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Donald Trump im Weißen Haus

(Recurring) Nightmare on Pennsylvania Avenue

Kommentar von Angelika Petrich-Hornetz

Puh. Fast war man schon froh, als es endlich vorbei war. Als eine der schlimmsten Wahlkampf-Schlammschlachten werde der zwischen Hillary Clinton für die Demokraten und Donald Trump für die Republikaner in die Geschichte eingehen, prophezeiten Beobachter schon frühzeitig, dabei waren alle Wahlkampfschlachten davor auch schon schlimm genug. Genauso die nervenzereißenden Auszählungen. Wie oft muss man noch daran erinnern, wie knapp einst John F. Kennedy gewonnen hatte oder dass wegen rund 500 Stimmen in Florida George W. Bush einst Al Gore übertrumpfte – und acht lange Jahre blieb? Das „Wahlmänner“-System macht es möglich, so auch diesmal. Hillary Clinton gewann zwar die Mehrheit der Stimmen, aber dank des Systems - von der sich langsam bemerkbar machenden Überalterung westlicher Industrieländer wollen wir gar nicht erst anfangen zu reden - landete dann doch noch Donald Trump im Weißen Haus.

Ein nicht enden wollender Alptraum

Mit dem Sieg des älteren Geschäftsmannes und Polit-Neulings Donald Trump sind die Hoffnungen all jener zerstreut worden, die davon ausgingen, sie würden spätestens nach dem Wahltag endlich aus diesem Alptraum eines Hass-Wahlkampfes aufwachen, um erleichtert festzustellen, wieder in der Wirklichkeit zu sein. Yes, she can?
Nein, sie konnte nicht und die Realität ist jetzt mindestens so düster, wie sie der Mann in seinem Wahlkampf von einem untergehenden Amerika gezeichnet und immer wieder beschworen hatte.
Einen Präsidenten der sich in der Vergangenheit gegenüber einem Reporter noch als Berichterstatter des erfolgreichen „Pussygrabbing“ reicher Männer gezeigt hatte, hat es – zumindest in dieser öffentlich gemachten Deutlichkeit - noch nie im Weißen Haus gegeben. Dabei ist einmal ja immer das erste Mal, so wie bei Barack Obama, dem ersten Mann im Staate, der keine weiße Hautfarbe hat oder Ronald Reagan – dem ersten (?) Schauspieler im höchsten Amt der Vereinigten Staaten von Amerika. Hillary Clinton wäre beinahe die erste Frau gewesen. Yes, she can. Jaja, sie konnte schon. Allein die Amerikaner konnten nicht.

Der Backlash ist da

Die USA sind nicht reif genug für eine Frau im höchsten Amt. Nicht nur Deutschland war und ist dem Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten dabei weit voraus. Zwar bekommen wir schon wieder nicht eine Bundespräsidentin, aber immerhin ein paar Ministerpräsidentinnen und eine Bundeskanzlerin haben wir schon geschafft. Fortschritt - und damit eine Mehrheit für eine Frau zu bekommen ist nicht so einfach in Zeiten wachsender männlicher Verlustängste, die im ganzen Gerede um die Verlustängste der Mittelschicht medial unterrepräsentiert sind. Auch in Großbritannien, das mit Elisabeth I und II sowie Viktoria sogar noch als Monarchie langjährige Erfahrungen darin hat, mit einer Chefin zurechtzukommen. Die US-Verfassung hat, wie so viele andere auch, die Gleichberechtigung der Geschlechter festgeschrieben, während in den Köpfen von Wählern und Politikern die unterschiedlichsten Rollenbilder miteinander konkurrieren, manchmal gleich mehrere in denselben.

Und gerade aus dem fortschrittlichen Amerika hörten wir angeblich – u.a. laut Ex-Verteidiungsminister Rumsfeld – veraltete Europäerinnen ausgerechnet im beginnenden 21. Jahrhundert öfter mal erstaunlich Veraltetes, so wie seinerszeit den ehemaligen Leiter von Harvard, Larry Summers, der Frauen beschied, geschlechterbedingt für höherer Mathematik genetisch ungenügend ausgestattet zu sein - und dazu ausgerechnet einen der lächerlichsten Beweise anführte, den er finden konnte.
So war es "immer" und ist das nun einmal nach wie vor: Die Frau hat gefälligst zumindest hier oder dort immer noch dümmer als der Mann zu sein, sonst wirkt sie gefährlich oder gilt als „Nasty Woman“, wie Donald Trump Hillary Clinton im Oktober beschied.

