von Angelika Petrich-Hornetz
Bei Amazon bekommt man "The Winter's Tale" von Shakespeare für 56 Cent. Im Supermarkt kaufe ich für 1,70 einen hellen Traubensaft unzweifelhafter Herkunft. Der Liter Weichspüler unterschreitet im Angebot mit 1,49 die Einssiebzig bei Weitem. Immerhin wäre dafür auch eine großzügige Packung Schokoladenkekse oder ein bis drei Tafeln, je nachdem, Schokolade drin - oder ein Ticket der städtischen Buslinie, fast sogar der Eintritt in die Schwimmhalle, auf jeden Fall gibt es dafür einen praktischen Eisportionierer, wahlweise auch die Großpackung Eis oder sechs Zahnbürsten oder zwei Tuben Zahnpasta oder eine gut gefüllte Tüte Brötchen, aber, nein: Ich muss tanken!
Auf dem Restetisch der Stoffabteilung fände ich für 1,70 ein mal einen Meter grüne Seide, nicht schlecht. Ich könnte für den Liter Benzin auch drei Flaschen Flüssigseife kaufen, eine Packung Eier, ein kleines Glas Paprika-Nuss-Aufstrich aus dem Bioladen, ein halbes Brot aus demselben. Oder ich gönnte mir einen Espresso im Cafe nebenan? Nichts da, die Einssiebzig, ganz viele davon, gehen in die Zapfsäule. Gibt es denn niemanden, der einen Antrieb auf Basis von Weichspüler oder besser noch Flüssigseife entwickeln kann?
Einssiebzig, das scheint die Schmerzgrenze zu sein. Seit Tagen sind die Medien voll mit diesem Thema und die Titel zeugen davon, dass sämtliche Autoren der unterschiedlichsten Quellen genauso wie die Leser zwischen Verzweiflung und blanker Wut schwanken. Und da wundert sich die Autoindustrie noch, dass der Absatz dieser Saft-Brötchen-Shakespeare-fressenden Vehikel nachlässt, insbesondere in der jungen Generation?
Eine Datenbank soll nun angeblich richten, was längst zu spät ist. In die müssen die Mineralölgesellschaften ihren Benzinpreis eingetragen, der sich dann allenfalls alle 24 Stunden ändern darf. Pustekuchen, die feinen Ölgesellschaften konterten grinsend in die Kameras, sie werden in dem Fall nur teurer verkaufen können, nach unten gehende Preisschwankungen kämen dann weder in der Preistabelle an, folglich auch dem Verbraucher nicht zu Gute. Nach unten? Wann war das denn?
Bedauerlicherweise, man muss es in diesem Zusammenhang auch einmal erwähnen, gibt es noch immer zu viele gut situierte Zeitgenossen, denen auch Einssiebzig herzlich egal sind. Die Gesellschaftsschichten scheiden sich neuerdings am Benzinpreis. Allein vor diesem Hintergrund muss die Einkommensschere in diesem Land unbedingt bearbeitet werden, sonst führen die Grünen eines Tages tatsächlich noch einen Benzinpreis von 5,-Euro ein. Und auch dann wird es noch welche geben, die ohne mit der verlängerten Wimper zu zucken, selbst noch sieben Euro hinlegen. (Dafür bekäme ich fast zehn Flaschen Flüssigseife... . Das Wort "Seifenkiste" will mir fortan nicht mehr aus dem Kopf gehen).
Da hilft außer Umrüsten auf andere Treibstoffe im großen Stil, und das haben sämtliche Regierungen auf den Ölquellen anderer Leute bislang bravourös verschlafen, nur noch eins: Das Auto stehen lassen, so oft es nur geht. Wir Deutschen sind eh zu dick. Frohe Ostern!
2012-04-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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