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Motivation zum Anstand

Wenig Änderung beim Straßenrecht in Sicht, trotz neuem Bußgeldkatalog

von Angelika Petrich-Hornetz

Fahrendes Auto 1

Eines schönen Abends vor zehn Jahren, als ich müde und erledigt vom Dienst kam, suchte ich, wie immer, einen Parkplatz in der Nähe meiner Wohnung mitten in der Altstadt. Mein teuer bezahlter Anwohnerparkausweis beinhaltete nämlich keineswegs ein Anrecht auf einen Parkplatz, sondern lediglich die Erlaubnis einen bestimmten Abschnitt der Altstadt nach einem solchen durchsuchen zu dürfen und – falls fündig geworden – diesen zu nutzen. Und das Finden wurde immer schwieriger, gerade kurz vor Weihnachten. Dennoch, der Ausweis lohnte sich für mich, denn immerhin war er so teuer wie mindestens neun Mal Falschparken, und das zehnte Mal hätte ich mir nicht mehr leisten können, den Abschleppwagen schon gar nicht.

An diesem Abend fand sich also wieder einmal kein freies Plätzchen und ich parkte drei Straßen weiter am Hafen. Als ich dann endlich von meiner einen Kilometer entfernten Parkmöglichkeit zu unserem Wohnhaus kam, stand eine große Limousine direkt vor unserer Haustür und ein kaschmirbemäntelter Autofahrer half seiner Begleiterin im Pelz gerade vom Beifahrersitz. Offenbar war während meiner Suche inzwischen etwas freigeworden – leider kam ich zu spät. Doch das war nicht das Erstaunliche, sondern die darauf folgenden Szene:

Während sich das Paar aus seinem Auto bemühte, tauchte eine Politesse aus dem Dunkeln im Schein der Straßenlampe auf. Ihr amtliches Einschreiten erst gar nicht abwartend, rief der Herr der Limousine der Dame in Uniform in offensichtlich optimistischer Zuversicht die Frage zu, was "der Spaß", hier zu parken, denn koste.
Diese antwortete: "30 Mark". Die Szene fand vor der Währungsumstellung statt. Anm. d. Red.
Der Herr lachte: "Pah, gekauft! Hahaha!"
Sprach’s, reichte seiner Dame den Arm und ging. Von dem weiteren Vergehen, die Altstadt ohne Erlaubnis befahren zu haben, war übrigens gar nicht erst die Rede. Der Abgang der offensichtlichen Falschparker erfolgte: ruhig, ohne Eile und voller Selbstvertrauen, dieses Auto werde nie abgeschleppt. Wer würde das auch wagen?

Und genauso war’s. Am nächsten Morgen stand die Limousine immer noch vor meiner Tür. Nächstes Jahr, soll sich das angeblich alles ändern, nächstes Jahr werden bußgeldfähige Verstöße teurer – kündigte kürzlich sehr engagiert Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee an, der mit einem neuen Bußgeldkatalog entschlossen Halali auf Verkehrssünder blasen will.

Dabei störte mich an der oben beschriebenen Szene weder der offensichtliche Reichtum: gegönnt. Und nur temporär, dass mir ein Parkplatz weggeschnappt worden war, denn, wer zuerst kommt, der ist eben auch zuerst dran. Das Prinzip hat ja, bei aller womöglichen Diskriminierung gegenüber langsameren Verkehrsteilnehmern, irgendwie auch etwas Faires. Unfair empfand ich indes die Tatsache, dass hier ganz offensichtlich bestehende Gesetze und Verkehrsregeln trotz einem auch damals bereits vorhandenem Bußgeldkatalog doch nicht so ganz für jeden Bürger gelten, sondern diejenigen großzügig ausgenommen werden, die sich, in eigenen Worten, den Spaß leisten können. Was dem einen sein Spaß ist dem anderen also das Bußgeld. Nur, fördert das derzeitige Konzept starrer Bußgelder solch ein Verhalten nicht geradezu heraus?

