von Angelika Petrich-Hornetz
Ümdöfft - habe ich gerade aus einem plattdeuchen Text gelernt - heißt auf Hochdeutsch: umgetauft. So weit so gut, doch die Unbekanntheit des erstmals gesehen Wortes in Kombination mit einer falschen Leseweise sorgte für unbeabsichtigte Heiterkeit: Anstelle von "ümdöfft" wurde umgedööft daraus. Nach Hinzuziehen des Familienrates wurde in dieser, eigentlichen falschen, Variante einstimmig ein ganz neues, zeitgemäßes, deutsches Verb erkannt, findet sich doch auch das Adjektiv "doof" sogar im Duden. Zwar wird dieses gewöhnlich wie folgt gesteigert: doof, doofer, am doofsten. Aber seien wir ehrlich: dööfer und am dööfsten hätte uns mindestens genauso gut gefallen, wenn die deutsche Sprache doppelte Umlaute zuließe.
Da das leider nicht so ist, müssen wir uns vorerst wohl mit umgedöft begnügen, einem Verb, das in strenger Anlehnung an seine Herkunft - umgetauft = umdöfft - vorwiegend im Passiv gebraucht wird, schließlich wird jemand oder etwas (von anderen) getauft und erst Recht umgetauft. Taufen und Umtaufen ist selten eine aktive Tätigkeit, sondern etwas, das den meisten Menschen, Schiffen und anderen Gegenständen gewöhnlich durch wenige andere widerfährt.
So wird auch die liebe Verwandtschaft zu Taufe geladen, wenn ein Neugeborenes getauft wird. Kein Elternpaar der Welt macht daraus ein Aktiv, denn das beinhaltete durchaus einen gewissen Akt der Gewalt: Das der Sprache nicht mächtige Kind kann schließlich nichts dagegen unternehmen, dass es Mia, Lina, Sophia, Maximilian, L(o)uis, Lukas oder anders getauft wird. Auch später, sollte es mit der Wahl seiner Eltern eines Tages tatsächlich unzufrieden sein, so dass eine Umtaufe nötig erscheint, ist es, trotz Volljährigkeit, auf den guten Willen eines Standesbeamten inklusive dessen Behörde angewiesen und wird dann ebenfalls passiv umgetauft.
Nun ist das Taufen und Umtaufen für sich genommen schon nicht über jeden Zweifel erhaben, weil eine Bezeichnung noch keinen Inhalt macht. Trotzdem versuchen wir ständig, mit mehr oder weniger gut überlegten Namensgebungen, Kindern und Inhalten gerecht zu werden, oder damit sogar zur Entfaltung, für die Seriosität, ja sogar zum Glück der so Genannten beizutragen. Wer sein Kind Felix taufen lässt, wünscht dem Kind sicher nur das Beste.
Benennen und Nennen sind dagegen schon wesentlich aktiver als umgedöft und umdöfen, aber auch weniger festgelegt. Einmal getauft ist getauft, ganz amtlich. Mit einem Ruf-Namen, einem Spitznamen oder anderen Begriffen benannt zu werden ist weitaus weniger starr und abwandelbar. Schließlich können wir etwas oder jemanden heute so und morgen so nennen, Wolfgang war früher halt der Wolfi. und aus so gut wie jedem getauften William wird im Laufe seines Lebens ein Bill mit graumelierten Schläfen. Aber man könnte ihn auch Will nennen.
Nein, die Wandelbarkeit des Nennens und Benennens trifft nicht den Kern, der hinter umgedöft und umdöfen steckt. Es handelt sich nämlich nicht nur um eine andere, meist temporäre, modifizierbare Angelegenheit, sondern es wird beim Umdöfen mit meist gut gemeinter, Absicht versucht, etwas, das schon vorher als nicht besonders gelungen galt - im Volksmund: "das doof war" -, mit einer öffentlichen, unter Zeugen kundgegebenen Umtaufe, nun wesentlich treffender zu bezeichnen und allein damit besser zu stellen.
Dass dies in vielen Fällen leider nicht gelingt ist es, das Umdöfen besser als alles andere ausdrückt. Etwas, das schon vorher doof klang oder sogar inhaltlich war, klingt jetzt mindestens genauso doof. Es heißt nur anders. Die Bedeutung hat sich kaum bis gar nicht geändert. Das liegt unter anderem auch an den Aus-Sprechenden, deren Einstellung dazu beiträgt: Wenn diese Einstellung dieselbe wie vorher ist, nützt auch eine neue Bezeichnung nichts. Deshalb ist manches nach seiner Umtaufe manchmal sogar noch döfer oder doofer als vorher, weil der ganze Aufwand der Umbenennung völlig umsonst war. Schließlich müssen bei Umdöfungen nicht selten zahlreiche Dokumente entsprechend geändert werden.
