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Zurück ins Glied?

Vom Glück und Unglück, etwas Besonderes zu sein

von Angelika Petrich-Hornetz

Sie wurde auf See geboren, und das ausgerechnet vor Neuseeland. Dadurch ist sie Neuseeländerin, hat durch den Vater auch die niederländische Staatsangehörigkeit. Im vorherigen September wurde sie gerade vierzehn Jahre alt und jeder kennt Ihren Namen, der 2009 so oft die Schlagzeilen bestimmte: Laura Dekker - wahrscheinlich der derzeit bekannteste Teenager in Europa. Und so nimmt auch mindesten halb Europa Anteil an ihrem Schicksal, das einst so verheißungsvoll begann und jetzt erst einmal eine Flaute ertragen muss.

Dekker, die als Kind fast auf dem Wasser aufgewachsen ist, hat die in die Wiege gelegte Liebe zum Meer lange gemeinsam mit ihren Eltern teilen können, bis diese sich vor sieben Jahren scheiden ließen. Trotzdem war das kleine Mädchen vom Dasein einer Landratte so weit entfernt, wie man nur sein kann.
So passte es auch ins Bild, dass sie später als 13-Jährige im Mai 2009 wie selbstverständlich allein mit ihrem Boot Guppy von den Niederlanden nach England und zurück segelte. Für Landbewohner eine schreckliche Vorstellung: Ein dreizehnjäriges Mädchen, ganz allein auf hoher See. Doch es ist keineswegs unwahrscheinlich und auch für Außenstehende durchaus nachvollziehbar, dass ein Mädchen in dem Alter allein in einer Großstadt weit mehr gefährdet sein kann, als auf See, jedenfalls so eine wie Laura Dekker, die sich wie wohl kaum eine Gleichaltrige auf dem Wasser auskennt und entsprechend umsichtig verhalten kann - besser als auf dem Trockenen.

Und auf dem Trockenen sitzt sie spätestens, seit sie im Spätsommer 2009 ihre Weltumseglung angekündigt hatte. War das nachvollziehbare Fernweh eines solchen Segeltalents bis dahin noch hinnehmbar, setzte sich spätestens mit dem großen Medienrummel um ihre angekündigte Weltumseglung die knochentrockene Bürokratie in Gang, der plötzlich einfiel, dass es keineswegs normal ist, in dem Alter auf Weltmeeren herum zu schippern, anstatt die Schule zu besuchen. Hatte man die "Kurzstrecke", die Überquerung des Altantiks, gerade noch so akzeptiert, die auch kein weltweites Medienecho und damit eventuelle, törichte Nachahmer hätte finden konnte, so ein Argument, polarisierte der hochfliegende Plan einer Weltumsegelung die Öffentlichkeit weit über die Niederlande hinaus in zwei getrennte Lager.

Vorgegeben waren diese unvereinbaren Positionen indes wohl schon von den Eltern: Während laut niederländischer Presse die deutsche Mutter eine Weltumseglung ablehnte, nicht etwa wegen mangelnder Segelkenntnisse, die zweifelsohne vorhanden seien, sondern wegen noch fehlender Lebenserfahrung ihrer jungen Tochter, wurde das Vorhaben von ihrem niederländischen Vater offenbar genauso entschieden unterstützt. Bis heute anhaltende, gegenseitige Vorwürfe des geschiedenen Ehepaares ließen eine Verständigung unmöglich erscheinen.

