von Angelika Petrich-Hornetz
Im allen Lesern sicher nicht unbekannten Informationsberg von rund tausend mehr oder weniger wichtigen Meldungen am Tag, rutschte uns die folgende Mitteilung beinahe durch die Lappen: Die Stromlieferanten einer kleinen Stadt ließen eine schlichte Umfrage unter ihren Kunden starten, wann Sie am liebsten den Telefonservice des Unternehmens nutzen. Dabei kam heraus, dass „am liebsten abends“ gewünscht sei, nämlich zwischen 18:00 und 20:00 Uhr, gefolgt vom späten Vormittag zwischen 10:00 und 11:00 Uhr. Die Telefon-Zeiten mittags, vor 08:00 und nach 20:00 Uhr interessierten kaum jemanden. Einigermaßen beliebt war dagegen noch zwischen 16:00 und 18:00 Uhr. Interessanterweise gab es keinen Geschlechterunterschied bei den Antworten, sowohl Männer als auch Frauen waren sich einig, zu welchen Uhrzeiten die Stadtwerke genügend Servicepersonal zum Telefonieren bereithalten sollte.
Wer kennt es nicht, das Elend, in der Telefon-Rush-Hour die Servicenummern entweder besetzt vorzufinden oder man hängt in der Dauerwarteschleife fest. Die beliebtesten Telefon-Zeiten deckten sich, keine Überraschung, mit den Haupt-Arbeitszeiten oder Haupt-Aktivitätszeiten der Republik. Die meisten wollten eher selten Punkt acht Uhr morgens oder abends ans Telefeon marschieren, um eine schlichte Auskunft über Stromtarife zu erhalten. Während die 18- bis 34-Jährigen lieber nach 18:00 Uhr bei den Stadtwerken anriefen, griffen die 50- bis 59-Jährigen zwischen 10:00 und 12:00 Uhr zum Hörer, lautete ein weiteres Ergebnis der unspaktakulären Befragung. Doch für das Unternehmen handelt es sich um wertvolle Informationen, die dafür Sorge tragen, den Stau in den Telefonleitungen künftig zu vermeiden und damit die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.
Warum die Umfrage nach ihren längst vergangenen Hochzeiten inzwischen wieder weniger genutzt wird, um Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsprozesse zu optimieren, ist ein Rätsel. Es muss ja nicht immer wie die o.g. gleich eine repräsentative Umfrage sein. Auch ganz gewöhnliche Kunden besuchen sehr wohl die Webseiten der Unternehmen, bei denen sie Kunde sind oder sich zumindest für sie interessieren, so dass die gute, alte Online-Umfrage durchaus ihre Berechtigung hat, um nicht zu sagen, viel zu wenig geschätzt wird. Deren Aussagekraft ist nämlich nicht so begrenzt, wie angenomen, wenn die Fragen richtig gestellt werden. Unternehmen können damit nicht nur dröge, im Sinne von wenig aussagekräftigen Daten sammeln, sondern zielgenauer, viel wichtigere Informationen einholen, die sich für die Umsetzung in neue Produkte und Dienstleistungen eignen. Und solche kleinen Umfragen, wie diese Stadtwerke es praktizieren, führen zu tatsächlichen Verbesserungen für die Kunden - sowie für die durch weniger Beschwerden über die bisherige Unerreichbarkeit weniger gestressten Mitarbeiter.
