von Annegret Handel-Kempf
Fahren, wenn das Öl ausgeht? Eine gewichtige Frage, denn alternative Antriebsformen, besonders der Elektromotor, können nicht so viel Auto stemmen, wenn vor der nächsten Energiezufuhr ein ordentliches Stück Weg zurückgelegt werden soll.
Die Lösung: PKWs und LKWs müssen leichter werden. Ein Rezept, das in der Formel 1 schon lange erfolgreich angewandt wird. Instrumente sind Faserverbundwerkstoffe, hauptsächlich aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK), kurz Carbon. Ein Wundermaterial, dieser fast unverwüstliche, leichte Stoff, doch teuer in der Herstellung: Gut Ding will hier Weile und liebevolle, manuelle Zuwendung haben. Kaum ein Weg also, so scheint es, der zu bezahlbaren Elektroautos aus Serienproduktion führt.
Doch das Tabu wird aufgebrochen: Vom bayerischen Premium-Hersteller BMW, der 2013 das Megacity-Vehicle, ein elektrisch betriebenes Stadtauto mit einer Karosserie aus Carbonfaser, auf den Markt bringen will. Wasserkraft soll im Faser-Gemeinschaftswerk mit SLG in den USA für die energieintensive Produktion verwendet werden.
Ebenfalls in den Vereinigten Staaten dreht sich bei einem der Gewinner des NoAE Innovationswettbewerbs 2010 alles um das Thema „Herstellung eines textilen Materials zur Fertigung von Faserverbundbauteilen“. MD Fibertech hat Produkt- und Verfahrenspatente zum "Multi-Direktional(MD)-Verfahren" inne, mit dessen Hilfe die Nachteile von geringer und deshalb teurer Produktivität bei den Herstellungstechnologien lösbar sind. Mit ihm wird im Falt-/Wickelverfahren für multiaxiale, unvernähte Textilien ein neuartiges, textiles Material aus Hochleistungsfasern zur Fertigung von strukturellen Faserverbundteilen gewonnen.
„Das hergestellte MD ist sehr leicht, was einen Kostenvorteil bringt, und besitzt hohe Festigkeitswerte“, betont Fritz Scholten, CEO des Unternehmens. „Neben Einsparungen bei den zum Teil hochpreisigen Fasern und der Matrix, damit meine ich Harz, sehe ich den wesentlichen Vorteil in einer Produktivität, die um ein Vielfaches höher ist, als die des Webverfahrens und die des Nähwirk/Multiaxial/Stichbonding-Verfahrens.“
Anders als die konkurrierenden Produktionswege zur Herstellung von Fasergeweben bzw. –Gelegen, also Webverfahren und Multiaxial- beziehungsweise Nähverfahren, verwendet MD Fibertech ein verbessertes "Unidirektional(UD)-Material" auf Rollen. „In einem kontinuierlichen Verfahren ‚wickeln‘ wir zwei dieser UD-Rollen um einen Transporttisch“, erläutert Scholten das Vorgehen. „Anschließend wird das dann zweilagige MD in einem Kalandar oder in einem Pressband verfestigt.“ Das Verfahren biete zudem die Möglichkeit, eine Null-Grad-Lage zwischen zu legen.
Als Verstärkungsfasern können alle bekannten Hochleistungsfasern eingesetzt werden, beispielsweise Carbonfaser, Glasfaser, Aramidfaser, Basaltfaser, thermoplastische Fasern und Naturfasern.
Günstige Anlagenpreise, hohe Produktionsgeschwindigkeiten und ein großes Potenzial für Automatisierung, gesteigerte Qualität der Textilien und eine verbesserte Umweltbilanz sind dem Patente-Inhaber zufolge Charakterista des so genannten „MD-UD & MD-Biax & MD-Triax Herstellungsprozesses“. Die mechanischen Eigenschaften des Halbzeugs würden gesteigert und so der Einsatz von Hochleistungshalbzeugen für hochvolumige Märkte ermöglicht.
Interessant ist die extrem dünne Faser für alle auf soliden Leichtbau angewiesenen Bereiche, wie Schiffsbau, besonders bei Luxusyachten, Sportartikel, beispielsweise Ski, Skate- und Surfboards, Windenergie, Automobile, sowie Luft- und Raumfahrt. Der Markteintritt ist in der genannten Reihenfolge angedacht.
Geplant ist, Ende 2011 mit der ersten MD-Einheit in Lizenzproduktion zu gehen. „Verhandlungen mit einem Lizenznehmer über die erste Maschine sollten kurzfristig abgeschlossen werden“, vermeldet der Unternehmens-Chef den Anfangs-Erfolg seiner Bemühungen, die Technologie durch Lizenzvereinbarungen dem Faserverbundmarkt zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus werden noch Investoren gesucht.
2011-04-11 Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
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