von Birgid Hanke
Nur ganz schnell noch ein bisschen Luft schnappen, ehe es los geht. Es ist kurz vor acht Uhr Abend, Mitte Mai, demnach draußen taghell. Die wenigen Zuschauerplätze der Nanobühne sind noch unbesetzt.
Marija Nikolajevna Travina wird unruhig.
„Wo bleiben die Zuschauer?“
Sie weiß nicht: mit der Pünktlichkeit ist das im Bremer Viertel so eine Sache. Zudem ist das Freizeit-und Kulturangebot in diesem quirlig bunten Stadtteil überdurchschnittlich groß. Die heutige Veranstaltung ist ein Experiment. Kann auch sein, dass niemand kommt.
So ganz genau wusste das „Theaterstudio Russische Schauspielkunst“ nicht, worauf es sich einließ, als seine Mitglieder spontan einwilligten, auf der winzigen „Nanobühne Viertelfeld“ zu spielen. Auch erst nach gründlicher Inspektion der Räumlichkeiten und lebhafter Debatte sagte die Gruppe richtig zu.
„Zuschauer sind wie Kollophonium für die Geige“, sagt Marija Nikolajevna Travina, räuspert sich und streicht über sachte über die Kehle, ehe sie die gewundene Treppe hinunter in den Keller schreitet. Sie scheint schon in ihre Rolle geschlüpft.
In den folgenden siebzig Minuten ist sie Antagonistin der „Begleiterin“, eine kapriziöse Diva, die es in Sekundenschnelle versteht, die blutjunge Sonjechka als ihre Klavierbegleiterin zu gewinnen, zu faszinieren; zunächst zu betören und dann zu verstören. Bis aus deren jugendlicher Anbetung der blanke Hass erwächst.
Nur drei Darsteller verkörpern sechs Charaktere mit einer solchen Intensität, dass man den Gestank eines „kotverschmutzten Treppenhauses“ im nachrevolutiönären Russland der frühen zwanziger Jahre zu riechen vermeint. Um so überraschender das luxuriöse Ambiente der Wohnung, in der eine „graublaue Katze“ der Diva Gesellschaft leistet. Hat sie nicht gerade beim Eintritt der fremden Besucherin gefaucht? Sonjechka wiederum bestaunt einen Hyazinthenstrauß. Frische Blumen im winterlichen Petrograd unmittelbar nach der Revolution?
Es handele sich um eine „szenische Lesung“, auf keinen Fall um eine Aufführung, hatte der Regisseur des Stücks bei Begrüßung der Gäste ausdrücklich betont.
Aber sollte Theater nicht genau so sein?
Nicht viele Zuschauerinnen und Zuschauer haben im Frühsommer den Weg in den Kellerraum der Nanobühne gesucht, aber diese hängen an den Lippen der drei Darsteller. Das Publikum ist gefesselt, vergisst die nur nachlässig mit Chintzstoff verhüllten Heizungsrohre unter der niedrigen Decke genauso wie die unbequemen Sitzhocker und verfolgt gebannt die Entwicklung von Sonjechka, der jungen, naiven, hoch begabten Pianistin, die von der Diva zur „Begleiterin“ funktionalisiert wird und so niemals in die erste Reihe aufrücken kann.
Es ist nicht nur die Geschichte der ewigen „Zweiten“, die erzählt wird. Der dem Stück zugrunde liegende Roman von Nina Berberova beschreibt die Lebenswege verschiedener Frauen und Männer, die das Schicksal während und nach der russischen Revolution von 1918 bis zur Emigration nach Paris und schließlich in die USA zusammen führte und zu Beginn der zwanziger Jahre wieder trennte.
Diesem, 1935 im Pariser Exil geschriebenen Werk, liegen eigene Erlebnisse der 1901 im damaligen Petersburg geborenen und erst 1993 in Philadelphia verstorbenen Autorin zugrunde. Das schmale Bändchen ist vor über 20 Jahren auch in deutscher Sprache erschienen und noch antiquarisch erhältlich.
Regisseur Dmitri Siniavski hat daraus ein vielschichtiges Stück von bestürzender Aktualität und beklemmender Dichte entwickelt. Alle Themen werden angesprochen: Liebe, Betrug, Leidenschaft, Untreue und Tod. Es wird gelebt, geliebt, intrigiert, betrogen und gestorben und die eine ewige Frage gestellt:
„Wo ist Gott?“ schreit Sonjechka verzweifelt.
