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April, April

Wahr oder unwahr - die etwas andere Nachrichtenschau

von Angelika Petrich-Hornetz

Ist es Ihnen aufgefallen? Die Nachrichten der vergangenen Wochen entwickelten einen Hang zum Unwirklichen. Immer öfter musste man sich fragen, ob es nun wirklich ernst gemeint sein kann, was TV, Radio, Zeitungen und andere Medien zu vermelden hatten oder ob es sich vielmehr um einen Aprilscherz handelte.

Dass das wahre Leben lustig, eher jedoch befremdlich komisch werden kann, und es dafür keinerlei Fiktion mehr braucht, hätten wir in dem aktuell vorhandenen Ausmaß wirklich nicht erwartet - jedenfalls nicht schon so früh im laufenden Jahr.

Die folgenden Beispiele zeigen, dass die Ereignisse nicht besser oder schlechter hätten erfunden werden können. Damit wird jeder Aprilscherz nun tatsächlich überflüssig. Beinhaltet ein Scherz doch immer noch die Hoffnung, dass es nur ein Spaß war, denn so schlimm wäre die Realität dann ja doch nicht. Leider hat sich nun genau das deutlich geändert. Merken Sie sich das Datum - und lesen Sie selbst:

Zuerst eine Schlagzeile aus dem März, Bundesumweltminister Norbert Röttgen CDU "fahre in die Asse" ein. Das Beste aber: Als Kandidat für die NRW-Landtagswahl kam er wieder heraus. Natürlich versprach er in und auch oberhalb der Asse, dass die unter Wasser gesetzten maroden Strahlefässer "schnell und sicher" herauf geholt werden müssten. Mn muss jedoch eher befürchten, dass er vor der anstehenden NRW-Landtagswahl kein zweites Mal in die Asse einfahren wird. Immerhin, er fuhr überhaupt. Und er stellte vor Ort Fragen, deren Antworten, ihm doch eigentlich bekannt sein dürften. Es handelt sich dabei nicht um einen Aprilscherz.

Wenn Ihnen das schon zu ernst ist, dann erheitert Sie vielleicht die Nachricht von etwa Mitte März, in der Gérard Depardieu, ankündigte, er werde in einem Spielfilm den Dominique Strauss-Kahn geben, obwohl er diesen gar nicht leiden könne. Das "sei spielbar", so Depardieu gegenüber einem Schweizer Sender, und er werde ihn "aus Abneigung" spielen. Für die Rolle der Ehefrau soll Isabelle Adjani im Gespräch sein. Da US-Regisseur Abel Ferrara mit den Dreharbeiten bereits im Juni beginnen will, handelt es sich auch bei dieser Nachricht um keinen Aprilscherz.

Für noch ver-rücktere Nachrichten hatte dabei im Januar längst schon eine der humorlosesten Landesvertretungen gesorgt, nämlich die Regierung Irans, die schon in den 90er Jahren allen Ernstes Barbie-Puppen aus ihrem Land verbannt hatte. Nun soll die Polizei für die Sittenwächter des Gottesstaates die "gefährlichen" Puppen aus den iranischen Spielzeugregalen räumen. Sicher, die Verrohung der Sitten von Kindern und Jugendlichen wird überall auf der Welt von erwachsenen Menschen immer wieder gern beklagt, aber ein Land, das seine weibliche Bevölkerung durch massive Unterdrückung auf allen Ebenen in Schach hält, muss sich wohl kaum ausgerechnet vor einer Puppe und dann auch noch ausgerechnet vor einer "Anzieh-Puppe" fürchten. Doch auch in diesem Fall handelte es sich leider nicht um einen Aprilscherz.

Den besten unfreiwilligen April-Scherz auf Regierungsebene hatte allerdings Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko verfasst, quasi ein eigenes Coming-Out, als er Anfang März wutschnaubend "Es ist besser, ein Diktator zu sein, als schwul", an die Adresse von Bundesaußenminister Westerwelle gerichtet, der mäßig interessierten Öffentlichkeit entgegen schleuderte. Westerwelle hatte zuvor die Menschenrechtslage in Weißrussland kritisiert. Die Bundesregierung wies die Verunglimpfung als solche zwar unverzüglich sowie scharf zurück, bedauerlicherweise jedoch nicht mit einem herzlichen: "Besser schwul als Diktator!" Wie albern Staatsoberhäupter doch sein können. Und leider ist es auch noch wahr.