30 oder 50 Euro sind für manche Menschen gefühlte 50 Cent und für andere sind es gefühlte 500 Euro oder noch mehr. Dieses nur scheinbare Detail wird standardmäßig immer wieder von denjenigen vergessen, die Bußgelder fest- und heraufsetzen und hat in der (Rechts-)Praxis doch immense Folgen - nämlich einschneidende oder weniger einschneidende in das Büßerkontor. Leider wird sich dies auch mit einem neuen Bußgeldkatalog nicht ändern, den Verkehrsminister Tiefensee bereits medienwirksam ankündigte. Was da vollmundig als gerechter verkauft wird, weil Vergehen wie Rasen auf der Autobahn angeblich richitg wehtun müssen, so der Bundesverkehrsminister, sonst nützten sie ja nichts, ist die Fortführung alter Ungleichbehandlung auf einem lediglich höheren Niveau.

Der Verkehrsminister kann sich mit einer solchen Ankündigung stets, wie seine Vorgänger mit ihren eigenen Bußgelderhöhungen zuvor, auch diesmal wieder einer breiten öffentlichen Zustimmung sicher sein, denn auch der ordentliche, defensive Autofahrer wird grundsätzlich nichts dagegen haben, wenn Alkoholiker am Steuer sowie Raser und Drängler tiefer in die Tasche greifen sollen. Dem Mittelklasse-Autofahrer gefriert angesichts von Beträgen zwischen 2000 und 3000 Euro für „Rasen“ indes allein vom Zuhören das Blut in den Adern und er nimmt sich redlich vor, so etwas Abscheuliches niemals zu tun. Was der Verkehrsminister und andere Bußgelderhöher dabei jedoch wörtlich gemeint großzügig übersehen, ist der Umstand, dass von bestimmten Verkehrsteilnehmern - einer zunehmenden Einkommensspreizung in Deutschland sei Dank - auch noch 2000 Euro locker aus der Portokasse bezahlt werden, und sich damit nicht nur bei den oberen Einkommens-Zehntausend die mögliche Abschreckung in Grenzen hält. Es wird also höchstens für Teile der Bevölkerung unbezahlbar, aber damit immer noch nicht generell abschreckend. Recht, Gesetz, öffentliche Ordnung und Bußgeldkatalog also alles eine Frage des Geldes?

Anders in skandinavischen Ländern, in denen zumindest weitestgehend bei Alkohol am Steuer die Gesetzeshüter mit Argusaugen darauf achten, dass entsprechende Übertretungen allen Bürgern in der Privatschatulle richtig wehtun. Bestimmte Vergehen, wie Fahren unter Alkoholeinfluss werden nach Einkommen mit Bußgeldern belegt. Das ergibt passend für jede Gehaltsklasse – in der Wirtschaft würde man customized oder personalisiert (auf den Kunden zugeschnitten) sagen - den entsprechenden Betrag, der die jeweilige Zielgruppe konsequent davon abhalten soll, notwendige Verkehrsregeln nicht einzuhalten. Skandinavische Länder fackeln auch nicht lange: Wenn es ihnen zu arg wird mit der möglichen Belästigung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, geht es auch gern einmal kurzerhand kombiniert mit einkommensabhängigen Bußgeld zusätzlich ins Gefängnis, ob arm oder reich. Und das mag auch dem wohlhabendsten Bürger, der sich durch großzügige Zahlungen in das Bußgeldstadtsäckel nicht einmal peinlich berührt fühlte, dann doch etwas zu unangenehm sein. Im Vergleich dazu scheint die einfache Anhebung der Bußgelder in gewissen Kreisen eher wie ein Stoßseufzer zu wirken: Autofahren wird halt immer teurer.

Voraussetzung für einkommensabhängige Bußgelder ist die Kenntnis oder Ermittlung des Einkommens. Und die Kenntnis über das Einkommen anderer Leute ist in Deutschland ein traditionelles Reizthema - wobei die Neidkultur trotzdem oder gerade deshalb fröhlich weiter gedeiht. Außerdem, seit man Steuerbescheide in allen möglichen Stellen herumreicht, (wahrscheinlich muss man diese bald so selbstverständlich mit sich führen wie den Personalausweis), und das Konto fast ein offenes Buch für alle Behörden ist, verliert das geheimnisvolle Getue um das Einkommen seinen Sinn. Es ist nur noch Makulatur und hat sich in der Praxis erledigt, ein transparentes Einkommen ist längst zeitgemäß. In Skandinavien sieht man das Thema schon immer etwas gelassener, die Neidkultur hält sich dort dennoch erstaunlich in Grenzen, vielleicht auch gerade aus Gründen der Nachvollziehbarkeit, wenn ein Einkommen kein Geheimnis mehr ist und Bußgelder dementsprechend erhoben werden.

