Die Hersteller künstlicher Lichtquellen besinnen sich auf die positiven Aspekte von Naturlicht zurück und zeigen dies auf der Light + Building, der weltgrößten Messe für Architektur und Technik, in Frankfurt am Main. Der Biologe Dr. Andreas Wojtysiak erklärt die perfekte Lichtplanung für mehr Leistung und Wohlbefinde
Text und Fragen von Annegret Handel-Kempf
Müde haben wir uns aus den letzten trüben Tagen des Winters in den Frühling geschleppt. Voller Hoffnung auf Wärme, Sonne, Licht. Lange Tage mit vielen hellen Stunden, den Blick optimistisch in einen blauen Himmel gerichtet: Das sind die Freuden von Frühjahr und Sommer.
Doch was nützen die schönsten Tage, wenn wir viele Stunden davon beim Arbeiten in einem Raum eingesperrt sind, der kein oder kaum Tageslicht hereinlässt, in dem Helligkeit nur von funzeligen oder übergrellen Kunstlichtleuchten kommt?
Die zweite, die digitale Revolution des Lichts, vorgestellt auf der Light + Building 2012, der Weltleitmesse für Architektur und Technik vom 15. bis 20. April in Frankfurt am Main, führt uns nach der Erfindung des Kunstlichts zurück in die Segnungen des natürlichen Lichts, das Motivation, Leistungssteigerung, Entspannung und Kuschel-Momente beschert, jetzt unterstützt von Licht emittierenden Dioden (LED) und ihren organischen Brüdern, den OLEDs.
Eine Technik, die sich bei flachen Fernsehern bereits bewährt hat, hilft bei der Rückkehr zum natürlichen Licht-Rhythmus, der von künstlichem Licht verfälscht wurde: Bei LEDs und OLEDs lassen sich die für psychische und physische Verfassung der besonders wichtigen Faktoren Farbe und Einfallswinkel von Licht zielgerichtet steuern. Dabei sparen sie im Vergleich zu klassischen Glühlampen, Leuchtstoffröhren und sogar gegenüber Halogen-„Energiespar“-Lampen reichlich Strom. Mehr als mit den optimierten Verbrauchswerten der LED selbst, lässt sich meist mit ihrem präzisen Einsatz Power sparen, wenn Licht dorthin gebracht wird, wo es wirklich gebraucht wird. Schöner noch: Bei reiflich überlegtem Beleuchtungs-Einsatz, mehr Leistung mit Wohlgefühl erbringen.
Beispielsweise Philips und Trilux beschäftigen sich mit den emotionalen Auswirkungen von Licht, dessen Effekte auf Schüler in einer Hamburger Studie getestet wurde. Die Stadt Hamburg will nun bis zu 1.000 Grundschulklassen mit „dynamischem Licht“ ausstatten. Das Münchner Unternehmen OSRAM zeigt auf der L + B 2012 schwerpunktmäßig das Konzept „Licht und Auswirkung auf den Menschen“, erzeugt mit Osram-Elementen. Die Lösungen zur Fitness-Steigerung sind etwas teurer als ein einfacherer Standard und derzeit hauptsächlich im professionellen Einsatz zu finden.
Wir fragten nach bei Andreas Wojtysiak, der sich bei OSRAM mit den biologischen Aspekten von Licht beschäftigt, wie sich unsere Tage und Stimmung aufhellen lassen.
Wirtschaftswetter: Aufstehen im Dunkeln, wie startet man in den Tag?
Dr. Andreas Wojtysiak: Lassen Sie mich das ganz einfach in ein paar Worte fassen: Der Wecker klingelt, Lichtschalter an, das war’s. Müde geht’s ins Bad...
Anders ist dies, wenn der Lichteinsatz optimiert wird. In diesem Fall dimmt das Licht sanft in warmer Lichtfarbe hoch. Sie sollten mindestens zehn bis dreißig Minuten vor dem Aufwachen anstarten, dann wacht man auch angenehmer auf. Der Wecker muss nur anspringen, wenn man noch zu tief im Schlaf ist und das Licht deshalb nicht ausreicht. Dann wird langsam die Lichtfarbe geändert: Mehr Blau kommt ins Spektrum, um uns zu aktivieren. Auch die Beleuchtungsstärke, die Helligkeit, sollte steigen. Hilfreich ist jetzt ein größerer Indirekt-Anteil im Licht.