Auch unsere Politiker bemühten sich, unfreiwillig lustig zu sein. Zum Beispiel Ende März, als die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder CDU ein neues Rezept für mehr weibliche Erwerbsbeteiligung gefunden zu haben glaubte und verkünden ließ: "Frauen nutzen persönliche Kontakte im Beruf zu wenig." Nach Frau Schröders Überzeugung sei Vitamin B aber gerade für die Frauen überaus wichtig, die nach einer Baby- oder Familienpause wieder ins Arbeitsleben einsteigen wollen. Es würden heutzutage nämlich schätzungsweise 50 Prozent aller Stellen über Kontakte und Referenzen vergeben, so das Ministerium weiter in seinem Sendungsbewusstsein. Deshalb ist die Ministerin jetzt mit dem Netzwerk "Xing" unterwegs, das deutlich mehr männliche als weibliche Mitglieder hat, um dort Frauen beim Aufbau eines persönlichen Kontaktnetzes bzw. eines "beruflichen Internetnetzwerks" zu unterstützen. Dass die Ministerin jedoch außerhalb des Internets die Einführung einer Frauenquote bisher ablehnte und auch nicht im eigenen Umfeld einzuführen gedenkt, auch wenn Führungsfrauen im echten Leben förderlicher für weibliche Karrieren sind, als reine Herrengesellschaften, ist leider noch nicht aufgefallen. Also, wird vom Ministerium jetzt erst einmal die virtuelle Frauenquote eingeführt, auf freiwilliger Basis versteht sich, und auch kein Aprilscherz.

Zum gleichen Thema: Anwärter auf den politischen Aprilscherz-Vogel-Abschuss hat in Deutschland auch der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, dem, kaum dass bekannt wurde, seine Frau erwarte ein Kind, u.a. von übereifrigen Partei-Genossinnen in einem offenen Brief nahe gelegt wurde, mit gutem Beispiel voranzugehen und in den väterlichen Elternurlaub zu wechseln. Damit wurde der oberste Sozialdemokrat das erste prominente Opfer dröger sozialdemokratischer Familienpolitik, die sich in ihrer jüngeren Geschichte so vehement auf ein einziges Lebensmodell, nämlich geteilten Elternurlaub mit Teilzeitarbeit und danach die partnerschaftliche Vollzeitbeschäftgung beider Elternteile mit ein oder zwei Kindern, diversen Nannys u.ä. versteift. Immerhin, wird Herr Gabriel nun vielleicht die jungen Männer und Frauen mit Kindern ein klein wenig besser verstehen können, die solch eine Indoktrination eines von einer Partei bevorzugten Familienmodells als aufdringliche Einmischung in ihre private Lebensplanung empfinden - die er selbst entschieden zurückwies. So viel doppelte Moral ist eben auch leider schon lange kein Apri-Scherz mehr.

Dann gab es noch einige unfreiwillige Umfrage-Scherze im März: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte in einer Umfrage unter rund 6000 Beschäftigten den wachsenden Arbeitsdruck als Ursache für Burn-Out ausgemacht. Die Verursacher wurden auch ermittelt, u.a. die ständige Erreichbarkeit, die den Arbeitnehmer unter Druck setze, und die erst durch die moderne Technik ermöglicht worden sei. Technik ist böse? Was kann aber ein Smartphone dafür, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber damit umgehen? Und warum eine fast zeitgleiche Umfrage der GfK im Auftrag der Apotheken-Rundschau ergab, dass über 85 Prozent der rund 1000 befragten Teilnehmer die Arbeit Freude bereite, 2008 waren es aber nur knapp 79 Prozent, erklärt dann wieder niemand. April, April?

Ende März, damit rechtzeitig vor Ostern. trabte außerdem folgendes Schokoladenei durch die Presse: Schokolade mache schlank, was für eine Überraschung! Eine in einem US-Fachblatt veröffentlichte, wissenschaftliche Studie ergab, dass Menschen, die mehr Schokolade essen als andere, messbar dünner seien als diese. Wieder einmal war damit die so oder so gemessene Realität für jeden unterschiedlich und damit deutlich besser als jeder Aprilscherz. Und später stellte sich heraus, das ganze war nichts als ein Fake, man wollte sehen, wie weit man damit komme.

Den geldbewehrten Humor repräsentierte, ebenfalls im März, eine 83-jährige Dame, die sich ihre Nase an der Glasfront eines Apple Stores auf Long Island stieß, in der Annahme, diese wäre gar nicht vorhanden. Sie verklagte den Computergiganten auf eine Million US-Dollar Schadensersatz, weil sie die offensichtliche gut geputzte Architektur gar nicht als solche erkennen konnte, rügte ihr Anwalt. Das ist auch kein Aprilscherz.