Dabei gibt es noch andere Jungsegler, die auch Dank Dekker, nun ins Licht der europäischen Land-Öffenlichkeit rückten, darunter Jessica Watson - hier hatten die australischen Behörden ebenfalls versucht, die Weltumsegelung zu verhindern, inzwischen hat sie bereits einige tausend See-Meilen hinter sich. Momentaner Titelträger der jüngsten Solo-Umsegelung ist der 17-Jährige Brite Mike Perham, der seinem Vorgänger Zac Sunderland bewies, wie vergänglich solche Rekorde eigentlich sind.
Sunderland war vor Perham ganze sechs Wochen lang der jüngste Weltumsegler. Dem letzten, ganz offiziellen und damit amtierenden Rekordhalter, dem es gelang, nach den Regeln des World Sailing Speed Record Councils (WSSRC) als jüngster Einhandsegler - die Welt ohne Pause und ohne Hilfe zu umrunden, war Jesse Martin als 18-Jähriger im Jahr 1999 - in 327 Tagen von Melbourne nach Melbourne. Mit ihm stellte der WSSRC die Kategorie "Youngest non stop, singlehanded, circumnavigation" jedoch ein, genauso wie die Kategorie Atlantic, oldest, singlehanded, sailing, die damit zuletzt 1989 von dem Deutschen Stefan Szwarnowski bewältigt wurde, der 1912 geboren zum Zeitpunkt seines atlantischen Segelabenteuers, 77 Jahre alt war. Damit gibt es diese dennoch stattnfindenden Wettbewerbe nur noch inoffiziell.

Für Dekker wurde die Sehnsucht nach dem Meer erst einmal zum unfreiwilligen Landgang: Nach der gerichtlichen Einschränkung des elterlichen Sorgenrechts im September und dem im Oktober anschließenden Beschluss, dass Laura frühestens im Sommer 2010 zur Weltumsegelung ansetzen darf, mit dem das Gericht einem Antrag des niederländischem Amtes für Kinderschutz entsprach, flüchtete die junge Seglerin Mitte Dezember vergangenen Jahres auf die niederländischen Antillen, wo sie schließlich entdeckt und nach Hause, zu ihrem Vater gebracht wurde. Dort darf sie auch bleiben, wenn auch noch unter Aufsicht. Doch die Heimeinweisung, die ihr nach diesem Vorfall tatsächlich drohte, wurde abgewendet und es werde weiter geprüft, wann sie zur Weltumseglung ansetzen darf - wenn auch nicht sofort.

Zu dieser Entscheidung kann man wohl nur noch gratulieren, weil solch eine kosmopolitische Meeresbewohnerin wie Dekker einen erzwungen Landgang, der beinahe auch noch hinter Mauern geendet wäre, nicht gut vertragen dürfte. Zurück ins Glied - eine bestechend einfache Methode, mit der immer wieder gern geliebäugelt wird, passt einfach nicht für jeden.
So beklagten die Großeltern wahrscheinlich zu Recht, dass sich ihre Enkeltochter von einem einst fröhlichen in einen traurigen Teenager gewandelt habe. Trotzdem sollte man ein Auge auf einen guten Kompromiss werfen, denn falcher Ehrgeiz wird meistens auch nicht belohnt. Außerdem ist das Interesse jetzt noch größer, dass Laura Dekker die Welt umsegelt, und zwar gesund, fröhlich und erfolgreich. Es scheint der Öffenlichkeit jedoch inzwischen ziemlich egal geworden zu sein, wie alt sie an dem Tag tatsächlich sein wird, an dem sie wieder glücklich im Heimathafen ankommen - und umjubelt werden wird. Und dass es vor allem darauf ankommt, ist in der Tat auch gut so. (Anm. d. Red.: Sie kam heil und gesund an, als jüngste Seglerin.)

Wen trotzdem das Fernweh plagt, sollteSeglerblogs lesen und dort erfahren, dass es auch noch mit 42 Jahren, also immer lohnt, die Erde zu umrunden: Am 26. Dezember 2009 traf die schon genannte Australierin Jessica Watson - mitten auf dem Meer - den ebenfalls die Welt umrundenden, aber deultich älteren Dilip Donde aus Indien. Das Leben schreibt wirklich die besten Geschichten.

Weitere Infos:
Laura Dekker World Saling Foundation


2010-01-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Kinderredaktion und Angelika Petrich-Hornetz
Illustrationen: ©ap
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible, aph, Ines Kistenbrügger
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