Auf der anderen Seite werden interessierte Kunden oft überrascht, wenn sie sich dazu aufraffen, Vorschläge in Eigeninitiative zu unterbreiten. Erst ab einer bestimmten Masse, möglichst zu einem „Verein der Freunde“ zusammengeschlossen – man kennt das u.a. bei der Deutschen Bahn – werden sie überhaupt wahr- und vielleicht sogar ernst genommen. Alle anderen, insbosondere im Format Einzelperson erleben nach einer inzwischen wieder vergangenen Welle des kundenfreundlicheren Umgangs die exotischsten Reaktionen, von der Null-Reaktion über einen genervten Dank bis hin zu unwirscher Zurückweisung. Die konstruktive Kritik von außen scheint weder willkommen zu sein oder überhaupt noch gelesen zu werden. Dafür sei kein Personal vorhanden, heißt es, wenn man sich umhört. Erstaunlicherweise ist jedoch ständig genug Personal bzw. Maschine vorhanden, um irgendwelche Daten zu registrieren. So erfährt das Unternehmen über alle möglichen Zugriffe auf seine Webseite mit Uhrzeit- , Ortsangabe womöglich auch das Bewegungsmuster, aber lange noch nicht, was diese Menschen wirklich wollen. Die so gut wie überall herumliegenden, großen Datenmengen zeigen es: Es wird langsam Zeit für eine gezielte Analyse und der alte Grundsatz der Datensparsamkeit der Datenschützer war vielleicht doch nicht so vekehrt. Hätte man ihn bedacht, müsste man sich heute nicht durch so viel Datenmüll zu den interessanteren Informationen wühlen
Informationen in Wort und Schrift , die Kunden von sich aus geben, sind etwas ganz anderes - nicht selten von unschätzbarem Wert. Die wertvollsten kommen von Menschen, die ihre persönlichen Daten ausdrücklich nicht wie Sauerbier anbieten, indem sie auf alles klicken, was bei drei nicht auf den Bäumen ist, sondern die sich mit der Materie auskennen. Viele von diesen unbekannten Experten sind eher zurückhaltend, man will sich nicht aufdrängen und auch nicht belästigt werden. Wagt es dann eine oder einer, sich endlich einmal sachkundig zu äußen, sollte sich die andere Seite freuen: Sie hat eines der seltensten Exemplare erwischt – den kritischen Freund. Man sollte ihn auf gar keinen Fall verprellen, die Fähigsten unter ihnen ersetzen manchmal sogar teure Berater.
Da die kritischen Freunde wissen, dass sie etwas wissen, rücken sie auch nicht immer gleich mit den besten Tipps und Vorschlägen heraus – oder gar nicht. Das Thema Datenschutz wird bei intelligenten Menschen immer groß geschrieben. Wozu sollte man einem Unternehmen wichtige persönliche Daten und Informationen kostenlos liefern, das einen dafür womöglich auch noch anherrscht oder gar nicht reagiert? Solche Art Informations- und Datenweitergabe ist von gestern. Wer echte Informationen haben will, kommt nicht umhin zu kommunizieren. Auch, wer nur ein paar Infos benötigt und nicht gleich ein Institut beauftragen will, das nach wissenschaftlicher Methode vorgeht, muss sich selbst etwas einfallen lassen, wie z.B. die richtigen Fragen zu stellen, um die Sachkundigen überhaupt für eine Teilnahme zu gewinnen und nicht schon wieder nur die lautesten Schreier auf dem Marktplatz, denen es herzlich egal ist, wie dusselig die Fragen formuliert wurden.
Gelungene Kommunikation heißt, dass beide Seiten etwas von ihr haben. Man sollte auf der Suche nach wichtigen Informationen, deshalb gar nicht erst damit anfangen zu geizen. Wer seine Kunden befragen will – und bei Erfolg wichtige Informationen erhält, für die schließlich persönliche Lebenszeit investiert wird, sollte großzügig sein. Warum dies aber inwzischen nicht mehr zum guten Ton gehört, bleibt ein Rätsel - die Gefahr, reines Datensammeln mit Kommunikation zu verwechseln, dürfte dabei eine Rolle spielen. Dass dabei Kommunikation aber nicht nur Maschinen überlassen werden kann, demonstrierte erst kürzlich ein Experiment mit einem Chatbot, der offensichtlich keine sachkundigen Informanten finden konnte.
Man sollte sich fragen: Was würde Befragten Spaß machen für ihre Mühe der Informationserteilung? Wenn der Kontakt erst einmal geknüpft ist, muss ein Ziel die Fortsetzung einer begonnenen Kommunikation sein – und damit wieder eine Chance zum Ideen- und Gedankenaustausch. Wider der Vereinzelung in der digitalen Arbeitswelt, die mit Big Data abgefüllt inzwischen wieder bis zur vervollständigten Betriebsblindheit im Elfenbeinturm ausarten kann, ist die Kommunikation - selbst über digitale Geräte - immer etwas Persönliches. Genau das wird in der Digitalisierung immer wichtiger und nicht weniger, wie so oft und gern falsch vermutet wird. Und es bleibt dabei auch eine Erkenntnis aus den vergangenen Jahrzehnten des Netzwerkens bis auf Weiteres gültig: zuerst geben und dann nehmen – nie umgekehrt.
2016-04-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
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