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Interview mit Christine Naber

E-Interview mit Christine Naber, freiberufliche Dozentin, Trainerin und Beraterin in der Erwachsenenbildung zum Thema Lernmotivation.
Die Fragen stellte Anne Siebertz für Wirtschaftswetter

Wirtschaftswetter: Frau Naber, als Coach beschäftigen Sie sich beruflich mit dem Thema Lernen für Erwachsene. Worin besteht für Erwachsene die Motivation zum Lernen, wenn sie bereits eine Berufsausbildung haben?

Christine Naber: Die Berufsausbildung alleine reicht heutzutage selten für das gesamte Arbeitsleben aus. Häufig werden regelmäßige Weiterbildungen verlangt, damit die Berufstätigen auf dem aktuellen Stand bleiben. Hier kommt der Weiterbildungsanspruch also von außen, vom Arbeitgeber oder vom Gesetzgeber. Sieht der Arbeitnehmer jedoch die Notwendigkeit nicht ein oder hat kein Interesse mehr am Themengebiet, fehlt die innere Motivation und der äußere Zwang führt zwar zur Anwesenheit beim Seminar, die Inhalte werden jedoch durch den inneren Vorbehalt nur widerwillig und häufig nicht vollständig aufgenommen.

Häufig wird für die Tätigkeit in einem bestimmten Berufsbereich ein Nachweis einer zusätzlichen Qualifizierung (Zertifizierung) verlangt. Die Motivation zum Lernen erfolgt dann aus dem Wunsch heraus, in diesem Tätigkeitsgebiet zu arbeiten.

Viele Menschen erkennen im Laufe ihres Berufslebens, dass sie einen völlig anderen Beruf ergreifen möchten und satteln noch einmal um. Um das bisherige Berufsleben hinter sich zu lassen und sich in neue Themen einzuarbeiten, braucht man ein großes Durchhaltevermögen. Hauptmotivation dieser Personen ist hier der Veränderungswunsch und die wachsende Abneigung gegen den Erst-Beruf.

Kurz gesagt: Damit sich Erwachsene aktiv für einen Lernprozeß entscheiden und diesen auch durchhalten, wird ein Ziel benötigt, das erstrebenswert erscheint. Je stärker und häufiger man dieses Ziel visualisiert, sich also in leuchtenden Farben ausmalt, desto wahrscheinlicher ist es, eine Weiterbildung oder ein Studium bis zum Ende durchzuhalten

Wirtschaftswetter: Es ist anzunehmen, dass Erwachsene langsamer lernen als Kinder. Aber lernen sie auch anders?

Christine Naber: Erwachsene lernen anders als Kinder, denn sie können –im Gegensatz zu Kindern- auf einen breiten Erfahrungshintergrund zurückgreifen. Kinder fangen bei Null an. Erwachsene können jedoch Sinnzusammenhänge mit bereits Bekanntem herstellen und ihre vorhandenen Wissengebiete miteinander verknüpfen. Dies ist jedoch Übungssache und kann vom Dozenten gefördert werden – oder boykottiert.

Erwachsene haben langjährige – nicht immer angenehme - Lernerfahrungen hinter sich, die zum Teil auch mitverantwortlich für Lern-, Prüfungs- und Redeängste sind. Hier ist es mir wichtig zu erklären, dass diese Ängste aus der Vergangenheit stammen und einen Grund hatten. Dass es aber sehr häufig möglich ist, diese Ängste (in kleinen oder größeren Schritten) abzubauen. Denn nur, weil man z.B. bei einem Schulvortrag ausgelacht wurde oder als Kind als Dummkopf beschimpft wurde, ist das kein Grund, dass man keine Freude am Lernen oder an einem Vortrag haben darf.

Prüfungen sind vielen Menschen unangenehm, aber sobald man einmal den Menschen hinter dem Prüfer und seine Rolle näher betrachtet, wird aus dem Prüfungs-Ungeheuer der einen nur fertigmachen will ein Mensch, der den Wissensstand abfragt und dem es ebenfalls unangenehm ist, wenn sein Prüfling ihm vor Angst schlotternd gegenüber sitzt.

