von Anne Mann*
Haben Sie pubertierende Jugendliche in Ihrer Familie, die das Internet als Kommunikationsplattform schon länger kennen und jetzt altersbedingt auch die ersten offiziellen Partys besuchen dürfen? Gemeint sind Teenager ab etwa fünfzehn, sechzehn Jahre, die gerade anfangen die Partywelt für sich zu entdecken.
In dieser Altersgruppe trifft die wahre Welt auf die virtuelle Welt. Und die Jugendlichen stellen fest, dass die Kommunikation in der virtuellen Welt und in der realen doch etwas auseinander klaffen. Hören Sie Ihren "Entdeckern der Wirklichkeit" einfach mal zu, was Sie zu den den Telefonaten und den Gesprächen unter Ihresgleichen, also Freundinnen und Freunden so zu sagen haben. Da kommen dann u.a. die staunenden Aussagen:
„Der schreibt ja ganz anders als er redet.“
„Sie sieht auf dem Foto bei Facebook viel besser aus als in Wirklichkeit.“
Was bedeutet das? Es sagt unter anderem aus, dass in der virtuellen Kommunikation Äußerlichkeiten sehr wichtig sind. Die Jugendlichen orientieren sich an den Bildern ihres Gegenübers und vergessen manchmal, dass diese natürlich mit Bildbearbeitungsprogrammen geschönt werden können. Und: Der erste - virtuelle - Eindruck entscheidet alles: Das, was geschrieben wird, kommt entweder als positiv oder negativ an, dazwischen gibt es nicht viel.
Dann naht das erste Treffen in der dreidimensionalen Wirklichkeit und das Ergebnis ist nicht immer positiv. Ups: Das Teenager-Gegenüber - er oder sie - ist ja ganz anders! Entweder viel schüchterner oder zumindest viel zurückhaltender als sonst, im Chat.
Oder der benutzte Wortschatz ist ein ganz anderer. Hatten sie vielleicht ein Wörterbuch neben sich liegen, als sie im sozialen Netzwerk ihre knackigen Kommentare hinterließen? Nee, muss ja gar nicht sein. Auch da hilft das Netz bekanntlich weiter: Ein Klick und das Synonym für ein Wort, dass viel vornehmer rüberkommt, als das aus dem alltäglichen Sprachgebrauch, ist gefunden. Im Chat kann man es sich schließlich leisten, nicht sofort, spontan zu antworten, denn man hat ja gleich mehrere Gespräche „offen“.
Und eines Tages macht es dann „Zoom“ im Teenager-Leben. Quer durch´s ganze Netz hat Amors Pfeil getroffen: „Wir müssen uns unbedingt treffen.“
Auf dem virtuellen Fuße folgt die reale Ernüchterung, wie bereits beschrieben. Nur wie kommt ein(e) 16-Jährige(r) aus dieser dieser unangenehmen Situation wieder heraus? Ganz Selbstverständlich, es gibt doch immer eine Lösung. Die erste und einfachste ist: „Ich schreibe erst mal nicht zurück.“
Was hatten wir eigentlich vor vielen, vielen Jahren für Möglichkeiten zur jugendlichen Kommunikation?
Erinnerung: Freitagsabend im Jugendheim, ab 19.00 Uhr Tanzparty. Die Eltern standen pünktlich um 22.00 Uhr vor der Tür und ab ging es nach Hause. Das war uns natürlich meistens viel zu früh, denn erst kurz vor Schluss war doch gerade erst der „Schwarm“ zu Tür hereingekommen.
Übers Handy oder Chat verabreden ging damals noch nicht. Wir mussten uns also Strategien zurechtlegen. Zum Beispiel die, wie man erreichen kann, dass ich am nächsten Freitag eine halbe Stunde länger bleiben darf? Oder man musste einen Freund oder eine Freundin ins Feld schicken, die besagten „Schwarm“ dazu animieren konnte, beim nächsten Tanzabend etwas früher zu erscheinen.
Es stimmt, auch wir wurden oft enttäuscht! Auch bei uns hat sich häufig erst später herausgestellt, dass der oder die Begehrte längst nicht so toll waren, wie man zuvor gedacht hatte. Aber wir haben uns doch ziemlich schnell ein erstes reales Bild von unserem Gegenüber machen können, weil so vieles zwischen Jugendlichen in der schnöden Wirklichkeit stattfand.
So wie früher, stellt sich auch noch heute oft heraus, dass der unscheinbarere Freund oder die zurückhaltendere Freundin viel netter sind, als die auf den ersten Blick so tollen Superboys und Supergirls. Der Vorteil von früher: Wir konnten uns aus unangenehmen Situationen nicht so leicht zurückziehen - wir mussten Farbe bekennen, wir mussten Rede und Antwort stehen. Dies war oft peinlich, ja, und nicht selten sogar mit einem roten Kopf oder vielen Tränen verbunden. Aber im Rückblick: hat es insgesamt Spaß gemacht, und es war lehrreich und wichtig, auch für spätere, erwachsene Beziehungen.
Nein, mit der Facebook-Generation unserer Kinder möchte ich nicht tauschen. Sie haben zwar hunderte von angeblichen „Freunden“, aber glücklich macht es sie auch nicht. Die Qual der Wahl ist für sie unerträglich - viele verlieren glatt den Überblick. Wenn das Angebot so groß ist, dann kann der oder die Richtige auch mal ganz schnell und schlicht verpasst werden, weil man sich in seinem ach so großen "Freundeskreis" einfach verdaddelt hat.
2011-10-01 Anne Mann*
* Der Name der Autorin wurde auf Wunsch anonymisiert
Text: ©Anne Mann*
Foto Banner: ©Cornelia Schaible
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