Und bei jeder Vorstellung zuckte das Publikum zusammen.
Die Premieren der „Begleiterin“ fanden bereits während der Osterfeiertage 2015 auf der Theaterbühne der Bremer Universität statt. Einmal in russischer Sprache, einmal auf Deutsch.
Aber die Spielfreude des Ensembles ist so groß, dass es das Experiment „Nanobühne“ wagte und sich auf einen Bruchteil der gewohnten Spielfläche einließ und sogar - nicht ohne Bedauern - auf den Effekt eines raffinierten Schattenspiels verzichtete.
Auf keinen Fall verzichten wollte man auf die richtige Beleuchtung. In Windeseile waren zwei schwere Bühnenscheinwerfer aufgebaut. Kurzerhand wird das unerwünschte Tageslicht mit einer dunkelgrünen Plane über dem großen Schaufenster ausgesperrt. Nun kann Arkadij Jolondz, der „Meister des Lichts“, erst richtig seines Amtes walten. Neben ihm fungiert der „Tonmeister“ Leonid Uschpol mit seinem Notebook, das an einen großen Lautsprecher angeschlossen wurde. Ein tiefer Gong verkündet den Beginn der Vorstellung.
Es ist eine gut eingespielte, schon verschworen wirkende Truppe, die an zwei Abenden das Publikum nicht nur überzeugte, sondern begeisterte.
Auch den temperamentvollen älteren Herrn, selbst erfahrener, altgedienter Regisseur ungezählter Filme, Opern und Fernsehspiele. Ungestüm reißt er nach der Vorstellung „Sonjechka“ an sich und küsst die verdutzte Schauspielerin herzhaft auf beide Wangen.
„Du warst großartig!!!“ ruft er begeistert. „Von euch könnten sich so mancher Berufsschauspieler eine Scheibe abschneiden. Eine hochprofessionelle Leistung! Wirklich!“
Ekaterina Bortin freut sich über das Kompliment.
„Wo haben Sie ihre schauspielerische Ausbildung gemacht?“
„Nirgends, ich habe gar keine!“
„Aber dann haben Sie doch irgendeinen künstlerischen Beruf!“ beharrt die Fragestellerin.
„Ich bin Speditionskauffrau!“
Die weißhaarige alte Dame ist fast schockiert. Sie will es nicht glauben.
Der Regisseur Dmitri Siniavski ist promovierter Maschinenbauingenieur. Die beiden Darsteller (Anton Sukharev und Mihail Tschetschelnitskij), die sich in den Männerrollen abwechselten, sind Informatiker. Allein die Diva hat in Moskau Gesang studiert, „aber immer nur als Hobby und niemals aus Beruf gedacht“ betont sie. Im Stück „Die Begleiterin“ wird ihr mehrmals Gelegenheit geboten, ihre Gesangskunst unter Beweis zu stellen, um so die Faszination, die sie als Künstlerin auf die junge Pianistin ausübt, zu verdeutlichen. Marianna Moskovskaja zeichnet sich auch für die gesamte musikalische Gestaltung dieser Inszenierung verantwortlich. Im wirklichen Leben ist sie Chemie-Ingenieurin. Elektroingenieur und Perfektionist ist Arkadji Jolondz, dessen Können inzwischen auch gerne von professionellen Bühnen und anderen Künstlern in Anspruch genommen wird.
Acht Menschen, vorwiegend aus technischen Berufen stammend, erbringen eine professionelle Leistung auf hohem künstlerischem Niveau. Einzig Lidia Holler, veranwortlich für die Klavierbegleitung während des Stücks, ist auch im wahren Leben Musiklehrerin. Besonders beeindruckend, dass die Darsteller es im Falle der „Begleiterin“ in einer ihnen fremden Sprache tun. So ist nicht zu überhören, dass manche Formulierung oder ungewohnter Zungenschlag sich mühsam abgerungen werden muss. Aber gerade diese kleinen Fehler oder Versprecher wirken so authentisch.
Auf der Bühne der Bremer Universität kann „Sonjechka“ tanzen, im Kreise herumwirbeln, mit Notenblättern um sich werfen und diese hektisch wieder vom Boden aufklauben. So klagt deren Darstellerin denn auch ein wenig über die Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit in dem winzigen Kellertheater.
