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Von Paris bis Tokio

Auf dem Weg zur schlanken Taille

von Astrid Wehling

Wenn eine Französin und eine Japanerin unabhängig voneinander ein Austauschjahr in den USA antreten und beide ahnungslos und voller Leidenschaft in Bagels, Icecream, Steaks, Chips und Fritten schwelgen, dann kann das schon mal Folgen haben. Zum Beispiel zehn Kilo mehr auf der Waage. Und zwei neue Bücher übers Schlankwerden und Schlankbleiben.

Sushi So geschehen im letzten Jahr. Lustigerweise, zumindest in den englischen Originalausgaben, auch noch mit fast identischen Titeln, und beide erschienen in den Bestsellerlisten: French Women don’t get fat/The Secrets of Eating for Pleasure von Mireille Guiliano und kurz darauf: Japanese Women don’t get old and fat/Secrets of my Mother’s Tokyo Kitchen von Naomi Moriyama.

Na, hoppla. Neue Erkenntnisse? Handelt es sich um Geheimtipps, um so schlank zu werden und vor allem schlank zu bleiben wie Coco Chanel? Oder auf ewig so jung auszusehen wie eine Geisha?
Geben wir es doch zu: Denken wir an Französinnen, denken wir an zierliche Frauen in eleganten Kostümen in Größe 36. Und bei Japanerinnen fällt uns doch gleich schwarzes, glänzendes Haar und ihre glatte, ebenmäßige Haut ein. Stimmt’s?

Naja, aber das ist ja sowieso alles genetisch ...

Oh, nein - behaupten beide Autorinnen gleich am Anfang ihrer Bücher. Jede Französin und jede Japanerin, die unkontrolliert drauflos futtert, wird dick - und krank. Wie sie es selbst ja bewiesen haben - damals in Amerika.

Also geht es doch nur mit Disziplin? Ja. Jedoch: mit sehr viel Plaisir gewürzt.

Mireille Guiliano ist CEO und Präsidentin einer bekannten französischen Champagnerkellerei, mit Wohnsitz in Paris und New York. Auf den ersten Seiten ihres Buches stellt sie die Fakten vor:
Eine Französin isst ALLES, was ihr schmeckt, eine Französin hat Interesse an allem, nur nicht an Diäten., eine Französin liebt ihr Glas Champagner, eine Französin hasst Fitnesstudios ...
... denn eine Französin liebt es zu genießen und hasst es zu schwitzen.

Und damit eine Französin genießen kann, bedarf es einiger kleiner Tricks und Kniffe, um auch noch mit 50 Jahren in Kostümgröße 38 zu passen.
Mit Charme und Humor stellt Madame Guiliano ihren Plan vor:
Notieren Sie alles, was Sie über einen Zeitraum von drei Wochen essen.
Erkennen Sie die Übeltäter und sortieren Sie diese aus.
Entschlacken Sie und stellen Sie Ihre Ernährung um, ändern Sie Ihre schlechten Angewohnheiten.
Folgen Sie meinen Ratschlägen für jedes Lebensjahrzehnt.

Klingt wie ein neuer Lebensstil? Naturellement! Das Buch ist voll mit kleinen Anekdoten zur französischen Lebensart, gespickt mit französischen Vokabeln, jeder Menge Rezepte und kleinen Lebensweisheiten – zur Nachahmung empfohlen.

Voilá. Und das Fazit?
Im Grunde ist es nicht Neues: Wer in kleinen Portionen isst, und dieses mit Bedacht und Genuss, wer viel Obst, Gemüse und Fisch auf dem Speisezettel hat, wer sich vollwertig ernährt und auf leere Kalorien verzichtet, wer viel Wasser trinkt und sich regelmäßig bewegt – der wird nun einmal nicht fett.

Ah, oui, ach so ist das. Und was, bitte schön, ist daran so französisch?

Vielleicht der Charme, mit dem diese bekannten Weisheiten erzählt werden? Ich fühle mich in die Obstgärten der Provence versetzt, bekomme auf einmal Lust auf einen Café au lait in einem Pariser Straßencafé und träume von ausgiebigen Picknicks an der Loire mit Gänseblümchen hinterm Ohr und Bienengesumse.

Mireille Guiliano beschreibt auf köstliche Weise Aromen, Düfte und Farben der Gerichte ihrer Kindheit, die alle einfach, aber auch elegant wirken. So wie Champagnerhühnchen, gegrilltes Lamm, Tomatensalat mit Ziegenkäse, Pflaumenclafoutis, gekochte Birnen mit Zimt, und natürlich Mousse au Chocolat. Das alles wird gewürzt mit Guilianos typischen, kleinen Kommentaren: Eine Französin weiß, wann sie aufhören muss zu essen; eine Französin isst mit all ihren fünf Sinnen; eine Französin isst nicht fat-free, sondern richtig; eine Französin trinkt den ganzen Tag über Wasser; eine Französin geht viel und gern zu Fuß. Und nicht zuletzt: Eine Französin lacht und flirtet gern.

