von Angelika Petrich-Hornetz
Pyrrolizidinalalkaloide heißen die Alkaloide, die langsam auch Humanmedizinern und Lebensmittelexperten Kopfzerbrechen bereiten, weil sie inzwischen überall dort auftauchen wo sie bestimmt nicht hingehören. Geschätzte drei Prozent aller Blütenpflanzen enthalten die Alkaloide, die der Pflanze zur Abwehr von Fressfeinden dienen. Auch viele Insektenarten fressen Kreuzkraut, um sich mit dem Gift der Alkaloide ihrerseits vor Fressfeinden zu schützen. Damit ist die Pflanze so etwas wie systemrelevant, man kann nicht einfach komplett auf sie verzichten, ohne gleich mehrere andere Arten in Gefahr zu bringen. Die bekanntesten Pflanzarten sind die diversen Vertreter des Kreuzkrauts (auch: Greiskraut), zur Familie der Korblütler gehörend, gefolgt von Hülsenfrüchten, Raublattgewächsen und Orchideen. Die Hälfte der bisher bekannten rund 650 Pyrrolizidine-Alkaloide sind giftig für die Leber. Erste Anzeichen einer Erkrankung bei Pferden und Rindern sind u.a. Konditionsverlust und Anorexie.
Eine der bekanntesten Kreuzkraut-Arten als Träger der Alkaloide ist das Jacobskreuzkraut (Senecio Jacobaea)(, das sich innerhalb der acht bis fünf vergangenen Jahre, regional etwas unterschiedlich, in den Bundesländern auf Wiesen, an Straßenrändern und auf Weideflächen massiv ausgebreitet hat. Fressen Tiere das Kraut werden die verstoffwechselten Alkaloide giftig und schädigen die Leber massiv. In der Regel gibt es keine Heilung, die Vergiftung verläuft tödlich. Betroffen sind vor allem Pferde und Rinder gefolgt von Ziegen, Schafen, Schweinen und Geflügel. Während es jedoch früher zu regelmäßigen Wellen von Vergiftungen kam, waren sie in der Gegenwart eigentlich seltener geworden. Besonders betroffen sind aktuell vor allem Pferde. Umstritten ist aber immer noch, ob die jüngsten Fälle wirklich durch die starke Verbreitung von Senecio wieder zunahmen. Immerhin einig ist man sich nach vielen Jahren inzwischen, dass diese Verbreitung überall auftritt - und endlich etwas dagegen getan werden muss.
Denn auch für Menschen wird das Kraut, dessen Blätter Rucola ähnlich inzwischen gefährlich, weil es offenbar in die Nahrungskette geraten ist und Krebs erzeugendes Potenzial besitzt. Selbst eine über einen langen Zeitraum erfolgte Aufnahme lediglich kleiner Mengen der Alkaloide schädigt die Leber nachhaltig und laut zumindest einigen Literaturhinweisen könnte der Wirkstoff auch über die Haut aufgenommen werden. Deshalb sollte man bei der Bekämpfung vorsichtig sein und unbedingt Handschuhe tragen.
. Sowohl in Rucola-Salat als auch in fertigen Salatmischungen und in Kräutertees hat man bereits Jacobskreuzkraut gefunden.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat deshalb seine schon seit fast zehn Jahren geforderte Nulltoleranzgrenze für den Gehalt von Kraut und desssem Alkaloiden in Lebensmitteln erst im Dezember vergangenes Jahr erneuert . Bis eine entsprechende Regelung getroffen sei, so das Institut weiter, sollte man täglich höchstens zwei Tassen Kräutertee trinken - Schwangere, Stillende und Kinder nicht mehr als eine Tasse!) - und ständig die Kräutertee-Sorten wechseln.
Als erwiesen gilt auch, dass es einen Übetrag der Gifte aus dem Nektar der Pflanzen auf Honig in die Nahrungskette gegeben kann. Honig aus Deutschland soll im Gegensatz zu Importware aus Übersee noch relativ gering belastet sein. Auf den Weiden meiden die erwachsenen Tiere indes das Kraut, solange es frisch ist, da es Bitterstoffe enthält. Aber junge Plfanzen, die noch nicht so viele Bitter und -Duftstoffe enthalten, sind zumindest für die ebenfalls unerfahrenen Jungtiere eine echte Gefahr. Genauso gemähtes, getrocknetes Kraut, das nicht mehr bitter ist, ins Heu gerät und von Pferden u.a. Tieren dann nicht mehr erkannt werden kann und gefuttert wird, die Alkaloide sind auch im trockenen Kraut wirksam. Die je nach aufgenommener Menge manchmal sehr schnell, manchmal langsam tödlich verlaufende Lebererkrankung - eine Vergiftung durch die Pyrrolizidinalalkaloide - ist unter dem Namen Seneziose, Leberkoller oder Schweinsberger Krankheit bekannt.
Warum sich das Kreuzkraut so massiv ausbreiten konnte, ist umstritten, die Bodenqualität spielt eine größere Rolle. Neben seiner erfolgreichen Fortplfanzungsstrategie, mangelnder Weidepflege insbesondere auf Pferdeweiden sorgen auch stillgelegte, nicht genutzte und langjährig überweidete Flächen mit unbewachsenen Bodentellen als ideale Standorte für die weitere Ausbreitung des Krauts, dessen Samen offenen Boden zur Auskeimung benötigt. Eine dichte Grasnarbe ist laut NRW-Landwirtschaftskammer daher die beste Prävention.
Die Kreuzkräuter konnten sich durch mehrere Faktoren, darunter mangelnde Bodenpflege massiv ausbreiten. Diese Ausbreitung kann nur noch durch ein ähnlich massives, aktives Eingreifen verlangsamt werden. Stoppen kann man die Pflanzen mit dem heutigem Stand wahrscheinlich nicht mehr, aber die Ausbreitung kann und muss verlangsamt und gemanagt werden - weil sie für Tier und Mensch lebensgefährlich ist.
2016-01-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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