Neben all den schmuddeligen Ausdrücken, den der republikanische Kandidat und kommende Präsident im Wahlkampf über Frauen ergoss, ging all das andere, was er noch verzapfte, leider fast unter. Und seien wir ehrlich, auf der anderen Seite stand für Kontinental-Europäer die „E-Mail-Affäre“, für die zumindest ein Großteil der Deutschen sich einen klassisch norddeutschen Schiet interessierte, kein Vergleich zur Gegenseite. Alle weiteren Vorwürfe bezogen sich vorwiegend auf das, was Clinton eigentlich für das Amt auszeichnete: Sie ist und bleibt ein Polit-Profi. Und, huch, der Beginn des 21. Jahrhundert ist schon eine Weile her, aber immer noch, werden Frauen, die ihren Beruf professionell ausüben wie im Mittelalter misstrauisch beäugt und fast wie Aussätzige behandelt, während Männer exakt mit denselben Eigenschaften punkten. Eine Vollblutpoltikerin zu sein, ist dabei ganz wirklichkeitsnah. In den 1980er Jahren, die weniger fortschrittlich waren, als manche Jungsenioren noch heute meinen, war Clinton noch ihrer Zeit weit voraus. Heute liegt sie damit mindestens eindeutig im Trend. Genauso eindeutig, wie der verzweifelte Ruf nach dem starken Mann nur noch eines ist, nämlich von gestern. Oder anders ausgedrückt: aus dem 20. Jahrhundert.
Wann fängt diese Welt endlich an zu begreifen, dass Frauen und Männer zusammenarbeiten müssen, um sie wirtschaftlich, zukunftsfest und lebensfreundlich zu gestalten? Wird es bei Fortsetzung dieses albernen Geschlechterkriegs überhaupt noch ein 22. Jahrhundert geben?

Zurück in die 1980er

Von gestern war und ist damit auch der gewählte Präsident von Anfang an. Bedauerlich wie zügig sich die zahlreich, vorhandenen Gegenkandidaten in der eigenen Partei durch grobe Überrumpelung aus dem Rennen werfen ließen. Es spricht nicht gerade für eine Partei, die schon mal eindeutig mehr Intelligenz in die politische Waagschale hatte werfen können, dass sie sich ausgerechnet das Marketing-Wunder Trump vor den Karren sinkender Umfragewerte hatte spannen lassen. Nun ist der Schaden angerichtet.
Einige Großkonzerne, deren Chefetagen sich ebenfalls nach gestern sehnen, jubilieren bereits sichtbar. Zurück zum Gas. Zurück zum Öl. Weg mit der Krankenversicherung. Aus den Augen mit diesem lästigen Klimawandel. Zurück in das Golden Age der gnadenlosen Ausbeutung und knallharten Geschäftsmethoden, ohne Rückicht auf Verluste – und kommende Generationen. Das Jetzt zählt – und zumindest das war geschickt: Schließlich geht die Gegenwart, wie selten eine andere zuvor, den Leuten offenbar gehörig auf die Nerven. Bei so viel strahlender Größe, die einer auch noch selbst beschworenen Düsternis entgegengesetzt werden müsse, kamen deutsche Fernsehzuschauer gar nicht umhin, beim medialen Auftreten der Trump-Familie sofort deutliche Parallelen zu zwei in den 1980er Jahren hierzulande sehr bekannten US-TV-Serien zu entdecken.

Wobei es den Europäern eigentlich egal sein kann. Oder auch den Deutschen. Die kennen die allgemeine Kurzlebigkeit des Lebens schon: Kaum hatten endlich alle die D-Mark, wurde sie schon wieder abgeschafft. Kaum wurde mit dem Pariser Klimaabkommen, diesmal auch endlich eines von China und den USA akzeptiertes, vereinbart und in Marrakesch der Fahrplan dafür mit einem schon lange vermisstten Elan für die Zukunft geknüpft, ist es auch schon wieder vorbei mit der ganzen Zukunfts-Euphorie.