„Aber gerade diese Enge verstärkt doch die Intensität eurer Darstellung.“
Ihr Blick bleibt skeptisch. Was das Publikum überzeugt, entspricht noch lange nicht dem Perfektionsanspruch des „Theaterstudio Russiche Schauspielkunst“.
Dabei will man nicht anderes sein und bleiben als ein Amateurtheater.
Seine Mitglieder kommen aus Russland, der Ukraine, Moldawien, Lettland und Usbekistan oder anderen Ländern der einstigen Sowjetunion. Was sie gemein haben, ist der Verlust der Heimat und in einem fremden Land mit einer ihnen fremden Sprache leben zu müssen. Was sie eint ist die tiefe Liebe zum Theater, zur russischen Sprache und Literatur. Was sie trennen könnte, bleibt außen vor. So sind politische Themen, mögen sie noch so brennend und aktuell immer bedrohlicher werdend, im Rahmen ihrer Treffen absolut tabu.
Und sie sind überzeugte, bis leidenschaftliche Anhänger des legendären Konstantin Sergejewitsch Stansislawski.
„Wo holst du das nur her, diese Kraft, diese Präsenz und das innerhalb von Sekunden?“
Die studierte Historikerin und jetzige Speditionskauffrau zuckt nur mit den Achseln. Sie hat keine Antwort.
„Der bekannteste Begriff aus Stanislawskis Theatertheorie ist das „Als ob“ oder, in einer anderen Übersetzung, das „Was wäre, wenn“: Der Schauspieler solle parallel dazu Situationen aus dem eigenen Erleben finden, um das nicht Erlebte glaubwürdig zu verkörpern.“
Nachzufragen, ob ihre überzeugende schauspielerische Leistung genau aus diesen Erfahrungen des eigenen Lebens resultiert, verbietet die Diskretion. Dass sie der Quell sind, aus dem sie schöpft, lässt sich erahnen.
Die Lehre von Stanislawski ist nicht unumstritten. Der bekannteste Schüler ist Lee Strasberg, der in den USA daraus das bekannte „Method Acting“ entwickelte. Endlos die Liste der von ihm ausgebildeten, später berühmten Schauspieler: von Marilyn Monroe, Al Pacino über Dustin Hoffmann, Steve McQueen bis Marlon Brando. Jeder deutsche Schauspieler, der was auf sich hält, muss einmal in New York an der Lee Strasberg Schule einen Kurs gemacht haben. Franka Potente, Oscar-Preisträger Christoph Waltz und wie sie alle heißen, pilgern heutzutage nach New York oder Los Angeles, wo Anna Strasberg, dritte Frau und Witwe des 1982 verstorbenen Lee noch lehrt.
„Die Kratz dich am Arsch“-Methode nannte Humphrey Bogart hingegen diese Schauspiellehre. Genauso wenig einen Hehl aus seiner Einschätzung macht der deutsche Regisseur und ehemalige Schauspieler Hark Bohm.
„Lern deinen Text, sei pünktlich am Set, hör zu und fall' nicht ins Mobiliar“, zitiert er einen amerikanischen Schauspieler in einer aktuellen Fernsehdokumentation über Rainer Werner Fassbinder. „Don't bomb the furniture“, setzt er nach und amüsiert sich köstlich. „Genauso funktioniert es doch, habe ich es als Schauspieler immer gehalten. Was soll diese ganze Stanislawskischeiße?“ Zumindest mit dem Alphatier Fassbinder sei er auf diese Weise bestens klar gekommen.
Wenn das die Mitglieder des „Theaterstudio Russische Schauspielkunst“ gehört hätten oder gar ihr Begründer Semjon Barkan?
Familiäre Gründe waren es, die den damals schon 78 jährigen Theatermann aus Moskau nach Bremen verschlugen. Er fand Anschluss an die Bremer Universität, insbesondere an das Institut der „Forschungsstelle Osteuropa“. So hielt er im Sommersemester 1995 ein Seminar über „Russische Schauspielkunst, zur Geschichte des Russischen Theaters“.