Erwachsene haben leider häufig sehr wenig Erfahrungen mit Lernmethoden oder Lerntypen. Auch ist relativ unbekannt, dass der individuelle Persönlichkeitsstil bzgl. der Art der bevorzugten Informationsaufnahme und –verarbeitung eine sehr wichtige Rolle spielt.

Es reicht nicht aus, zu wissen, dass man durch Hören besser lernt, denn wenn man diesen Sinneskanal ausschließlich verwendet, langweilt sich das Gehirn ebenfalls. Daher erstelle ich zusammen mit meinen Klienten ein umfangreiches Lernprofil, in das diese Faktoren einfließen. Es wird ein Methoden-Strauß zusammengestellt, auf den sie zurückgreifen können.

In der Schule wurden z.B. Fremdsprachen durch trockenes Vokabelpauken einzelner Wörter gelernt. Die geringe Erfolgsquote wurde leider häufig damit begründet, dass man unbegabt für Fremdsprachen sei oder als Tatsache hingestellt, dass Lernen keinen Spaß machen darf. Erwachsene sind also durch diese Vergangenheiten in ihrem Lernverhalten geprägt.
Bei Kindern mit noch geringen negativen Erfahrungen besteht die Chance, diesem Schicksal zu entgehen. Kinder sollte es heute möglich sein mit allen Sinneskanälen und angstfrei lernen zu dürfen.

Wirtschaftswetter: Wie motivieren Sie Ihre Seminarteilnehmer, den Prozess einer längeren Fortbildung bis hin zur meist aufwändigen Prüfung durchzuhalten?

Christine Naber: Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt darin, gemeinsam zu erarbeiten, welches Berufs- und Lebensziel mein Klient verwirklichen möchte, welcher Traum hinter seinem Fortbildungswunsch steht. Die Weiterbildung ist dann nur ein Baustein zur Zielerreichung.

Gerade bei längeren Fortbildungen sollte man Etappenziele entsprechend würdigen und sich selbst belohnen. Leider ist es häufig aber so, dass Erwachsene diese nicht ausreichend wert-schätzen, sondern nur das große Ziel als wert-voll erachten. So verschenken sie jedoch wichtige Motivations-Anreize, um durchzuhalten.

Bei Durchhängern überlegen wir gemeinsam, welchen Ursprungs diese sind: Liegt es an einer permanenten Überforderung? Erweist sich das Berufziel als doch nicht so erstrebenswert? Wurden die Investitionen (Geld, Verzicht auf Freizeit) in die Weiterbildung trotz vorangegangener Überlegungen unterschätzt?
Bei Durststrecken, die viele kennen und die überwunden werden wollen, erinnere ich an die Wünsche und Ziele, die dahinter stehen.

Die Bewusstmachung der Motivations- und Hinderungsgründe des Einzelnen, um z.B. eine Fortbildung zu beginnen ist ein wichtiger Aspekt meiner Tätigkeit. Eine Weiterbildung zu besuchen, nur weil man sich weiterbildet, halte ich nicht für sehr erfolgversprechend.

Wirtschaftswetter: Sie sprechen auch das leidige Thema Aufschieberitis an. Gibt es so etwas wie eine goldene Formel, die liegen gebliebenen Dinge zügig und mit Freude zu erledigen?

Christine Naber: Hier ist es wichtig, genau hinzuschauen, um welche Form des Aufschiebens es sich handelt: Ist es ein alltägliches Aufschieben von lästigen Aufgaben, dessen Verschieben aber keine gravierenden Auswirkungen haben (Keller aufräumen, Schuhe putzen, Bügeln)?
Dann sollte man ehrlich zu sich selbst sein, ob man die Aufgabe wirklich erledigen möchte/muss oder ob sich diese nicht streichen/delegieren lässt?

Oder werden gravierende Entscheidungen und Handlungen aufgeschoben, die einen von der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung abhalten oder sogar die Gesundheit ruinieren (bei Prüfungen nicht erscheinen, Beruf wechseln, Kinder ja oder nein, bei Beschwerden nicht zum Arzt gehen etc)?

