von Angelika Petrich-Hornetz
Vergangene Woche fragte uns ein Leser, ob es unserer Meinung nach einen Sommerhit des Jahres 2010 gäbe. Grundsätzlich wissen wir das ja nie, und unsere letzten Hinweise diesbezüglich waren auch einem eher *hüstel* ausgesuchten Geschmack geschuldet, der nicht immer unbedingt die breite Masse traf. Dieses Jahr war die Suche nach dem Sommerhit jedoch ganz einfach und wir haben tatsächlich einen brauchbaren Tipp für unseren Leser. Der wurde Deutschland regelrecht in den Schoß gelegt, auch wenn es sich vielmehr um eine Sängerin und ihre Lieder oder ihrer Interpretation dieser Lieder handelt, als um einen einzelnen Titel.
Kaum zu übersehen und zu überhören liegt ganz Deutschland nämlich schon seit Monaten einer 18-jährigen Abiturientin zu Füßen, die am 29. Mai das Land deshalb auch beim Eurovision Song Contest vertreten wird. Lena Meyer-Landrut, die erst vor kurzem, wahrscheinlich aus marketingtechnischen Gründen, in "Lena" gekürzt wurde, wird am 23. Mai zarte 19 Jahre alt und hat keine (!) professionelle Gesangsausbildung. Außerdem hat sie eine Atemtechnik, die TV-Moderator und Casting-Oberst Stefan Raab abenteuerlich nannte. Lena musste für das Ticket nach Olso ganz schön viel leisten - dabei vor allem ihr Durchhaltevermögen beweisen: Mit einem Pulk von 4500 Mitbewerbern zur deutschen TV-Auswahlshow Unser Star für Oslo angetreten, hatte sie sich mit ingesamt elf Songs in acht Shows zu bewähren, von denen die drei Songs der Finalshow Bee, Satellite und Love me - Letzteres von ihr selbst getextet, Musik von Stefan Raab - eigens für den Wettbewerb komponiert wurden. Am 29. Mai soll Lena nun mit Satellite in Norwegen antreten.
Aber, lieber Leser, wenns nach uns ginge, würden wir glatt Love me vorziehen, aus verschiedenen Gründen. Einer ist sicher auch der, dass der Text ein bisschen etwas vom Klassiker Georgia ("other arms reach out to me ...") hat und dass er von Lena selbst verfasst wurde. Und dann sind Melodie und Rhythmus noch etwas eingängiger, positiver und flotter als Satellite, welches ein wenig unheilsschwanger daherkommt, was allerdings wieder zum Text passt. Nicht zuletzt ist die Leichtigkeit von Love me genau das, was einen Sommerhit ausmacht.
Alles in allem sind alle drei Final-Songs aber auch kaum von ihrer Interpretin zu trennen, die, so die Juroren des deutschen Oslo-Castings, als Gesamtpaket funktioniere. Das kann mal wohl sagen. Denn zur gelungen Auswahl der Songs, dem ungewöhlichen Vortrag, der einprägsamen Stimme, gehört ein nachdenkliches, hübsches und offenes Gesicht, das bis jetzt auch jeweils glücklich in die Bühnenklamottenkisten griff und dem selbst die geifernde Häme gewisser Presseorgane noch rein gar nichts anhaben konnte.
Eines ist damit jedenfalls sicher: Am 29. Mai werden die Einschaltquoten aus Deutschland hoch sein, auch wenn im Vorfeld wieder die unvermeidlichen Diskussionen auf sämtlichen Kanälen toben, dass Deutschland angeblich nie eine faire Chance hätte und kreative Vorschläge die Runde machten, wie der, dass EU-Subventionen künftig an das Abstimmungsverhalten beim European Song Contest geknüpft werden sollten. Wobei diese Methode wahrscheinlich genauso sinnvoll wäre, wie es einige andere sind, die längst Praxis sind. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Lena - wie sie jetzt kurzgefasst heißt, auch wenn sich ihre Fans offenbar noch nicht von der Nennung ihres vollständigen Namen abhalten lassen wollen, der ja immerhin den Charme einer amtierenden Justizministerin hat - wird ihrem dauerzufriedenem Gesichtsausdruck folgend, wahrscheinlich eh mit jedem Ergebnis zufrieden* sein. Schließlich ist sie in Deutschland längst der Star, den alle anderen Castingsshows bislang vergeblich suchten. Ihr Album wird sich wahrscheinlich wie von selbst verkaufen, die Radiostationen spielen sie rauf und runter. Also, gilt für den (hoffentlich noch eintretenden) Sommer 2010: LML-CD rein, Dach und Scheiben runter - und (mit Love me) ab zum Strand gedüst.
Nachtrag + Anm. d. Red.: Wie inzwischen alle wissen, gewann Lena als erste Kandidatin nach Nicole (1982) den Grandprix des europäischen Schlagers - in der langen Geschichte des Wettbewerbs der zweite Sieg für Deutschland.
2010-05-16 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Illustrationen: ©ap
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible
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