Beispiele gibt es genug: Häufig soll zum Beispiel eine Abwertung, die in einem Begriff wirklich, angeblich oder latent vorhanden ist, mit einer neuen Namensgebung ein für alle Mal beendet werden. Mindestens soll die neue Bezeichungen aber politisch korrekt ausfallen. Gerade dieses edle Anliegen scheint jedoch häufiger in einer klassischen Umdöfung zu enden. Zahlreiche Berufsbezeichnungen fallen auf diese Art und Weise immer wieder neuen Umdöfungen zum Opfer. Meistens werden sie dadurch lediglich länger, umständlicher, und man kann sie sich auch noch viel schlechter merken. So wurde zum Beispiel irgendwann aus dem ehemaligen Postboten tatsächlich eine Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen. Wenn jedoch jemand gedacht haben sollte, der vorherige Bote als solcher wäre kein ehrbarer Beruf gewesen, so fragt man sich, was an einem "Kurierdienstleister" nun seriöser als einem Boten sein soll. Merkur, der Kurier- und Expressdienstleister der Götter oder doch lieber der Bote, der all das und noch viel mehr in nur vier Buchstaben vereint?
Auch die Krankenschwester und der Krankenpfleger wurden umgedöft: 2004 war dem Bundestag deren alte Bezeichnungen nicht mehr gut genug, und sie wurden Kraft Gesetz zum maskulinen Neutrum des Gesundheits- und Krankenpflegers ernannt - mit entsprechenden Anhängseln auch in weiblicher Form zu gebrauchen. Die eindeutig weibliche Schwester dagegen stammte noch aus alten Zeiten, als hauptsächlich Ordensschwestern die Krankenpflege organisierten.
Was den Krankenpfleger als solchen unaktuell werden ließ, wissen wir dagegen nicht. Trotz des frommen Wunsches, dass die neue Berufsbezeichnung eine verstärkte Aufmerksamkeit in Richtung Gesundheitsvorsorge bringen möge, nahm die Zahl der Kranken nicht ab, sondern zu und haben es daher auch die Gesundheitspflegerinnen und Gesundheitspfleger immer noch vornehmlich mit kranken Menschen, also mit Patienten als ihre hauptsächlichen Kunden zu tun. Und die haben diese doch recht klassische Umdöfung längst noch nicht begriffen und rufen vertrauensselig weiter nach der Schwester und dem Pfleger, wenn es ihnen schlecht geht.
Die nächste Umdöfung in der Krankenpflege steht übrigens bevor, wenn erst die Eu-Richtlinie durchgesetzt ist, die eine zwölfjährige Schulbildung vorschreibt, bevor ein junger Mensch auf Patienten losgelassen wird. Aber das ist wohl eher ein schlechtes Beispiel, da sich damit nicht nur eine Bezeichnung, sondern sehr wahrscheinlich auch Inhalte der Ausbildung ändern werden. Ein momentan umstrittenes Thema, aber es dürfte zumindest die sehr nachlässige Herabsetzung des Eintrittsalters in die Pflegeausbildung zurücknehmen. Einige Bundesländer und Schulen sind auch bei einem höheren Zulassungsalter geblieben.
Das nächste Beispiel ist ein spiegelglattes Parkett, dessen Umdöfung viele mitverfolgt oder selbst miterlebt haben: Der bundesweite Austausch der Begriffe Ausländerin und Ausländer gegen Migrantin und Migrant scheint nämlich ähnlich fehlgeschlagen zu sein wie so viele andere klassische Umdöfungen, bei denen jemand vorhatte eine Abwertung herauszunehmen. Was ist am Ausland an sich abwertend? Eigentlich nichts. Menschen, die so denken und früher herabslassend über andere Menschen "aus dem Ausland" sprachen, sprechen auch heute nicht respektvoller - auch wenn sie diese nun als Migranten oder Menschen "mit Migrationshintergrund" bezeichnen. Mit "ausländischen Wurzeln" wäre vielleicht sogar die freundlichere Variante gelungen, gerade weil die Auslandserfahrung auf dem modernen Arbeitsmarkt verstärkt gesucht wird, nicht zuletzt deshalb, weil auch in Deutschland die Kommunikation mit wirtschaftlich auftrebenden Staaten geanauso respektvoll und reibungslos funktionieren muss, wie mit jedem anderen Geschäftspartner auch.
Manchmal machen sich die Zuschauer einfach auch nur lustig über Umtaufen, die von Firmenchefs vermeintlich überlegt gewählt wurden, aber das Publikum höchstens als umgedöft verlacht. Als zum Beispiel der Karstadt-Quelle-Konzern in Arcandor umdöfft wurde, dachen viele sofort an Pralinen - gefüllte und mit Zartbitterschokolade umhüllte. Umd im privaten Leben? Als ich eine Freundin fragte, warum sie mit der Heirat ihres Mannes seinen Nachnamen "Dose" angenommen habe, antwortete sie weise, dass sie schließlich eine geborene "Brase" sei - und ob nun "Brase" oder "Dose", sei doch eigentlich egal. Auch im Privatleben werden wir ständig umgedöft.
2012-01-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Foto Banner: ©ap
Infos zu Datenschutz + Cookies
zurück zu: Themen
zurück zu: Startseite
wirtschaftswetter.de
© 2003-2021 Wirtschaftswetter® Online-Zeitschrift