von Annegret Handel-Kempf
Das Smartphone macht es vor: Extra smart bedroht es die Fernseher. Besonders Metz und Löwe haben mit ihren hochwertigen und entsprechend teuren Produkten Absatzprobleme. „Smart“ soll deshalb TV auch im großen Format retten. Die Idee dahinter: Die Internet-Möglichkeiten und die Netzwerk-Verführungen des Smartphones könnten die Menschen zuhause doch auf viel voluminöseren und raffinierter gebauten Bildschirmen beglücken.
Doch die Unterhaltungskonsumenten wollen das anscheinend gar nicht. „Technik ist kein relevanter Kaufgrund mehr für den Massenmarkt. Connected TV deshalb auch nicht“, hebt Klaus Böhm von Deloitte die Internetfernseher-Euphorie von der Begeisterungswolke. Er stützt sich dabei auf die Umfrage „The State oft the Media Democracy 2013“, für die 20.000 Haushalte in zehn Ländern befragt wurden. Dennoch sei Fernsehen nach wie vor die beliebteste Medienaktivität der Deutschen.
Wenn sich auch die meisten Kunden beim Neukauf mit einem internetfähigen Smart-TV beglücken, sind sie zu Hause doch mit dem traditionellen „linearen“ Fernsehen zufrieden. Das heißt, drei Viertel der Besitzer von IP-TVs schauen das Fernsehprogramm, das ihnen die Sendeanstalten bieten, ohne sich dabei interaktiv einzubringen, auszutauschen, großes Hintergrundwissen abzufragen oder sich eine ähnliche Sendung empfehlen zu lassen.
Wahrlich smart fühlt sich häufig noch, wer die Finger weg vom Internet am TV lässt. Zumal das Einstöpseln, Einbinden, Anwerfen und Bedienen oft nicht gerade intuitiv funktionieren. Wird der Browser wie am Computer genutzt, fahren die Webseiten viel langsamer hoch, als am PC. Lediglich das Stöbern in Mediatheken, mit deren Hilfe man verpasste Filme ohne vorherige Aufnahme „nachschauen“ kann, führt den Sinn von Internet auf TV verständlich vor Augen.
Das gefällt aber der industriell organisierten Unterhaltungselektronik nicht, die sich gerade erst mit der IT angefreundet und sie in ihre Geräte, die nun immer häufiger auch PCs sind, eingebaut hat. Deshalb haben sich extra smarte Menschen einfallen lassen, eine Smart-TV-Initiative zu gründen. Dafür werden 7.000 „Smarter-Fernsehen“-Verkäufer extra geschult. Noch mehr TV-Geräte tragen künftig einen „Smarter Fernsehen“-Button, um an die Möglichkeiten des Internets auf dem Filme-Bildschirm zu erinnern.
Toshiba beispielsweise darf die Aufkleber auf seine neuen Fernseher kleben, weil die Einbettung dieser TV-Geräte ins heimische Netzwerk technisch bedienerfreundlich gestaltet sein soll. Hierzu zählen, dem IT-verwurzelten Unternehmen zufolge, der schnelle Zugriff auf Mediatheken, Online Videotheken, den eigenen Facebook- bzw. Twitter-Account oder YouTube- Videos. Fotos vom Smartphone können per DLNA einfach auf dem großen TV-Bildschirm angeschaut werden. Das soll heißen, die Geräte können sich miteinander verständigen und das Smartphone als Server dienen, weil sich viele Hersteller der "Digital Living Network Alliance (DLNA)" auf einen gemeinsamen Standard geeinigt haben und Fernseher und Smartphone im gleichen Heimnetzwerk angemeldet sind.
Wobei letzteres in der Praxis nicht selbstverständlich ist: Wie von Geisterhand entstehen innerhalb eines Haushaltes oft mehrere Heimnetzwerke, die lieber Drucker und PCs lahmlegen, als sich vereinen zu lassen. Das schafft Action am Fernsehabend. Auch gut.
Denn der smarte Mensch soll sich ja auch viel bewegen. Im besonders smart-vernetzten Digital Lifestyle zeichnet das Smartphone auf, was ihm kleine Clips, die ein solches Wesen mit sich herumträgt, über die Zahl der Schritte erzählt, die es heute gemacht hat. Etwa, wenn es sich vors Haus begibt, um die smart vernetzte Waschmaschine mit dem Tablet-PC, anstelle mit dem Startknopf direkt an der Waschmaschine anzustellen.
