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Spring Summer 2015 II - Mailand und Paris

In Europa entfaltet sich das Farbspektrum

von Angelika Petrich-Hornetz

Spring Summer 2015 Regelmäßig im September versüßen die Modewochen in New York, London, Mailand und Paris Sonnenanbetern den langsam verblassenden Sommer, weil sie einen verheißungsvollen Ausblick auf die nächste Saison geben. Bei den Schauen in Mailand und Paris konnte dem Betrachter schwindelig werden. Zwar waren auch hier die üblichen Farben zu sehen, aber der Rest bediente sich am ganzen Spektrum.

Mailand. Wie schon zuvor in New York und London, fingen auch in Mailand die Schauen in Schwarz und/oder Weiß, Licht und Schatten an. Sehr viel Dunkles, sehr viel Helles und kaum etwas dazwischen, so dass zunächst ein eher farbloser bis düsterer Eindruck entstand. Stella Jean fiel als eine der Ersten wohltuend aus der Reihe, - der schon so viel gesehenen, reduzierten Farbepalette: Beige, Weiß, viel Schwarz, Blaues, Fleischfarbenes, Rotbraun (u.a. Gucci) - als sportlicher und romantischer, knallbunter Surfermix = Sommer.

Auch Dsquared2 präsentierte sportlich-optimistisch und knallbunt und - schöner Gegensatz zu den sportlichen Oberteilen: rüschige Röcke wie gefüllte Blüttenkelche. Max Mara hatte tolle Fischerhüte. In Mailand war ähnlich wie in London viel Transparentes, Blumiges, Spitzen, Fransen, Schwarz-Weiß-Muster, lässig geschnittene Hosen, Kleider, Röcke, Mäntel, (überlange) Westen, weite Sommermäntel und -jacken, 70er und viel Flatterhaftes zu sehen: Weit, bequem und häufig schlicht und elegant, in kräftigen Farben die Togen von Angelos Bratis - oder mehr 70er-Jahre-Inspiration, rüschig und blumig in zarten Pastelltönen, minikurz oder bodenlang, bei Alberta Feretti. Alle Blautöne bei Emporio Armani, er zeigte flaches Schuhwerk für die junge Generation und das kleine Blaue dürfte jetzt endgültig als das neue kleine Schwarze durchgehen.
Die Karos von No 21 waren bislang die schönsten und sichtbar mit Spitze kombinierbar. Marco de Vincenzo verstand es sehr gut, den Schwarz-Weiß-Trend mit Pastellfarben und/oder mit irisierenden Farben und in eleganten, frühlingshaften Schnitten zu brechen, ohne ihn ganz zu verlassen. Bottega Venetta hatte das schönste Grau von allen. Missioni indes ließ Schwarz ganz links liegen: farbig, sommerlich, künstlerische Eleganz in zarten und leuchtenden Farben.
Und dann noch: Sneakers, Römersandalen und Sandaletten, blaue bei Emporio Armani, in klasssichem Schwarz bei Costume National
CNC hatte wunderschöne Schnitte - in Schwarz, Braun und Lila... . Moschino setzte unter dem Motto "Think Pink" den krassen Gegenpol mit stringendem Barbie-Puppen-Style in Rosa, Gold und Bonbonfarben, aber neu war daran nichts. Gorgio Armani zeigte eine Kollektion in zurückhaltendem, in klassischem sowie zum Teil glänzendem oder irisierendem Sand, Beige, Grau, Braun, Weiß, Schwarz und erfand das krampfader-freundliche Minikleid: leichte Hosen, ganz- oder dreiviertel-lang, aus transparenten Stoffen, die die Beine der sicher dankbaren Kundinnen blickdicht umspielen. Die Glitterperücke mit Walletoga am Ende der Schau, in Nude, inklusive Lippen vorgetragen, fiel dagegen nicht mehr ganz so demografiefest aus.

Auch in Mailand gab es viele gedeckte, wahlweise zurückhaltenden Farben und die harten Schwarz-Weiß-Kontraste, manches wieder ein wenig zu bierernst, auffallend viel Leder, die eigene Haut blieb auch bei vielen Designern in Mailand eher bedeckt und die Geschichtshaut blass. Doch es war eben auch sehr viel Farbe dabei, Verspieltes und Experimentelles zu sehen, dass alles wieder wettmachte. Es gab sensationelle Schnitte, deutliche Hingucker und faszinierende Details für nächste Jahr. Da man New York bis auf ein paar Ausnahmen im nächsten Sommer vergessen kann: Wer trotzdem amerikanisch angehauchtes Design sucht, sollte sich deshalb lieber Sportmax und Philipp Plein zulegen, Mailand konnte sogar das besser. Bis auf ein paar Enttäuschungen, alles in allem: toll! Der Sommer kann kommen. Wie will Paris das jetzt noch übertrumpfen?

Paris. Selbst in der Stadt der Liebe regiert in den ersten Schauen das bereits bekannte Schwarz, Weiß und Blau und damit ein für einige Geschmäcker zu herbstlicherer Einschlag. Die Oberteile, zumindest, sind häufig weit und hochgeschlossen. Allerdings zeichnete sich untenherum deutlich mehr Beinfreiheit ab, die demografiefesten Minis auch hier und dort zu finden. Trotz aller deulichen Weite, Hochgeschlossen- und Einfarbigkeitheit bei Christophe Lemaire, schafft es dieser einmal mehr, seine Stücke trotzdem verführersich aussehen zu lassen. Wie macht der das nur?
Bei Guy Laroche war die Frau dann wieder Parisienne, sexy auch die obere Körperhälfte, aber die Farben blieben weitestgehend beim Üblichen, ein bisschen Orangerot und etwas Gelb hier und da und - wie in diesem September schon so viel gesehen - Rotbraun und Bordeaux. In Paris war Dries van Noten einer der Ersten, die sich angenehm von dem anfänglichen Farbeneinerlei absetzten bzw. mit diesem spielten. Vielleicht war es das Moos unter den Füßen, dass ausgerechnet die breiten Clogs-Sandalen so einen schlanken Fuß machten. Kenzo kreiierte form- und farbschöne ergonomische Laufsohlen in elegante, spitze Pantoletten mit mäßig hohem Absatz mit und ohne Fesselriemen um.

