von Annegret Handel-Kempf
Auf der traditionellen B-to-B-Messe Photokina 2006 konnte man sich in Köln darüber freuen, dass nie so viele Kameras abgesetzt wurden, wie seit Einführung der digitalen Fotografie. 7,4 Millionen digitaler Kameras wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft, das ist die Spitze der EU, vermeldete Kersten Weichbrodt, stellvertretender Chefredakteur CHIP FOTO-VIDEO digital, bei der Photokina Preview in München. 8,4 Millionen Fotoapparate gingen insgesamt über die Ladentheken, Rekord aller bisherigen Absätze. Vor fünf Jahren fanden 4,7 Millionen Kameras hierzulande neue Besitzer: 1,2 Millionen waren digitale Apparate.
Allein Panasonic verdoppelte, Unternehmenskommunikationschef Ralf Hansen zufolge, gegenüber dem Vorjahr im ersten Quartal 2006 seinen Umsatz mit Digitalkameras weltweit: Die Lumix-Serie kam im Mai nach Canon und Nikon wertmäßig auf den dritten Verkaufsplatz.
Dem schönen Schein zum Trotz, stellt nicht nur die allmähliche Sättigung des Marktes für digitale Kompaktkameras die Branche vor große Herausforderungen. Für 2006 rechnet der Photoindustrieverband, dass noch rund sieben Millionen Digitalkameras abgesetzt werden. Dennoch: Der Fotohandel hat noch nie Geld mit dem Verkauf von Kameras verdient, erläutert Wulf-D. Schmidt-Sacht, Vorstandsmitglied bei CeWe Color, eine Marge von zehn Prozent in diesem Segment. Nur mit dem Verkauf von Dienstleistungen habe er bislang Gewinnspannen von 40 bis 60 Prozent erzielen können. Auch diese Handreichungen prägen in diesem Jahr die Trends.
Parallel zu anderen Wiedergabe-Möglichkeiten der schönen Bilddaten, wird das in Auftrag gegebene Papierfoto weiterhin eine wichtige Stellung innerhalb der Services innehaben – zumal die hoch bleibenden Kosten von Druckerpatronen das heimische Printen beschränken.
Petra C. Fujiwara von Fuji Photo Film (Europe) sieht einen der Haupttrends der Photokina in der Ausgabe auf Papier: Es werden Bilder gemacht, so viele wie nie. Was einem wichtig ist, sollte man auf Papier ausgeben, damit man es nach Jahren auch noch hat und zeigen kann.
Die Warnung der Fachfrau an alle, deren Computer und CDs die Funktion von Schuhkartons als unsortierte Fotosammler übernommen haben: Digitale Bilder sind flüchtig: Die Festplatte des PC hält nicht ewig, die Standards der Speicherung ändern sich.
In diesem Zusammenhang plädiert Sascha Bruhn von der LaserSoft Imaging AG für offene Standards, und sagt Marcus Rieß von Adobe: So wie JPEG in der Breite müssen Standards für hochwertige Bilder kommen. Esther Smirnovs von Panasonic geht davon aus, dass es bis zu einer Vereinheitlichung noch ein paar Jahre dauern wird. Gegenwärtig herrsche bei den Herstellern die Haltung vor: Ich habe mein eigenes Raw-Format, pflege meine eigene Suppenküche.
Der Marktforschung der Gesellschaft für Konsumgüterfoschung (GfK) zufolge, entstehen digital mindestens dreimal so viele Aufnahmen, wie zuvor auf traditionellem Film. Der normale Verbraucher macht jetzt das, was der professionelle Fotograf schon immer tat: Er fotografiert ohne Ende, beschreibt Schmidt-Sacht dieses Phänomen. Die Auslöser-Betätigung steigerte sich in Deutschland von 100 auf 500 Klicks pro Sekunde. 2005 machten Digitalfotos etwa ein Viertel der rund 3,4 Milliarden Farbfotos aus, die CeWe Color jährlich weltweit produziert. Dabei haben sie ihren Anteil an den Prints im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt, Tendenz: steigend. Insgesamt werden dem Photoindustrieverband zufolge 2006 voraussichtlich mehr als fünf Milliarden Colorpapierbilder gefertigt.
Für Köln hat sich die digitale Fotografie als zweiten Trend mehr Schönheit aufs Display geschrieben und meint damit mehr als die attraktive Verpackung anspruchsvoller Lifestyle-Kameras. Pixelrennen ist out bei Digitalkameras. Es geht um mehr - die Bildqualität wird ja nicht über Pixel bestimmt, definiert Fujiwara das Phänomen. Es gehe um neue Funktionen, zum Beispiel Gesichtserkennung in der Kamera, um höchste Lichtempfindlichkeit, so dass man auch in unbeleuchteten Räumen ohne Blitz Aufnahmen machen kann, wie sie das Auge sieht.