Bei Gigaset waren die Entwickler ganz überrascht, jedoch lernbereit, dass die Menschen solche Spielereien für ihr Smart-Home nicht heiß ersehnen. Vielmehr wollten die Testpersonen wissen, ob ihre Kinder nach der Schule gut zuhause angekommen sind. Das Münchner Unternehmen konzentrierte sich deshalb auf alltagstaugliche, strahlungsarme, so genannte „elements“, die kein Vermögen kosten und ohne Elektriker zu installieren sind. Ein intelligenter Türöffner und Bewegungsmelder, die auf dem elterlichen Smartphone anzeigen, ob die Kinder zur erwarteten Zeit tatsächlich zuhause sind und nicht von irgendwo her telefonieren, gehört zur Grundausstattung des von ihnen erdachten, smarten Hauses.
Ein solch dezentes Gebäude interessiert sich nicht für Kühlschränke und ermöglicht Einsamen keine Unterhaltung mit ihrer Nachttischlampe vor dem Einschlafen (gesehen bei „Digitalstrom“). Ebenso wenig wird – ein kommender Lifestyle-Trend - die Stimmung des Eintretenden erfühlt und sodann Hausbeleuchtung und Musik passend und personalisiert ausgerichtet – was Chaos in Mehrpersonenhaushalten erahnen lässt. Stattdessen haben die stets aktiven und dazulernenden „elements“ aus Tür-/Fenster- und Bewegungssensoren, die man nicht erst scharfstellen muss, alle Türoffnungen und deren Uhrzeiten im Blick. Der Besitzer wird gewarnt, wenn etwas von der Routine abweicht. Die System-Entwickler reagieren damit auf Gigaset-Erkundungen, denen zufolge die Zahl von Einbrüchen in Deutschland wächst. Die räuberischen Eindringlinge sollen im Schnitt „nur“ 300 Euro direkten Schaden, aber 10.000 Euro Folgekosten verursachen, weil weitere Unbefugte in die nach dem Einbruch offenstehenden Wohnungen hineingehen und vandalieren. Auf simple Weise könnten mit Systemen, wie dem vorgestellten, oder ähnlich einfachen und günstigen Lösungen, künftig Kriminelle und Vandalierer ins Netz der Smart Homes gehen.
Intelligente Lüsterklemmen mit integrierten Chips, die aussehen wie Lego-Steine, sind die Basis der aufwendigeren „Mittelklasse“-Vernetzung von „Digitalstrom“. Nach Einbau durch einen Elektriker sollen elektrische Geräte, Taster und die Haustechnik über eine eigene Intelligenz verfügen und sich über die bestehende Stromleitung vernetzen. Zweck der eigenständigen „Verstandesleistung“, in die sich der zahlende Besitzer vielleicht dennoch gerne einklinken würde: Die bunten Lüsterklemmen ordern Dienstleistungen oder Ersatzteile, wenn nötig, geben zudem Rückmeldung über Status und Energieverbrauch oder Wartungsintervalle.
Ob Smart TV, Smart Home oder Smart Life: „Der Trend geht zur vernetzten Gesellschaft“, stellt Lars Bayer vom Netzausstatter Ericsson fest.
So werden sogar auf der IFA in Berlin Digital Lifestyle-Attribute gezeigt, wie man sie bisher nur aus Apotheken kannte. Beispielsweise sind Pulsmesser (von Medisana) jetzt auch für Gesunde begehrenswert, weil sie neuerdings als Armbanduhren ohne Brustgurt auskommen und mit dem Smartphone gekoppelt sind, das ihnen erzählt, ob sie noch ein bisschen mehr laufen sollten. Eine „Machine-to-Machine“-Kommunikation des Digital Lifestyle, wie sie eskalationsartig zunehmen und Fernseher bei den kommenden IFAs weitgehend aus dem Bild verdrängen werden. Bayer: „2020 werden 50 Milliarden Geräte miteinander kommunizieren, neun Milliarden davon über Menschen, also beispielsweise Smartphones.“
Maschinen als Ratschkatteln des 21. Jahrhunderts? Damit man dennoch anonym sein und übers Smartphone fernsehen kann, ohne dass je einer nachverfolgen wird, was man geschaut oder gesucht hat, empfiehlt sich ein kleiner Stick, etwa von elgato oder einem anderen Anbieter, der das TV-Signal von DVB-T über eine Mini-Antenne empfängt. Mit überraschend guter Bildqualität, ruckelfrei, während beim Public Viewing die Internet abhängigen Smart Phone-Gucker mit extrem schwacher Übertragungs-Ausbeute kämpfen und vielleicht die spannendsten Szenen verpassen. Smart sein hat viele Facetten, extra smart noch mehr…
2013-08-30, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
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