So oder so hatten so gut wie alle in Paris sehr elegante Schnitte und Formen, außerdem einige interessante Muster, so auch Sharon Wauchob, Nina Ricci, Roland Mouret, Guy Laroche, Ann Demeulenmesters eleganter Punk, Mugler, Veronique Leroy und Stella McCartney, Iris van Herpen, bei Issey Miyake neben schönen, weiten Jacken-Schnitten fantastisch strukturierte Stoffe, aber man wich selten von der bekannten Farbgebung ab. Äußerst rar machte sich Grün: Roland Mouret, Cèdric Charlier und Christian Wijnants wagten sich dennoch an das grüne Kleid, an ebensolche Schuhe, Jacken, Mäntel, Hosen, Oberteile und (todschicke!) Regenhüte, eine mit Frühling und Sommer assozierte Farbe, die für SS15 sonst selten zu sehen war, und siehe: Sobald die Designer Farbe bekannten, wirkten ihre Kreationen wie die vollendete Perfektion auf dem Catwalk. Bei John Galiano blieb vom Frühlings-Grün allerdings lediglich der Eindruck einer Tarnfarbe hängen. Viviane Westwood ließ sich sowieso keinem Farbdiktat unterwerfen und sprühte in Frühlingslaune, genauso Chanel, zwei Modehäuser vollkommen außer Konkurrenz. Übrigens beide mit klaren Statements, bei Chanel lautete eines: "Make Fashion Not war"

Giambattista Valli war der einzige Mensch in Paris, der wirklich gut mit Weiß umgehen konnte, eine schöne Kollektion, die alle Facetten von und Kombinationen mit Weiß zeigte. Zwei eher langweilige Hosenanzüge fielen deshalb sogar unangenehm auf, andere wären wahrscheinlich froh, wenn sie wenigstens die bei sich auf dem Laufsteg gehabt hätten. Tsumori Chisato überraschte mit einer faszinierenden Farb-Olympiade und ebenso neuen wie fantasievollen Schnitten, die von Models mit ausdrucksvollen Augen vorgestellt wurden - und hier waren sie schon wieder, diese Hüte, die das ganze Spiel auch noch Regen- oder UV-Licht-fest gestalten - eine zukunftsweisende Kollektion.

Der Trend Komplett-Weiß (oder Komplett-Schwarz, - Grau, -Blau etc.) war auch in Paris häufig zu sehen, zumindest für Mediziner dürfte das keine Option für die Freizeit sein: Bei so viel Einfarbigkeit erinnert das neue geschminkte Ungeschminkt zweifelsohne bisweilen zu sehr an Patienten- und Siechtum oder an die von Überstunden geplagten Kollegen. So hatte Dior auch das passende Krankenhausnachthemd dazu. In ganz schwarzem Outfit und in anderer dunklerer Einfarbigkeit wirkte indes so manches Model exakt so alt, wie es wahrscheinlich wirklich ist - und das Ganze zusammen wie zu kleine Mädchen in zu ernsten, alten Roben. Das andere Extrem waren auffallend viele große Streifen in alle Richtungen und seltsamen Mustern in Knallfarben mit und ohne Schwarz oder Weiß, die einige Stücke wie Verkehrsschilder aussehen ließen, die vor irgendetwas warnen wollten.

Aber auch Einfarbiges kann (viel ver-) sprechen oder auch nicht, in Mailand war das der Fall, in Paris eher gemischt, manches ging auch in nur einer Farbe auf, manches war einfach nichtssagend, ähnlich wie in New York. Was einige bereits andeuteten, spitzte Vandervorst zu, es fehlten eigentlich nur noch ein paar Helme und Waffen. Ein paar sehr anvangardistische Schauen in Paris dürften "Ready to Wear" in Frage stellen, aber das ist Paris. Trotz aller Ähnlichkeit, New York deutlich angepasster, positiver wars in Paris aber nicht immer, großartige Ausnahmen gabs allerdings sehr viele, nichts zuletzt riss Jean-Paul Gaultier mit seinem fulminanten Rückschau-Karneval so einiges wieder heraus, aber man wird künftig auf ihn verzichten müssen. Gaultier verabschiedete sich vom Prêt-à-porter-Laufsteg u.a. mit einer Supergirl-Einlage und stellte gewitzt einige Größen des Modejournalismus, inklusive Suzy Menkes, in Szene. Ganz nebenbei zeigte er in vielen Stücken der/m ein oder anderen, wie Frühling/Sommer geht. Der Haute Couture bleibt er zum Glück erhalten.

Warten wir es ab: Die Branche hat oft ein gutes Gespür für kommende Entwicklungen: Wird der nächtste Frühling-Sommer wirklich so düster, wie so manches bodenlanges, alles verhüllende Kleid oder eine eher an eine Kampfausrüstung erinnernde Kreation in New York und Paris es vielleicht ahnen könnte? Oder wird es doch wieder einer dieser widersprüchlichen, nämlich gleichzeitig so komplizierten wie schönen Sommer, wie Mailand und London es suggerierten, die uns viel besser gefielen? Bei so vielen Krisen und Katastrophen: Wer sehnte sich angesichts derer auch nicht nach einem Sommer in Missioni?


2014-10-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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