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Ein Tag

Ein weltweites Buchexperiment

von Astrid Wehling

Was haben Sie eigentlich am 5. Juni 2009 so gemacht? Das wissen Sie grad nicht? Hilft eine Eselsbrücke? Es war zum Beispiel der Tag, an dem Barack Obama Buchenwald besucht hat? Oder an dem Mark Wahlberg und Werner Böhm alias Gottlieb Wendehals Geburtstag haben. Im Jahr 2009 war das übrigens ein Freitag.

Ich selbst kann mich aber auch nicht mehr erinnern. Es war wahrscheinlich ein ganz normaler Tag. Ich hab an meinem Schreibtisch gesessen und gearbeitet, bin zum Lunch raus gegangen, habe eingekauft und hab mich möglicherweise abends mit Freunden im Pub getroffen. Alles ganz normale Freitagsdinge. Für mich. Vielleicht nicht für andere, denn ich habe das alles in Sydney getan, eine halbe Weltreise von Deutschland entfernt. Für mich normal, für andere durchaus exotisch.

Wieso interessiert es uns eigentlich oft so sehr, wie man in anderen Ländern lebt? Warum sind die Blicke in fremde Stuben, Vorgärten oder Hinterhöfe immer so reizvoll? Diese Fragen tauchten auf, als ich das Buch Ein Tag, ein weltweites Buchexperiment las, das mir vor ein paar Monaten ins Haus flatterte.

In diesem Buch erzählen fünfzig Männer und Frauen aus 23 Ländern über ihren Tag, den 5. Juni 2009. Hans Kelén und Meik Küster stellten ihre Geschichten von diesem einen Tag aus aller Welt zusammen. Da gibt es zum Beispiel Hans in Stockholm, der einen fürchterlichen Kater auslüftet und Simone, die Lehrerin, die in Brasilien einen weiteren Unterrichtsstag vorbereitet. Da beschreibt Cornelia aus Lanzarote ihre frühmorgendliche Routine vom Aufstehen bis zum Schultor, während Clarissa in Australien zu der Zeit bereits das Abendbrot für ihre Farmhelfer auf dem Tisch hat. Rainer kämpft sich derweil in Seoul mit einem Taxi durch die Rushhour und Claus-Peter hat in Hamburg eine Operation vor sich.

Auf den ersten Blick wirkt vieles exotisch. Beim zweiten Hinsehen lässt sich aber schon erkennen, dass das Leben überall, ob in der Südsee oder an der Spree, seine Höhen und Tiefen hat. Überall wird geliebt und entliebt, gelacht und getrauert. Oder jemandem am anderen Ende der Welt ist gerade ganz genauso schrecklich langweilig - wie hier, wo immer dieses hier auch sein mag. Vielleicht liegt auch hier irgendwo die Antwort auf die Frage, warum der Blick in fremde Töpfe so reizvoll sein kann: Es kann so beruhigend sein zu erfahren, dass es auch im Südseeparadies langweilige Tage gibt.

Ich persönlich hätte mir mehr lokale, kulturelle Einblicke innerhalb einiger Berichte gewünscht. Dadurch, dass fast alle Beteiligten Deutsche sind, zeigen manche Geschichten die typische Distanz, die jemand noch selbst nach Jahren im Ausland haben kann.
Aber mir ist auch klar, dass so ein Einblick in 24 Stunden nur einer kurzer Blick durchs Schlüsselloch bedeuten kann. Für Leser, die gerne fremde Lebensläufe verfolgen oder gern in Blogs stöbern, bietet dieses kleine Buch jedenfalls kurzweilige Geschichten und muntere Anekdoten, kreativ illustriert mit vielen Fotos und Grafiken.


2010-07-17, Astrid Wehling, Wirtschaftswetter
Text: ©Astrid Wehling
Fotos Banner: ©aph
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