In sind neben Natürlichkeit durch hohe ISO-Werte, auch Schnelligkeit und große Displays. Mit dem Anwachsen von Pixeln wird die Bildqualität schlechter, erklärt Schmidt-Sacht das auf der Photokina unübersehbare Stoppschild für den Pixelboom. Farbrauschen und andere Faktoren würden auftreten, für deren Handling noch eine lange Konsolidierungsphase vonnöten sei. Viele Pixel machen ein Bild groß, sie machen es aber noch lange nicht gut, sagt Helmut Rupsch, Geschäftsleiter German Operations bei Fuji Photo Film (Europe): Das Zusammenwirken der wichtigsten Kamerakomponenten sorgt für gute Bildqualität - Objektiv, Bildsensor und Bildprozessor.
Es ist wichtig, dass eine Bildermachmaschine gute Bilder macht, bringt Michael Nagel vom Photo + Medienforum Kiel die Kundenerwartungen auf den Punkt. Out sind deshalb auch Handys als ernst gemeinter Kameraersatz – trotz zunehmender Pixelzahlen. Drei Millionen Pixel machen fürchterliche Bilder hinter einem Objektiv, das schlechter ist als ein Flaschenhals und mit einer schlechten Lichtempfindlichkeit, schildert der Vorstand des größten europäischen Fotofinishers, Schmidt-Sacht.
Fotohandys werden hierzulande deshalb statt mit zehn Megapixeln, wie schon in Korea zu sehen, multimedial ausgestattet. Obwohl sie bislang keine großen fotografischen Gestaltungsmöglichkeiten bieten und lange Reaktionszeiten haben, behaupten sich Fotohandys als optische Notizbücher, die man immer dabei hat, oder als Ersatzkamera für direkt versendbare Spaßfotos.
Lyra Research zufolge gibt es bereits heute mehr Fotohandys als digitale und Film-Kameras zusammen. Bis 2010 soll sich ihre Zahl von den für Ende des Jahres prognostizierten 850 Millionen Mobiltelefonen mit Kamerafunktion auf 1,5 Milliarden erhöhen.
Der dritte Trend überstrahlt alles und erstickt die Kritik vieler Traditionalisten im Keim: Digitale Spiegelreflexkameras (DSLR) gibt es jetzt in Preisklassen für jedermann und sogar mit den gewohnten Funktionalitäten ihrer analogen Schwestern, speziell bei den neuen Modellen von Panasonic und Leica. Bis hin zu manuellen Liebhabereien der vielseitigen, kreativen und qualitativ anspruchsvollen Bildgestaltung. Optik- und Elektronikspezialisten haben bei manchen der neuen Modelle zusammengearbeitet, um den Kriterien der zusammenwachsenden Welten gerecht zu werden. Einige Hersteller produzieren qualitativ hochwertige Objektive und anderes Zubehör, die dem offenen Four Thirds Standard entsprechen. Sie sind speziell für die digitale Fotografie designt worden und lassen sich wechselseitig an den kompatiblen Produkten einsetzen. 500.000 DSLR-Geräte werden 2006 voraussichtlich gegenüber 330.000 im Vorjahr abgesetzt – hier herrscht noch Bedarf.
Auch bei Pentax sieht man den Megatrend im Bereich der digitalen Spiegelreflexfotografie und will etliche Neuheiten dazu zeigen: Immer neue Produkte für Einsteiger bis Semi-Professionals, immer mehr Marken, die in diesen boomenden Markt drängen und immer bessere Features in den Kameras kennzeichnen dieses Segment.
Die Objektivbrennweiten werden bei Kompaktkameras und DSLR immer länger – da darf bei Langzeitaufnahmen der optische Bildstabilisator nicht fehlen. Digitale Stabilisatoren können ihn nicht ersetzen, sonst leidet bei Wackelhänden und schlechten Lichtverhältnissen die Qualität. Intelligente ISO-Kontrollen stellen sich durch die automatische Wahl höherer Empfindlichkeiten mit entsprechend kürzeren Belichtungszeiten auch auf Bewegungen vor der Kamera ein und vermeiden so Bewegungsunschärfen. Etwa bei der Lumix DMC-FZ50.
Die interne Bildverarbeitung wird präziser und schneller: Lange Einschalt- und Bildfolgezeiten sind weitestgehend passé. Manche Geräte ermöglichen die Aufnahme im 16:9-Format zur Wiedergabe auf Breitbild-TV-Geräten oder zum Ausdruck auf darauf eingestellten Fotodruckern (z. B. Epson). Die Kameras kommunizieren immer häufiger kabellos: Bluetooth und WLAN schicken die Bilder ohne Stöpseleien in den Computer oder zum Online-Print-Service.
