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Mythos Übergewicht

Buchbesprechung
von Susanne Hagedorn

Vor zwei Jahren hatte ich bereits ein Buch des Hirnforschers, Professor Achim Peters aus Lübeck hier vorgestellt, und zwar „Das egoistische Gehirn“. Es wurde ein Bestseller. Anfang 2013 hat der Autor nun ein neues Buch zum Dauerbrenner-Thema Überwicht veröffentlicht.
Schon damals hatte Peters mit seinen Thesen nicht nur mein bisheriges Wissen über die Thematik Übergewicht ziemlich durcheinander gewirbelt, doch schließlich konnte ich mich mit seinen Thesen anfreunden.

Mit seinem neuen Buch fällt mir dies allerdings etwas schwerer, obwohl ich die Ansätze durchaus nachvollziehen kann. Im seinem ersten Buch ging es um die Arbeit des Gehirns und warum es in der Lage ist, anderen Organen die Energie zu nehmen, so dass dies im Ergebnis dann wieder zu Übergewicht führt. In seinem aktuellen Buch werden die beiden dort bereits erwähnten Stress-Typen nun intensiver vorgestellt sowie beschrieben, warum ein Mensch, der zum Übergewicht neigt, "eigentlich" glücklich sein müsste.

Zusammengefasst: Der "Stress-Typ A" verfügt über einen ständig erhöhten Stress-Hormonspiegel. Dieser Typus bleibt lange Zeit schlank und entwickelt dann später einen „Stressbauch“, durch das im Bauch eingelagerte Fett, das so genannte Viszeralfett. Dieser Typ wird durch einen erhöhten Kortisolspiegel krank. Es handelt sich um Menschen, die lange Zweit rank und schlank durchs Leben gehen, aber später dann unter anderem, aber nicht selten an einem Herzinfarkt sterben.

Der "Stress-Typ B" hingegen ist in der Lage, chronischen Stress zu unterdrücken. Er muss sich dafür allerdings mit vermehrtem Fettgewebe abfinden. Dieser Mensch wird einfach dick. Bei diesem Typ liegt es nicht an zu vielen Kalorien, er braucht einfach mehr Energie, um mit dem Stress  zurecht zu kommen. So weit, so gut. Das funktioniert jedoch nur so lange, wie ausreichend Nahrung vorhanden ist. Kommt es zu „Notzeiten“ – und dazu gehört auch eine kalorienreduzierte Diät (!), dann wird auch der „Übergewichtige“ krank.

Und wie ergeht es Menschen, die sich der radikalsten Maßnahme, nämlich einer Operation zur Gewichtsreduzierung (Adipositaschirurgie) unterziehen?

Diese Menschen sind nach der OP in einer ständigen Notsituation. Können sie in Folge dessen dann nicht mehr gut mit Stress umgehen? Nach Professor Peters ist das Stresssystem bei diesen Menschen tatsächlich dauernd überlastet und, Zitat „…lässt operierte Menschen immer häufiger zu illegalen Drogen und Alkohol greifen und fördert die Entstehung einer schweren Depression; in der Ausweglosigkeit wächst das Risiko, durch Selbsttötung ums Leben zu kommen…“. Dieses Urteil wirkt auf den Leser zweifelsohne drastisch.

Ich habe allerdings einige Menschen kennengelernt, die sich solch einer Operation unterzogen hatten. Mein Eindruck bis zum Lesen des Buches war folgender: Diese Menschen hatten sich in Bezug auf ihr ganz persönliches Selbstwertgefühl zum Positiven hin verändert. Sie hatten deutlich sichtbar mehr Freude am Leben, weil sie durch den Gewichtsverlust viel beweglicher wurden.
Wie es sich das Ganze dann weiterentwickeln wird, das muss sich dann zeigen.

Doch wie wirkt es auf mich und andere Ernährungsfachleute, wenn es auf dem Buchumschlag heißt: „Alle Diäten sind gefährlich, weil sie die Energieversorgung unseres Gehirns gefährden.“ Mache ich mich mit meiner Arbeit gar der Körperverletzung schuldig?
Oder ist Übergewicht im Gegenteil ein Freifahrtschein zum Essen, wenn es heißt:“ Niemand ist an seinem Dicksein schuld“ oder „Übergewicht gibt es nicht, weil jeder Mensch andere Energiebedürfnisse hat.“?

Letztendlich sind diese neuen Thesen für mich dennoch ein großer und wichtiger Baustein in der modernen Ernährungsberatung. Aber für mich haben Menschen, die mit ihrer Figur unzufrieden sind, auch Stress. Sei es durch die Umwelt oder das eigene Körperempfinden, unter dem sie dauerhaft leiden.

Aus diesem Grund fragen Ernährungsfachleute auch immer nach Stressfaktoren und wie die Ratsuchenden mit diesem Stress umgehen. Viele Menschen haben sich noch einmal darüber Gedanken gemacht, dass sie unter Stress stehen und in welchem Zusammenhang dieser Stress mit ihrem Körpergefühl mit oder ohne Übergewicht steht.

Mein ganz persönliches Fazit aus jahrzehntelanger Berufserfahrung und der Lektüre dieses Buches: Wir kommen nicht umhin, ein gutes Gespür dafür entwickeln, wo der Stress für uns beginnt und wo dieser endet bzw. enden sollte, damit nicht unser ganzes Leben inklusive unser Körper durch Stress in Beschlag genommen wird. Vor diesem Hintergrund kann das Fazit auch hier wieder nur lauten: Lesenswert.

Buch-Werbung + Infos:
"Mythos Übergewicht" von Achim Peters
Erschienen im Februar 2013 bei C. Bertelsmann
ISBN: 978-3-570-10149-0


2013-10-07, Susanne Hagedorn
Text: © Susanne Hagedorn
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