In der Lübeck will man dagegen erst einmal dafür sorgen, dass auch Männer die 83 überhaupt erst erreichen können. Die Lebenserwartung männlicher Hanseaten läge mit durchschnittlich 75 Jahren nämlich sage und schreibe ein Jahr unter dem Durchschnitt der Schleswig-Holsteiner, stellte man Ende März in der Hansestadt besorgt fest. Deshalb wollen sich nun zwei Parteien der Bürgerschaft um eine eigene Gesundheitsförderung für die in der Stadt noch vorhandenen Männer bemühen, und den männlichen Bürgern mit Vorsorge, Laufen am Kanal, weniger Alkohol und Zigaretten eine Aufstockung von satten fünf Jahren auf die betagte Lübeckerin ermöglichen, die immerhin 81 Jahre erreichen kann. Und das ist auch wahr und kein Aprilscherz.

Zurück in die USA. Mitte März erfuhr die Weltöffentlichkeit, dass Paul Allen, der einst mit Bill Gates Microsoft erschaffen hatte, ein von ihm gegründetes Forschungsinstitut bereits zum wiederholten Male mit einer großzügigen, dreistelligen Millionen-Spende unterstützt, damit es in den nächsten zehn Jahren herausfinde, wie das menschliche Gehirn funktioniert. Ob es sich dabei nur um sein eigenes Gehirn oder auch die anderer handelt, wurde leider nicht bekannt. Es soll sich auf jeden Fall um das "komplette Verständnis" der Funktionsweise des Gehirns handeln . Und nicht, dass dies etwa schon eine abendfüllende Aufgabe wäre, sondern man möge auch noch herausfinden, wie es zu Störungen oder Krankheiten des Gehirns komme. Ein sehr ehrgeiziges Ziel für solch einen Zeitraum und so eine Summe, und deshalb kein Aprilscherz, sondern "allen Ernstes".

In Bayern hatte man Mitte März dagegen familiennpolitische Sorgen. Ob man sich dieser allerdings nun entledigen oder erst welche schaffen wollte, wird nicht ganz klar: Ein acht Monate alter Säugling sollte abgeschoben werden, sein Asylverfahren wurde eingestellt. Der Junge, geborener Oberbayer, müsse sofort ausreisen, entnahm die Mutter einem amtlichen Schreiben. Sollte er der Aufforderung nicht nachkommen, werde er ins Geburtsland seiner Mutter abgeschoben, die zwar aus Serbien stammt, aber seit dreizehn Jahren in Deutschland lebt. Das Baby, das bisher weder Serbien, noch sonst ein anderes Land, sondern höchstens ein bisschen Oberbayern kennengelernt hat, könnte auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, der es aufnehmen müsse oder in den es einreisen dürfe, wurde der Mutter zudem beschieden. Nur sein eigenes Geburtsland will ihn offenbar partout nicht haben. Das ist wirklich kein Aprilscherz, auch nicht, dass nur ein paar Tage später auch seine zweijährige Schwester aufgefordert wurde, ihrerseits die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.

Während Bayern einem so hilf- wie anspruchslosen Baby die Ausreise "nahelegt", plagt sich seit Februar eine deutsche Autofirma mit deutlich gehoberen Ansprüchen eines seiner ehemaligen Beschäftigten herum: Ein Mitarbeiter, der ein Sabbatjahr dafür nutzte, einem Terrornetzwerk Geld und militärische Ausrüstung zu verschaffen und dafür eine Haftstrafe verbüßte, klagt nach seiner Entlassung auf Wiedereinstellung. Neben der Unsicherheit, ob die ihm vom Gericht bei der Verurteilung ausgestellte günstige Prognose später einmal zutrifft oder doch nicht, dürfte damit auch das Thema Vertragsfreiheit wieder auf dem Tisch liegen - und auch das der Gleichbehandlung, siehe oben. Leider auch kein Aprilscherz.

Ebenfalls in Bayern, sorgte in Passau Anfang Februar die Leiterin einer Mittelschule für Medienfurore, weil sie die in Deutschland weit verbreitete Grußformel "Tschüss" verbieten bzw. durch ein zünftiges, regional übliches "Grüß Gott" ersetzen lassen wollte, das angeblich "höflicher" klingen würde. In der Presse äußerten sich dann gleich mehrere Bayern, denen das Wort "Tschüss" angeblich sogar in den Ohren schmerze. Auch dieser Affront gegen die norddeutsche Lebensart war kein Aprilscherz. Die Vertreter des feinen Gehörs können sich jedoch zurücklehnen: Es gibt zahlreiche Bürger in protestantischen Regionen, denen die gottesfürchtigen Grußformeln des Südens genauso in den Ohren klingeln, sie bleiben in ihren Forderungen Zugereisten gegenüber dennoch lieber höflich, zurückhaltend und tolerant.

