresstem Olivenöl irgendwie weiter existieren zu können. Da kam ein Exot gerade recht: das bereits genannte Himalayasalz, vor einiger Zeit schon der Hit in Reformhäusern und Öko-Läden. Alle möglichen wundersamen Eigenschaften und heilende Kräfte, die sich geheimnisvollen Inhaltsstoffen verdanken, wurden ihm nachgesagt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hält das für Humbug: „Besondere Wirkungen auf den Körper durch Verzehr von Kristallsalz aus dem Himalaya sind wissenschaftlich nicht belegt“, heißt es in einem vielfach zitierten Pressetext. „Himalaya-Salz besteht zu mindestens 97 Prozent aus Natriumchlorid – also aus Kochsalz.“ Der Gehalt an anderen Mineralstoffen sei im Übrigen so gering, dass mit üblichen Verzehrmengen kein nennenswerter Beitrag zur Bedarfsdeckung geleistet werden kann.
Der Hype ums Himalayasalz erlitt einen weiteren Dämpfer, als sich herausstellte, dass es gar nicht aus dem Himalaya stammt – jedenfalls nicht so direkt. Vielmehr wird es in riesigen Salzminen in Pakistan abgebaut, in der Salt-Range-Kette rund 200 Kilometer südlich vom Himalaya-Massiv. Publik machte das unter anderem der Evangelische Entwicklungsdienst, der dazu kräftig über die „Esoterik-Abzocke Himalaya-Salz“ spottete.
Inzwischen geben die meisten Händler im Kleingedruckten die pakistanische Herkunft des Salzes an, auch wenn sie weiter unverdrossen für die „Urkraft aus dem Himalaya“ werben. Wobei festzuhalten ist, „dass auch das Salz in den Salzlagerstätten in Deutschland und Mitteleuropa aus vor 100 bis 200 Millionen Jahren verdunsteten Meeren stammt“, so die DGE. Das deutsche Salz ist allerdings nicht so hübsch rosa wie das aus Pakistan, das sich auch in Form von Salzlampen gut verkauft – es soll besonders trauliches Licht spenden. Ausgehöhlte große Salzbrocken dienen dabei als Lampenschirm. Im Prinzip kann man damit auch die Suppe versalzen, falls man sich daran satt gesehen hat.
Vielleicht ging auch den Bio- und Feinkostanbietern dadurch ein Licht auf, denn sie haben neuerdings viele Salzsorten im Programm: alles Meersalze, direkt von der Küste, nicht erst ein paar Jahrmillionen lang im Gebirge zwischengelagert. Dafür wird Meerwasser über Kanäle in so genannte Salzgärten geleitet, wo das Wasser verdunstet und am Ende das Salz übrig bleibt. Die feine Salzschicht, die sich bei besonderen Witterungsbedingungen bereits an der Oberfläche des Salinenbeckens bildet und von Hand abgeschöpft wird, ist besonders begehrt: Das ist das so genante „Fleur de sel“, also die Salzblüte.
Begehrte Salze gibt es aber auch von anderen Küsten von Atlantik und Mittelmeer. Feines Meersalz ist in aller Munde – was kein Wunder ist, denn die meisten Fernsehköche empfehlen es, vom Jungstar Jamie Oliver bis zum gestandenen Johann Lafer. Selbst in den USA ist das Salzfieber ausgebrochen: Nachdem der Fressführer „Zingerman’s Guide to Good Eating“ die edelsten Salze der Welt aufführte, ist davon plötzlich überall die Rede. Autor Ari Weinzweig, der in der Tübinger Partnerstadt Ann Arbor nahe Detroit einen der besten Delikatessenladen Amerikas führt, preist unter anderem auch ein Salz aus Hawaii – das kostbare Alea-Salz von rötlicher Farbe. Somit empfiehlt sich Salz als Reise-Mitbringsel von vielen Orten dieser Welt.
Allen diesen Salzen gemeinsam ist ein ziemlich gesalzener Preis – oft ein Vielfaches dessen, was normales Kochsalz kosten würde. Nicht zu Unrecht wurde das Salz einst das weiße Gold genannt. Aber die Feinschmecker geben davon auch nur eine Prise über die Kartöffelchen oder den Rucolasalat. Am besten stellt man das Salz in einem kleinen Napf auf den Tisch – und die Salzmühle verstaubt weiterhin auf dem Küchenbord.
2006-07-01 by Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text: ©Cornelia Schaible
Illustrationen: © Angelika Petrich-Hornetz
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