Wirtschaftswetter: Ab in die Schule, zu noch sehr früher Stunde. In welcher Verfassung gehen die Kinder ans Lernen und in die Pausen?
Dr. Andreas Wojtysiak: Meist müde. Die Kinder machen einen genetisch festgelegten Wechsel vom Frühtyp, genannt Lerche, zum Spättyp, der Eule, durch. Morgens steigt das Cortisol langsam an, die Kinder werden aktiver und fitter. Dies geschieht bei Eulen aber später als bei Lerchen, und viele Schüler sind in den ersten Schulstunden, in denen häufig schon Tests geschrieben werden, noch nicht richtig fit.
Mit mehr Licht und höheren Blauanteilen, die unsere aktivierenden Zentren im Gehirn stimulieren, steigen die Aufmerksamkeit und der wache Zustand schneller an. Außerdem wird die innere Uhr stärker synchronisiert. Das Licht am Morgen zieht sie nach vorn. Reste des „Schlafhormons“ Melatonin werden am Morgen schneller abgebaut. Am Abend wird es daher früher ausgeschüttet und macht früher müde. So wird das System in der Natur synchronisiert.
Die Leistungen in der Schule profitieren, besonders bei den spätesten Chronotypen, den „stärksten Eulen“. Das System der inneren Uhr hat ein Gedächtnis: In der Nacht profitiert der Schlaf vom verbesserten Licht am Tag. Am nächsten Tag muss wieder synchronisiert werden. Aber wenn am Vortag die innere Uhr nicht aus dem Ruder gelaufen ist, gelingt die Anpassung besser und besser.
Wirtschaftswetter: Viele Schüler fehlen, weil sie krank sind. Dagelassen haben sie ihre Keime. Kann das Licht sie vertreiben?
Dr. Andreas Wojtysiak: Sichtbares Licht wirkt nicht keimtötend. Es gibt einzelne Studien, die sich noch in der wissenschaftlichen Kontroverse befinden. Fakt ist: Zum effektiven Keimtöten braucht man aus heutiger Sicht nicht-sichtbare UV-C-Strahlung. Diese ist jedoch für uns nicht gesund, daher kann man sie nur in leeren Räumen nutzen. UV-C ist mit 100 bis 280 Nanometern Wellenlänge recht aggressiv. Ausbleichwirkungen und schnellere Sprödigkeit bei Kunststoffen sind Beispiele für Probleme in der Praxis.
Wirtschaftswetter: Der Vater kommt von der nächtlichen Schichtarbeit, die Mutter geht ins klimatisierte Büro. Wie wirkt das Licht auf ihr Wohlbefinden, ihre Leistung und ihre Gesundheit während der Arbeit ein?
Dr. Andreas Wojtysiak: Für die Mutter ist das Ergebnis recht klar. Sie erhält durch ihre Arbeit untertags einen größeren Blauanteil, um die relevanten Rezeptoren zu stimulieren. Für den Vater ist die Situation noch nicht so einfach: Patentrezepte für Schichtbeleuchtung gibt es noch nicht. In der Nachtschicht kann man mit mehr und blauerem Licht die Wachheit steigern. Ein optimaler Wechsel zwischen Leistung und Erholung in einem Schichtsystem ist aber noch nicht gefunden.
Wirtschaftswetter: Die Kinder machen Hausaufgaben, spielen danach drinnen, weil es draußen trüb ist. Hält das Licht sie bei Laune?
Dr. Andreas Wojtysiak: Wenn es draußen trüb ist, sind die Möglichkeiten zum Spielen eingeschränkt. Das Licht reicht aus zum Sehen, mehr aber nicht. Ein deutlicher Synchronisierungsreiz ist wichtig für unsere innere Uhr, damit sie auch mit dem „Schlafdruck“ abgestimmt ist. Ziel wäre es, die Innenbeleuchtung zu optimieren und damit vorbeugend aktiv zu werden.
Möglicherweise sind die Kinder bei optimierter Innenbeleuchtung tagsüber aktiver und mit mehr Schwung beim Spielen. Wie ein Tag bei Sonnenschein wird es vermutlich aber nicht werden. Das ist aber auch in Ordnung, denn wir wollen Schwankungen und Veränderungen zulassen. Es soll nicht jeder Tag wie der vorherige sein. Unser Rhythmus sollte dennoch nicht aus dem Fahrwasser kommen, da hilft angepasstes Licht.