Mit diesem Aufschieben schade ich mir selbst, wenn ich mein Leben im ständigen Zwiespalt verbringe, und aufgrund des schlechten Gewissens, das an mir nagt, Kraft und Energie verschwende.
In diesem Fall sollte man schauen, was dahinter steckt, warum man Dinge aufschiebt. Der Grund ist häufig nicht alleine Unlust, sondern Befürchtungen verschiedenster Art, bis hin zu Angst vor dem eigenen Erfolg. Hier sollte man ehrlich zu sich selbst sein und sich näher mit den tiefer gehenden Gründen befassen.

Erst dann helfen Maßnahmen wie persönliche Zielvereinbarungen, Zwischenziele planen, Veränderungstagebuch, Erfolge feiern, Selbstmanagement. Beschäftigt man sich nicht vorher mit den Ursachen des Aufschiebens, so kann es passieren, dass man sich selbst beweisen möchte, dass diese Maßnahmen ja sowieso nicht helfen.

Wirtschaftswetter: Ein anderes Thema: Sie sind auch Schatzmeisterin bei den Rheinrednern, einer Unterabteilung der weltweit bekannten Toastmasters *. Was motiviert Sie und Ihre Mitstreiter, in der Freizeit die rhetorischen Fähigkeiten zu schulen und zu trainieren, insbesondere unter dem Blickwinkel, dass sich die Teilnehmer in den Redeclubs einem strikten Reglement unterwerfen?

Christine Naber: Es macht einfach Spaß, bei sich selbst und anderen die schnellen Erfolge und Verbesserungen im Redeverhalten zu beobachten. Bei den Rheinrednern herrscht eine konstruktive und positive Stimmung; jeder ist bereit bei anderen Rednern das Gute zu entdecken. Wie oft wird im Gegensatz dazu im Alltag auf den Fehlern des anderen herumgeritten? Bei den Rheinrednern werden die Fähigkeiten und Fortschritte betont; das ist Balsam für jede Redner-Seele.

Mich fasziniert außerdem die Möglichkeit in der offenen und herzlichen Atmosphäre mein Redetalent zu verbessern und meine Mimik und Gestik auch einmal unkonventionell einzusetzen. Bei den Rheinrednern kann ich meine Stimmvariationen ausprobieren und beim Witz des Abends meine Mimik und Gestik maßlos übertreiben.
In meinem beruflichen Kontext ist es notwendig, dass meine Vorträge stimmig sind. Mich ausprobieren und üben muss ich woanders.
Die einzelnen Reden werden durch einen Teilnehmer bewertet. Hier helfe ich sehr gerne anderen, ihre Redefertigkeiten zu verbessern. Und ich erhalte ein weiteres Übungsfeld, um konstruktives, motivierendes Feedback zu geben

Ein Beispiel für das strikte Reglement:
Wir klatschen zu Beginn und zum Ende jedes Redebeitrages. Bei meinem ersten Besuch bei den Rheinrednern fand ich das noch albern, aber ich kann Ihnen versichern, dass es mir vor meiner ersten Rede dort viel von meiner Nervosität genommen hat!
Es wird außerdem festgelegt und während der Rede (durch farbige Karten) angezeigt, wie lange die vorbereitete oder die Stehgreif-Rede dauern darf. Das hat eine ganz praktische Bedeutung:
Wie oft ärgert man sich bei Kongressen oder anderen Veranstaltungen, wenn der Redner die vorgegebene Zeit nicht einhält, sonder überschreitet?

Wirtschaftswetter: Welchen motivierenden Leitspruch möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?

Christine Naber: "Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht; sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer", von Seneca.


* Toastmasters: Bieten allen Erwachsenen (ab 18 Jahren) die kostengünstige Möglichkeit, die eigenen Redefertigkeiten zu verbessern, Lampenfieber abzubauen und Routine zu erwerben.

2006-10-31, Anne Siebertz, Wirtschaftswetter
Text: ©Anne Siebertz und Gesprächspartnerin Christine Naber
Foto, Motivationsbanner © Ines Kistenbrügger
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