Immerhin fördert die einkommensabhängige auch eine gerechtere Behandlung - das Gerechtigkeitsempfinden innerhalb einer Gesellschaft ist wiederrum auch ein Indikator für deren Zufriedenheit. Wenn die reichen und die armen Nachbarn im Fall eines Vergehens genauso bestraft werden, wie das mittlere Einkommen, das in Deutschland so gern zwischen diesen beiden Stühlen zerrieben wird, weil es alles zahlen darf, was die einen sich locker und die anderen sich gar nicht leisten können, dann kann auch keiner mehr neidisch werden. Wenn der Würstchenfabrikant fürs Drängeln auf der Autobahn hunderttausend Euro bezahlt und der arme Schlucker nur 2000, dann ergeht es beiden gleich – und ist für beide gleichermaßen zu teuer, um es sofort noch einmal zu versuchen.

Auf dieses Stück Mehr an Gerechtigkeit werden wir wohl solange noch warten müssen, bis die geplagten Bußgeldbürger feststellen, dass es gerade die kleineren Vergehen sind, wie Falschparken, die ihnen teurer zu stehen kommen werden - als anderen, und bis die Städte, Gemeinden und Länder feststellen, dass Ihnen die Gutverdiener auch dann nicht davonlaufen, wenn sie einkommensabhängig zu Kasse gebeten werden, sofern sie sich daneben benehmen.

Die Dänen gelten als eines der zufriedensten Völkchen der Erde, und das, obwohl sie doch ganz unterschiedliche Bußgelder zahlen - und es ihnen deshalb gleich viel wehtut. Das Verfahren motiviert alle Gesellschaftsschichten – ohne Unterschied - sich anständig zu benehmen. Wahrscheinlich wirkt sich eine ein bisschen mehr alltäglich praktizierte Gleichbehandlung nicht nur motivierend, sondern sogar positiv auf das persönliche Wohlbefinden und damit in der Summe ebenso angenehm auf die Stimmung im Land aus, weil sich dort jeder etwas gerechter behandelt fühlt als anderswo.

Fahrendes Auto 2 Was den neuen Bußgeldkatalog im nächsten Jahr in Deutschland betrifft, darf man hingegen getrost mit einem weiteren Absinken der guten Laune einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern rechnen. Schlecht gelaunte Verkehrsteilnehmer sind indes schlecht für die Stimmung, und schlecht für eine mobile Gesellschaft. Schwere Vergehen, wie die Gefährdung anderer im Straßenverkehr, werden bereits im Strafgesetz empfindlich geahndet und manche Verkehrsexperten raten dann auch eher zu Punktevergabe und Fahrentzug im Fall von schweren Verstößen, wie Rasen, Drängeln und Alkohol-Fahrten. Was in dem neuen Bußgeldkatalog indes bußgeldfähig sein wird, der so vollmundig als Null-Toleranz-Kampagne für Verkehrs- und Ordnungsrüpel angekündigt wurde, wird dagegen für bestimmte Bürger und Verkehrsteilnehmer bis auf Weiteres ein Spaß bleiben, auch wenn es ein paar weniger sein werden: Sie unterscheiden sich lediglich in den Einkommensgrenzen. Das Prinzip der Relativität des Bußgelds in Relation zum Einkommen, oder einfacher gesagt, wer genug Geld hat, kauft sich frei, bleibt ungehindert stehen. Ob diese einfachste aller Methoden, das schnöde Heraufsetzen von Bußgeldern, zielführend sein wird, darf daher sehr ernsthaft bezweifelt werden.

2006-11-27 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz

Fotos: ©Cornelia Schaible
Foto, Motivationsbanner © Ines Kistenbrügger
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