Wirtschaftswetter: Es ist Abend, Eltern und Kinder sind zuhause, die Kinder drehen noch einmal richtig auf. Wie kommen sie zu Ruhe und Entspannung?
Dr. Andreas Wojtysiak: Die Kinder erleben am Abend ebenso wie die Erwachsenen zwei Phänomene - zum einen haben sie über den Tag einen hohen Schlafdruck aufgebaut, sie sind also müde und haben eine hohe Schlafneigung. Allerdings hält das circadiane System (es steuert den 24-Stunden-Rhythmus aller physiologischen und psychologischen Eigenschaften des Menschen – die Red.) zunächst keine „Schlafpforte“ offen, lässt also ein frühes Einschlafen nicht zu. Im Gegenteil, das circadiane System hat zu dieser Zeit ein Hoch. Daher erscheinen die Kinder auch nicht ausgeglichen, bei uns Erwachsenen wirkt dieser Effekt nicht so stark.
Das circadiane Hoch zu dieser Zeit kann man nicht einfach blocken. Dennoch sollte eine Vorbereitung auf die Nachtruhe stattfinden. Licht kann das Signal setzen. Mit warmer Lichtfarbe endet die Aktivierung. Zum Einschlafen ist ein entsprechender Vorlauf von rund zwei Stunden nötig.
Wirtschaftswetter: Die demenzkranke Oma bekommt vom Ablauf eines Tages in ihrem Seniorenheim nicht mehr viel mit. Was bewirkt das Licht in ihrer Umgebung?
Dr. Andreas Wojtysiak: Alte Menschen brauchen mehr Licht. Das ist bekannt. Sie benötigen zudem mehr Blauanteil im Licht am Tag, denn ihre Augenlinsen sind nicht nur trüber als in jungen Jahren, sondern auch vergilbt. Das bedeutet, dass blaue Lichtanteile stärker gefiltert werden und nicht mehr auf die circadianen Rezeptoren in der Netzhaut des Auges gelangen. Gerade bei Demenzkranken stellt sich eine Spirale aus zunehmend schlechterem Rhythmus mit Schlafstörungen und ebenfalls zunehmenden Demenzerscheinungen ein.
Angepasste Lichtlösungen, etwa Lichtdecken mit dynamischer Tageslichtsimulation, machen alte Menschen und besonders Demenzkranke aktiver am Tag und ruhiger in der Nacht. Der Rhythmus wird stabilisiert, der Schlaf erholsamer und der Tag wieder lebenswert. So lässt sich ein Teil der Probleme und des Pflegeaufwandes reduzieren.
Wirtschaftswetter: Die Nachbarin ist im Krankenhaus. Welche Rolle spielt das Licht für ihre Heilung und ihr Wohlbefinden?
Dr. Andreas Wojtysiak: Die Leistungsfähigkeit des Immunsystems ist anfällig für Störungen im Rhythmus. Die Ursachen liegen dabei sowohl in der Schlafqualität - wichtig für die Reparatursysteme, als auch in der Chronobiologie und Chronopharmakologie. Die Bekämpfung einer Krankheit gelingt dann besser, wenn die Systeme abgestimmt funktionieren. Zusätzlich zur psychologisch positiven Rolle von Licht, kommen hier physiologische Parameter ins Spiel. Viele Elemente des Immunsystems unterliegen einem circadianen Rhythmus, ihre koordinierte Aktion benötigt eine geeignete Synchronisierung durch das Licht. Psychologie und Physiologie arbeiten gemeinsam an der Bekämpfung der Krankheitsursachen und –zeichen. Die Erholung in der Nacht ist verbessert, wesentliche Reparaturmechanismen laufen in dieser Ruhephase ab. Die Heilung kann durch verbessertes Licht beschleunigt werden. Für natürliches Tageslicht ist das bereits gut gezeigt. Für chronobiologisch optimiertes künstliches Licht gibt es erste Studien, die diese Richtung bestätigen.
Zur Person:
Dr. Andreas Wojtysiak (46) studierte in Braunschweig Biologie und promovierte in Duisburg/Essen zum Dr. rer. Nat. Es folgten berufliche Stationen in Kamp-Linfort, Witten (Ruhr) und München, immer zum Schwerpunkt „neue Technologien und der Mensch“. Seit vier Jahren arbeitet der Biologe bei Osram im Strategic Innovation Management als Innovation Manager Light & Health.
2012-04-10 Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf und Interviewpartner Dr. Andreas Wojtysiak
Foto Dr. Wojtysiak: ©Osram
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