Und noch einmal Bayern. Anfang März stellte Kultusminister Ludwig Spaenle eine Überarbeitung des G8-Gymnasiums vor. Wer mit G8 überfordert sei, könne künftig in der Mittelstufe (siebte bis zehnte Klasse) planmäßig freiwillig sitzenbleiben, um in einem so genannten "Intensivierungsjahr" Schwächen ausgleichen können. Und das gelte dann nicht als Sitzenbleiben, sondern als reguläres Abitur, wie das andere auch, aber dann nach neun und nicht nach acht Jahren. Auch dieses "zusätzliche, freiwillige Schuljahr" fürs Abitur in Bayern hätten wir beinahe für einen Aprilscherz gehalten.

Jetzt aber mal etwas Positives: Zumindest der Ansatz für eine rückwärts laufende Lieferkette ist im Gange. Ein Entsorger in Berlin plant mit der Post die Rücksendung von alten Mobiltelefonen per Postversand einzurichten, um damit Rohstoffe aus Elektroschrott zu gewinnen. Die ersten Experimente mit Handys sollen nun vorerst für den Zeitraum von einem Jahr laufen Später sollen auch andere Elektrokleingeräte einfach an den Entsorger geschickt werden. Die Verbraucher benötigen nur ein kostenloses Etikett, das aus dem Internet heruntergeladen wird, und stecken das Gerät in einen damit beklebten "Umschlag". Kein Aprilscherz, und diesmal ohne jedes Bedauern darüber. Ob aber die Ausschlachtung von Altgeräten zur Rückgewinnung von Rohstoffen eines Tages wirklich lohnend wird, weiß gegenwärtig noch niemand, und deshalb auch nicht, ob die riesigen Elektroschrott-Berge mit einer gegenwärtig noch zu teuren Rückwärtslogistik tatsächlich abgebaut werden können. Deshalb kommen Sie ja nicht auf die Idee, Ihren gelben Sack per Post an die Entsorger zu schicken! Noch ist es nicht soweit. Und die haben auch keinen Sinn für solche Aprilscherze.

Nun kommen wir zu einem der vorgelagerten Aprilscherze des vergangenen Winters. Der war nämlich geradezu überfüllt damit. Und bekanntlich war er zeitweise sehr kalt. Was jetzt im Frühling leicht weg- und abwischbar gewesen wäre, wurde im Februar noch zur reinsten Tortur. Auf der A5 in Hessen hatte ein Lastwagen bei einem Auffahrunfall seine Ladung verloren. Es kam zur Vollsperrung und stundenlangen Staus, denn der Ärmste hatte Sauerkraut geladen. Und das fror bei den tiefen Temperaturen in Minutenschnelle auf der Fahrbahn fest. Nur unter Einsatz von Streusalz konnte die Autobahn unter großen Mühen schließlich von dem Kraut befreit werden, das eiskalt bekanntlich gar nicht schmeckt. Auch, was den Humor betrifft, hatte es dieser Winter faustdick hinter den Ohren.

Noch einmal zurück zur Frauenquote, die nicht nur in der Politik und Wirtschaft ein Dauerthema ist. Es war wirklich kein Aprilscherz, als eine "Deutschland-Sucht-Den-Superstar"-Kandidatin eine Frauenquote in dieser TV-Show forderte, mit der Begründung, das vorwiegend weibliche Publikum würde männliche Teilnehmer über die Maßen bevorzugen.

Zum Schluss auch noch zum Thema Organspende. In einer Diskussion um den Hirntod, um den bekanntlich viel gestritten wird, und zwar von A bis Z (Gibt es ihn, oder nicht? Wann tritt er genau ein? usw.), ließ sich der Potsdamer Philosoph Professor Ralf Stoecker anlässlich der Behandlung von Hirntoten, die mit Absicht nicht zum Üben für Medizinstudenten freigegeben werden, zu folgender Bemerkung hinreißen: Hirntote seien zwar "personal tot, sonst aber lebendig." Das war keineswegs scherzhaft gemeint.

Die Liste der wahren Ereignisse und Aussagen innerhalb dieses verrückten, ersten Quartals 2012 könnte endlos fortgesetzt werden, und das wird sie bestimmt auch noch, solange die Erde sich (noch) dreht.


2012-04-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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