Diese Veranstaltung stellt den Ursprung des heutigen „Theaterstudios Russische Schauspielkunst“ dar. Dessen Mitglieder kamen und gingen oder blieben. So sind zahlreiche Gründungsmitglieder seit zwanzig Jahren dabei. Die gegenwärtigen Mitglieder sind zwischen 20 und 75 Jahre alt.
Ausgangsbasis, also Heimat, ist nach wie vor der Theatersaal der Bremer Uni, wo geprobt und gespielt wird, wo auch von Zeit zu Zeit Seminare für Studierende angeboten werden. Junge Slavistikwissenschaftler haben so die Möglichkeit, sich auch einmal in der von ihnen studierten Sprache auszuprobieren und auf einer Bühne zu agieren.
Siebzehn Inszenierungen hatten inzwischen Premiere im Theatersaal der Bremer Universität. Ja, ein paar Mal hat man sogar außerhalb Bremens gastiert. Die Liste der Aufführungen ist beachtlich, enthält Stücke wie Vampilows „Entenjagd“ oder Tennessee Williams „Glasmenagerie“, dem Klassiker für „method actings“ (Marlon Brando im Muscle-shirt) bis zu Ausschnitten der klassischen russichen Dramaturgie. Das Experiment, auch in deutscher Sprache zu spielen, wurde mit der „Begleiterin“ zum zweiten Mal gewagt.
Inzwischen gibt es auch ein Kindertheater. Ab dem Alter von 4 bis 12 Jahre agieren hier die jungen Akteure. Zur Zeit wird eifrig an „Das Katzenhaus“ von S.Marschak geprobt, das im Dezember 2015 Premiere haben soll.
Vor fünf Jahren starb der Gründer Semjon Barkan. Das Tandem Siniavski/Bortin hat sich der Aufgabe gestellt, die Gruppe in seinem Sinne fortzuführen, selbstredend weiterhin der Lehre von Konstantin Stanislavski entsprechend.
„Wir sind ein Kollektiv. Bei uns wird stundenlang diskutiert, ja, richtig gestritten. Wir sind oft völlig gegensätzlicher Auffassung und bewegen uns ganz weit voneinander fort. Wir streiten so lange, bis wir uns einig sind.“
Das braucht natürlich seine Zeit. Viermal in der Woche probt das „Theaterstudio Russische Schauspielkunst“. Natürlich können nicht alle immer jedes Mal dabei sein. Die Proben erfolgen umschichtig, oft privat, sonst im Theatersaal der Bremer Uni unter den kritischen Augen von Semjon Barkan, dessen großes Portrait an der Wand hängt.
Was war Barkan denn für ein Mensch?
„Er war ein Diktator! Ein Führer!“ Arkadij Jolondz erschrickt selbst über seinen spontanen Ausruf.
„He was a leader“, mildert der, sich eben erst als Neffe zu erkennen gebende „Meister des Lichts“ auf englisch die Charakterisierung seines Onkels rasch ab.
„Er hatte Charisma, er konnte überzeugen und mitreißen!“, versichert „Sonjechka“.
Viele haben ihn persönlich gekannt, die Erinnerung ist noch sehr lebendig.
In Polozk, einer winzigen Kleinstadt im damaligen Weißrussland wurde Semjon Barkan am 14. April 1916 geboren. Er ist das jüngste von vier Kindern. Die ersten Jahre seiner Kindheit verbringt er mit seiner Familie in Petersburg, wohin es diese mit der Oktoberrevolution verschlug, Semjon leidet so stark unter Asthma, dass, in der Hoffnung auf Heilung im warmen Mittelmeerklima, die gesamte Familie nach Palästina auswandert. Dem Vater macht ein unheilbares Heimweh zu schaffen. Die Mutter erkrankt an Malaria. Zwei Gründe, nach nur einem Jahr aus dem gerade gegründeten Tel Aviv zurück ins kalte Petrograd, das mittlerweile Leningrad hieß, zu kehren. Semjon Barkan macht dort seinen Schulabschluss und arbeitet als Erzieher. Wegen seines chronischen Asthmas lebt und arbeitet er zeitweilig auch als Bibliothekar auf der Krim.
Aber seit seinem elften Lebensjahr habe er nach dem Besuch eines Kindertheaters von der Bühne geträumt. So zumindest erzählte Semjon Barkan als 90jähriger dem Journalisten Holger Biermann, der das Glück hatte, sich einen Tag an seine Fersen heften zu können, um diesen quicklebendigen alten Herrn zu porträtieren.
