Hausfrauenrevolution gesucht – sich selbst und eine Familie gefunden
Buchbesprechung von Petra Plaum
Es war einmal eine Hausfrau, die ihre Rolle – schuften, Rücken diverser Familienmitglieder frei halten und schweigen – nicht mehr ertrug und neu durchstarten wollte. Die Hausfrau hatte Glück: Ihre Mutter heißt Maria Schell, der Vater ihrer drei Kinder Franz Xaver Kroetz und ihr eigentlicher Beruf war Schauspielerin – als solche hatte sie blutjung eine Goldene Kamera gewonnen. Die Autorin, Marie Theres Kroetz Relin, ist außerdem attraktiv wie eh und je und kann prima schreiben – ihr Projekt „Hausfrauenrevolution“ mit gleichnamiger Homepage und bald auch eigenem Buch machte folgerichtig jede Menge Schlagzeilen.
Heute, 9 Jahre später, ist das vierte Buch von Marie Theres Kroetz Relin zu haben: Nach „If Pigs Could Fly. Die Hausfrauenrevolution“ (einer Geschichten- und Glossensammlung, die sie herausgab), „Wie Frauen ticken“ (mit Hauke Brost) und dem Ausmalbuch für Kinder „Der kleine Dichter“ nun also: „Meine Schells. Eine Familie gesucht und mich gefunden“. Das 389 Seiten umfassende, ansprechend bebilderte Ergebnis vierjähriger Reise- und Recherchearbeit. Jeder, der sich fragt, was aus der Hausfrauenrevolution geworden ist, sollte es lesen. Jeder Schell-Fan sowieso – natürlich ist viel über Maria und Maximilian Schell zu lesen, natürlich bekommen berühmte Verwandte und Freunde der Familie ihre Bühne.
Doch auch den Menschen, die mit Prominenz eigentlich wenig am Hut haben, sondern sich fragen, was Ahnenforschung ausmacht und was sie bringt, sei das Buch ans Herz gelegt. „Wo kann man überall Spuren suchen, was passiert mit einem während der Recherchen, was hält Familien zusammen?“ – darauf gibt es reichlich Antworten. Bei den Schells ziehen sich besondere Talente und Macken wie ein roter Faden durch die Jahrhunderte. Einige Hauptpersonen von „Meine Schells“ sind Frauen, die trotz harter Arbeit und großem Einsatz für Mann und Kinder niemals erfolgreich und mächtig wurden. „Mein absoluter Liebling ist Fanni“, verrät die Autorin, „Schön wie Sissi, eigenwillig, revolutionär, außergewöhnlich.“ Und doch eine tragische Heldin. Fanni Noé Edle von Nordberg, geboren 1846, Marias Ur-Ur-Oma mütterlicherseits der Autorin, war wie so viele in der Familie Schauspielerin – bis sie den Major Karl Noé von Nordberg III. heiratete und ihm acht Kinder gebar. Doch der Ehemann arbeitete weit weg in Wien. Fanni oblag es, ein Gut zu verwalten, die Kinder zu erziehen, den Opa zu pflegen und aus dem wenigen Geld, das Karl ihr sandte, viel zu machen – bis zu ihrem viel zu frühen Tod. Von Fanni geblieben sind herzzerreißende Briefe an ihren Mann; Dokumente wie diese durchziehen das ganze Buch und gehen dem Leser unter die Haut. Hier zeigt die Autorin, dass sie die leisen Töne beherrscht und die kleinen Geschichten am Rande nicht nur wahrnimmt, sondern liebt.
Im Kontrast dazu stehen jene Ereignisse aus der Familienhistorie, die schon reichlich Schlagzeilen machten und die sich in „Meine Schells“ selbstredend ebenfalls finden: Leidenschaftliche Liebschaften, dramatische Geburten und Todesfälle. Wie Ferdinand, Sohn der Autorin, 28 Meter tief eine Klippe hinunterstürzt. Wie Maria Schell, inkontinent, dement, aber mit dem Schwiegersohn schäkernd wie eh und je, dem Tod entgegen gleitet. Wie Marie Theres Kroetz Relin, als Kind der Maria Schell und des Veit Relin, im Blitzlichtgewitter aufwächst, als Teenager den Ruhm bewusst sucht, sich nach der Geburten der Kinder hinter die Kulissen zurückzieht und sich dann ab Mitte dreißig einen dritten Weg erkämpft. Sie wurde Journalistin und Buchautorin und ließ sich von Franz Xaver Kroetz scheiden. So viel Öffentlichkeit und Trommelwirbel wie nötig bei soviel Privatleben und Rückzug wie möglich, so könnte ihr neues Motto lauten.
Dass die Autorin sich gern drastisch ausdrückt, „geil“, „dämlichblöd“ und ähnlich laute Worte nutzt und gelegentlich fremdsprachige Ausrufe und Zitate einflicht – nicht umsonst lebt sie v. a. auf Teneriffa, spricht Französisch, Englisch und Spanisch fließend –, mag manchen Leser stören. Auch die Zeitsprünge sind gewöhnungsbedürftig. Lange Zeit fragt sich die Leserin: „Wird die Autorin diesen Faden, den sie neu aufgegriffen hat, irgendwo verknüpfen“? Doch es funktioniert. Am Ende entsteht ein buntes, fesselndes Ganzes, das Porträt einer besonderen Familie.
Fazit: Die Hausfrauenrevolution als solche mag gescheitert sein, die Berufstätigkeit aller Mütter im Lande politisch gewollt, das Netzwerk, das die Autorin vor neun Jahren geflochten hat, weitgehend zerrissen. Doch ihr eigenes Leben und das, was die Menschen über ihre berühmte Familie wissen, hat Marie Theres Kroetz Relin umfassend revolutioniert.
Werbung + Infos zum Buch:
Meine Schells
Eine Familie gesucht und mich gefunden
von Marie Theres Kroetz Relin
erschienen bei Langen/Müller, 2011
Webseite der Autorin: Marrie Theres Relin
2011-08-01 Petra Plaum, Wirtschaftswetter
Text: ©Petra Plaum
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