Ob Zoom-, Lupen- oder Erkennungsfunktion: Unscharfe Bilder können bei den neuen Kameramodellen durch die Vergrößerung von Detailausschnitten schnell erkannt und vor der Vergrößerung auf Papier bearbeitet oder gelöscht werden. Will man das vernichtete Bild doch wieder haben, lässt es sich beispielsweise mit der Undelete-Funktion der EasyShare V705 Dual Lens wieder zurückholen, wenn man schnell ist. Diese kleinste digitale Zoomkamera mit 23-Milimeter-Ultraweitwinkel hat Kodak mit einem Modus für 180-Grad-Panoramabilder ausgestattet. Ultrakompakte Camcorder zeichnen in Highdefinition (HD)-Qualität auf und schießen Fotos im 16:9-Breitwandformat. Profi- wie Hobbyfilmer haben eine immer größere Auswahl an Speichermedien, inklusive Festplatte und DVD.
Trend 5: Präsentation und Verwaltung zwischen Chaos und Vielfalt
Für den Consumer ist es wichtig, dass sein Fotoverarbeitungs-Produkt auch eine Verwaltung hat, sonst findet er seine Bilder nie wieder, erklärt Rieß. Wie bringe ich Menschen dazu, sich bei Hitze an den Computer zu setzen und Bilder zu gestalten?, nennt Schmidt-Sacht eines der Probleme, mit denen sich die Branche bezüglich der für viele Hobbyfotografen ungewohnten Arbeitsgänge nach dem eigentlichen Bildermachen beschäftigt. Bruhn sieht eine intelligente Software, die dem Nutzer Arbeit abnehmen kann, als Lösung. Als Gefahr für die Branche bezeichnet Schmidt-Sacht die Notwendigkeit, Fotos aus den vielen gespeicherten Aufnahmen zum Vergrößern auszuwählen: Das Selektieren ist zunächst eine Barriere.
Ein Ausweg ist bereits gefunden. Nämlich die Aufforderung: Drucken Sie alles, wenn die immer beliebter werdenden Fotobücher, mit 100 bis 400 Bildern, ohne vorheriges individuelles Gestalten in Auftrag gegeben werden. Eine andere Alternative ist es, am Kioskautomaten im Laden die besten Bilder auszuwählen und via Touchscreen drucken zu lassen.
Für die Zukunft wünscht sich der Fotofinisher-Vorstand, dass die tollen Informationen, die das Bild in seinem Rucksack trägt, um daraus intelligente Sortier- und Bestellvorschläge zu erstellen, verwendet werden: Wir müssen das Bestellen von Bildern so leicht machen, dass es Spaß macht und wenig Freizeit kostet.
Für die ansprechende Präsentation gibt es immer mehr Möglichkeiten. Digitale Diashows über hochauflösende TV-Bildschirme, Beamer oder als Slideshow auf digitalen Bilderrahmen werden immer beliebter und sind ein geselliger Weg, Lieblings-Bilder auszuwählen. Die Internet-Nachfolger der örtlichen Fotoclubs, beispielsweise die fotocommunity.de, ermöglichen Hobbyfotografen ihre Bilder weltweit mit anderen Enthusiasten zu diskutieren und sich durch Kritik weiterzuentwickeln. Unter-Communities haben ein gemeinsames Motiv-Thema als Verbindungsmerkmal, etwa Telefonzellen. Auch das Archivieren im Netz gewinnt zunehmend Freunde und ermöglicht den Zugriff auf eingestellte Fotos beispielsweise für Familienmitglieder oder Partygäste.
SDHC (Secure Digital High Capacity) heißt die nächste Speicherkartengeneration, von der es erste Vier-Gigabyte-Karten beispielsweise von Panasonic und Sandisk zu sehen geben wird. Zahlreiche der vorgestellten neuen Kameramodelle sind auf die Nutzung der erweiterten Möglichkeiten der SDHC-Karten vorbereitet. Die Speichermedien sind kleiner als eine Briefmarke und schaffen theoretisch Datenmengen bis zu 32 Gigabyte sicher aufzubewahren. Diese Kapazitäten werden für besonders hoch auflösende Fotoapparate und für qualitativ hochwertige RAW-Formate mit entsprechend größeren Datenmengen benötigt.
Eine andere Möglichkeit, viele Bilder mit großen Datenmengen zu speichern, sind mobile Speichergeräte mit integrierten Festplatten und Kapazitäten, die bis zu vier mal so groß sind, wie die maximalen Volumina künftiger SDHC-Karten. Vorgestellt werden mediale Multitalente, die nicht nur Fotos speichern und auf ihrem LCD-Monitor anzeigen, sondern auch MP3-Musik, Videos oder terrestrisches Digital-TV.
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2006-10-11 Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
Foto: ©Cornelia Schaible
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