von Dr. Elisabeth Kärcher
Liebe Leserinnen und Leser,
das Leid in Japan ist zu groß für diese kleine Kolumne.
Aber an den deutschen Folgen komme ich nicht vorbei. So begeistert Menschen in Deutschland bei sommerlichen Apriltagen bislang in die Strahlen eines vor Radioaktivität pulsierenden Sterns schauten, so panisch gingen die Blicke plötzlich in Richtung deutscher Atommeiler.
Dabei hat sich hier im Land eigentlich nichts verändert. Strom kommt immer noch unbegrenzt aus der Steckdose. Und weiterhin leiten nur wenige Menschen ernsthafte persönliche Schritte ein: Standby-Schaltungen ausstellen, Wäsche an der Luft trocknen, Stromlieferant bewusst auswählen.
Schon 2005 berechnete das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe für das Jahr 2004 in Deutschland einen Verbrauch von 18 Milliarden Kilowattstunden Stromenergie allein durch Standby-Betrieb. Immerhin fast die gesamte Jahreserzeugung der Windenergie.
Hinter dem Verlangen nach stetig wachsendem Wohlstand und Bequemlichkeit steckt der Urtrieb der Maßlosigkeit, die zum lebensgefährlichen Tun verführt. In der Kirchengeschichte eine der großen Todsünden, die jeder in sich trägt. Wie viel wir davon zulassen, wie viel wir der Vernunft unterstellen, entscheiden wir jeden Tag.
Panik ist allerdings ein schlechter Ratgeber, da sie Vernunft überrollt. Vernunft würde sehen, dass auch ausgeschaltete Atommeiler weiter strahlen, dass sie über Jahrzehnte weiter gepflegt, kontrolliert und schließlich rückgebaut werden müssen. Und dass dies Geld kostet und Interesse und politische Aufmerksamkeit und Ausbildung von Fachleuten.
- Das Geld wurde nicht zurückgelegt, nur deshalb war Kernenergie billig. Zukünftige Strompreise wird es jedoch erhöhen.
- Das Interesse der Betreiber an der Wartung von Abklingbecken und Kontrolle von Zugangsbereichen wird sinken, wenn die Altmeiler nur noch Kosten verursachen. Undichte Ventile werden wahrscheinlicher.
- Politische Aufmerksamkeit und behördliche Kontrollen müssten umso stärker werden, um diese Lücke aufzufüllen, aber womit keine Wahlen gewonnen wird, gerät leicht aus dem Blick.
- Und Forschung und Lehre werden sich anderen Schwerpunkten zuwenden. Die Endlagerung über Zehntausende von Jahren ist letztlich ungelöst.
Erfahrung im Rückbau gibt es bisher erst mit einem Atommeiler, der von 1966 – 1990 Strom über 24 Jahre lieferte und 1990 – 2011 über 21 Jahre rückgebaut wurde bzw. wird (- die radioaktiven Reste sollen bis 2012/2013 entfernt sein). Ein Bericht von 2006 des TV-Senders 3Sat macht den Aufwand und die Voraussetzungen auch an Transport und Lagerstätten deutlich: "Ältestes Kernkraftwerk Deutschlands wird zurückgebaut" - Bis 2011 soll das AKW Rheinsberg für ingesamt 420 Millionen Euro abgebaut sein.
Kernenergie wird uns also auf die eine oder andere Weise weiter begleiten. Aus der Büchse der Pandora kann man nicht einfach den Stecker ziehen.
2011-04-07 Elisabeth Kärcher, Wirtschaftswetter
Text : ©Dr. Elisabeth Kärcher
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