Bei seiner Bewerbung an der Moskauer Theaterakademie verschweigt Semjon seine jüdische Herkunft. Er studiert bei Alexej Popov, einem der damals bekanntesten Regisseure, Theaterpädagoge und Schüler von Stanislavski. Aber dann unterbricht der Überfall der Deutschen Wehrmacht diesen eingeschlagenen Weg. Sein Asthma bewahrt ihn vor dem normalen Kriegseinsatz. Er wird nach Krasnojarsk in Sibirien verschickt. Dort beginnt Barkan, obwohl er keinen Abschluss hat, als Regisseur zu arbeiten, während seine Familie in Leningrad unter der Kriegsblockade leidet. Zwei Brüder verhungern. Der Vater verstarb später an den Folgen, während Mutter und Schwester die Blockade überlebten.
Nach seiner Rückkehr 1944 beendet Barkan sein Studium in Moskau und tritt sogar eine Stelle im Theater der Roten Armee an. Aber die Stimmung gegenüber der jüdischen Bevölkerung schlägt in den Nachkriegsjahren der Sowjetunion in bedrohlichen Antisemitismus um. Freunde werden verhaftet, verschwinden über Nacht. Barkan verliert seine Arbeit bei der Armee. Das jüdische Theater muss schließen.
Unterschlupf bietet das Moskauer „Zigeuner-Theater“, denn es „war ein unpolitisches Haus, aber voller Folklore, Gesang und Tanz“, so Barkan im Jahre 2006. Was nur ein Provisorium sein sollte, dauert ein Vierteljahrhundert an. In diese, für ihn ruhige Zeit fallen Heirat und Geburt einer Tochter. Barkan steigt zum Leiter des „Zigeuner-Theaters“ auf und wird 1978 in Moskau zum Professor der Theaterwissenschaften ernannt. Wo er einst studierte, lehrt er nun selbst, verfolgt voller Stolz den Werdegang seiner Zöglinge, von denen manche den Sprung in eine internationale Karriere schaffen. Fruchtbare, erfolgreiche Jahre, an die er sich später gerne erinnert, ganz besonders an seine berufliche Unabhängigkeit. „Ich konnte inszenieren, was ich wollte“, erzählte er 2006. Ob das in heutiger Zeit noch möglich wäre?
In einem Alter, in dem sich andere schon längst zur Ruhe gesetzt haben, wagt er Semjon Barkan nochmals den Aufbruch.
Als jüdischer Zuwanderer kommt er im Alter von 78 Jahren in Begleitung seiner Frau nach Bremen, folgt so seiner Tochter und deren Mann und stürzt sich voller Elan in neue Aufgaben. Er hält nicht nur Vorträge am Osteuropa Institut, sondern gründet die heute noch bestehende Theatergruppe, konsequent nach den Regeln des von ihm verehrten Meisters Konstantin Sergejwitsch Stanislkawski geführt.
„Ohne diese Arbeit wäre ich schon längst gestorben“, gestand er 2006 dem Journalisten von der Jüdischen Allgemeinen Zeitung. Vier Jahre später starb er im Alter von 94 Jahren. Zu seinem Begräbnis reisten etliche ehemalige Schüler aus Moskau an. „Repräsentant einer anderen Welt“ nannte die Bremer TAZ ihn im Oktober 2010 in ihrem Nachruf. Semjon Arkadjewitsch Barkan liegt in Bremen auf dem Riensberger Friedhof begraben.
Im April 2016 jährt sich sein Geburtstag zum hundertsten Male. Das „Theaterstudio Russische Schaupspielkunst“ plant zu diesem Anlass ein Theaterfestival im Sinne des internationalen Kulturaustausches. Drei Moskauer Theater, die von Barkan’s Schüler geleitet werden, haben bereits zugesagt.
Auf die weitere Entwicklung darf man gespannt sein. Gerade in der heutigen Zeit!
Kontakt:
Nanobühne Viertelfeld
Feldstraße, in Bremen
und über Birgid Hanke, s.u.
2015-07-01, Birgid Hanke, Wirtschaftswetter
Text: ©Birgid Hanke
Fotos: ©Birgid Hanke
Foto-Banner: ©aph
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