Bien. Jetzt weiß ich also Bescheid. Kleine Portionen, einen Joghurt pur gegen den kleinen Hunger zwischendurch. Isometrische Übungen, wo ich geh’ und steh’ (sieht ja keiner). Treppe statt Aufzug. Und wenn ich an einem Abend doch ein bisschen zuviel geschlemmt habe, gibt es am nächsten Tag eben nur Äpfel. Dazu ein Lebensstil, der ein gesundes, genauso auch ein genüssliches Leben verspricht.

Das zweite Buch: Was kann da schon noch großartig Neues aus Japan kommen. Wo ja schon der Buchtitel fast gleich klingt ...

Nun, bereits auf den ersten Seiten weht mir ein anderer Wind entgegen. Naomi Moriyama, PR- und Marketingfachfrau aus New York, überfällt mich zunächst mit erschreckend nüchternen Zahlen:
Eine Milliarde Menschen auf der Welt sind übergewichtig, mindestens 300 Millionen davon krankhaft. 2004 kostete Übergewicht und Fettsucht die USA 117 Milliarden Dollar. 34 Prozent aller Amerikanerinnen und 20 Prozent aller englischen und deutschen Frauen sind fettsüchtig. Übergewicht kann zu Krebs, Bluthochdruck, Herzinfarkten, Diabetes, Nierenversagen, Arthritis, Unfruchtbarkeit und Frühgeburten führen.
Mit Hilfe von Tabellen erfährt der Leser darauf, dass Japaner nicht nur länger leben als Amerikaner, Europäer und Australier, sondern generell gesünder sind und deutlich weniger für ihre Gesundheit ausgeben.

Nach dieser eher ernüchternden Einleitung erwarte ich nun natürlich einen straffen Ernährungsplan, diszipliniert und asketisch - im Samurai-Stil.
Doch genau wie Mireille Guiliano in ihren Heimaterinnerungen und Düften ihrer Küche schwelgt, beschreibt Naomi Moriyama in einer inspirierenden Art und Weise die Tokio Küche ihrer Mutter. Sie nimmt die Angst vor all den ungewöhnlich klingenden Zutaten wie Mirin, Daikon, Miso und Kombu - zeigt, dass es auch mit den gewohnten westlichen Utensilien sehr gut möglich ist, ein japanisches Gericht zuzubereiten.

Ja, aber wieso nun werden Japanerinnen nicht dick und vor allem, warum bleiben sie so lange jung? Richtig. Sie essen nur soviel, bis sie zu 80 Prozent satt sind, hauptsächlich Obst, Gemüse, Reis und Fisch. Sie trinken viel Wasser und Tee und bewegen sich regelmäßig.

Dachte ich es mir doch.

Was ist nun das typisch Japanische? Glaubt man Naomi Moriyama, so ist es in erster Linie das klassisch japanische Frühstück: Misosuppe mit Gemüseeinlage, Tofu und einem hartgekochten Ei täglich. Dies sei energie- und kraftspendender als jedes Porridge.

Dazu kommen die sieben Säulen der japanischen Küche: Fisch, Gemüse, Reis, Soya, Noodles, Tee und Obst. Jeder dieser Säulen widmet die Autorin ein Kapitel, mit leckeren Rezepten inklusive Geschichten, historischen Anekdoten und natürlich – Statistiken.

Japanisches Menü Wer, so wie ich, gern japanisch isst, der findet in diesem Buch Rezepte für eine Vielzahl an bekannten Gerichten, so wie zum Beispiel Spinat mit Sesamsamen, Gemüsetempura, Teriyaki Fisch, japanisches Omelett, Brühe mit Shiitakepilzen und Tofu bis hin zur berühmten japanischen Teezeremonie.

Beide Bücher sind unterhaltsam zu lesen, das eine eher elegant, charmant europäisch, das andere mehr populärwissenschaftlich und forsch. Die Rezepte sind appetitmachend und so beschrieben, dass sie leicht nachzukochen sind.

Doch etwas sensationell Neues zum Thema gesunde Ernährung haben mir beide Autorinnen nicht vermittelt. Wer sich leicht und ausgewogen ernährt, auf Dinge wie Junkfood, Zucker, Fertiggerichte und Softdrinks verzichtet, wer viel Wasser trinkt, sich regelmäßig und angemessen bewegt, der ist auf dem richtigen Weg, schlank und gesund zu bleiben – und das scheint längst die Standardmarschrichtung für ein gesundes und genussreiches Leben zu sein.

Oder, wie es Mireille Guiliano zusammenfasst:
Es ist alles eine Frage, wie wir unsere kleinen inneren Dämonen ausbalancieren.


Weiterführende Informationen im Web:
Mireille Guiliano
Buch: "French Women Don't Get Fat"

Naomi Moriyama
"Japanese Women Don't Get Old or Fat. Delicious Slimming and Anti-Ageing Secrets"
Deutsch: "Jung und schlank. Das Geheimnis japanischer Frauen"


2006-08-08 by Astrid Wehling, Wirtschaftswetter
Text: © Astrid Wehling

Fotos: © Cornelia Schaible

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