Nüchterne Erwartungen

So oder so, das wusste man ja hierzulande schon fast instinktiv, wird es nach dieser Wahl wesentlich ungemütlicher werden als mit Obama. So ist auch den meisten europäischen Staaten der transatlantischen Freundschaftslinie klar gewesen, dass u.a. ihre Verteidigungsausgaben künftig wohl teurer ausfallen dürften. Und ähnlich wie andere sahen diese US-Wahl deshalb auch die Europäer durchaus realistisch: Noch nie waren schließlich zwei dermaßen in allen Umfragen gleichermaßen unbeliebte Kandidaten gegeneinander angetreten. Der Deutschen Lieblingspräsident war nun einmal Barack Obama, auch wenn ihnen nicht alles gefiel. aber Obama behielt in der Krise 2008 immerhin einen kühlen Kopf, den Trump erst noch beweisen muss oder besser gesagt müsste, weil dieser nicht existiert. Aber genau den bräuchte man. So einfach wie es klingt, ist es nämlich nicht die erst kürzlich für ein paar Millionen mehr eingeführte Krankenversicherung aufrechtzuerhallten, gleichzeitig weitere Jobs zu schaffen. Nicht zuletzt hatte Clinton bereits im vergangenen Jahrhundert vergeblich daran gearbeitet, eine Krankenversicherung gegen vehementen Widerstand durchzusetzen. Diese Krankenversicherung tragbar zu gestalten und zu stabilisieren, hatte sich Hillary Clinton nun auch als Präsidentin vorgenommen. Aktuell sollte man deshalb lieber nicht so viel erwarten.

Obama erreichte in Deutschland in Hochzeiten Zustimmungswerte bis zu 95 Prozent – erstaunliche Werte in einer Demokratie. Trotz berechtigter Kritik, die Umfragen als solche einheimsten - wegen „überraschend“, mangelnder Beteiligung einiger Nicht-Befragter in den USA: Immerhin erreichte Clinton vor bzw. nach der E-Mail-Affäre noch 75 bzw. 65 Prozent Zustimmung in Deutschland. Dagegen erhielt Trump hierzulande lediglich Werte zwischen 2 und 4 Prozent. So viel eindeutige Ablehnung oder Zustimmung, und, was Obama betraf, fast kollektive Zuneigung für US-Präsidenten dürfte nun wohl endgültig der Vergangenheit angehören. Das mag Obama zwar höchstpersönlich freuen, anderen aber durchaus Sorgen bereiten. Einmal mehr fühlt sich wieder die Jugend um ihre Zukunft betrogen, wenn es nun zurück ins Raubbau betreibende 20. Jahrhundert gehen soll. Ähnlich wie beim Brexit waren es auch bei der US-Präsidentschaftswahl wieder einmal die alten und mittelalten Wähler, die den Rückschritt in eine lediglich persönlich erinnerte "gute alte Zeit" wählten, worüber die Jugend nur noch fassungslos den Kopf schütteln kann. Schließlich ist es ihre Zukunft, um die verhandelt wird.

Kleiner Mann - und nun?

2016 zog mit Trump ein Kandidat in den Wahlkampf, der angeblich dem kleinen Mann wieder eine Stimme im Politgeschäft verliehe, so die Hoffnung nicht nur der Mehrheit der weißen, männlichen Trump-Wählerschaft, sondern auch vieler Männer anderer Ethnien und nicht zuletzt auch weißer Frauen. So war bei dieser Wahl der "Rost-Gürtel" ehemals florierender, nun maroder Industrieregionen in und um Pennsylvania herum, einst eine demokratische Hochburg, ausschlaggebend für Trumps Sieg. Dort konnte ein Industriearbeiter und guter Alleinverdiener früher noch Familie, Haus, Ausbildung der Kinder und ein standesgemäßes Vehikel finanzieren. Das ist genauso wie in anderen Industriestaaten lange her – was die Sehnsucht zurück danach allerdings nie geringer werden ließ, im Gegenteil - und genau diese Männer werden deshalb wahrscheinlich auch wieder die ersten bitter Enttäuschten sein.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Bislang blieb die Geschichte jeden Beweis schuldig, dass Populisten sich nach der Wahl besser ums gemeine Volk kümmerten als Nicht-Populisten, ganz zu schweigen von einem Großkapitalisten wie Trump. Bluffen gehört für diese schließlich zum Geschäft. Die Verzweiflung vieler verarmter Amerikaner ist sehr groß, das nun in Trump gesetzte, verzweifelte Vertrauen ebenso – und sollte Europa eine Warnung sein, wie wenig Fakten in einem Wahlkampf überhaupt noch eine Rolle spielen.
Schließlich hatte auch ein sozialer Präsident wie Obama (noch) nichts oder nicht viel für die Armen Amerkias tun können und vom Politprofi Clinton erwartete man in prekären Kreisen deshalb gar nichts. Das acht Jahre Obama nichts waren, um acht Jahre Bush-Regierung inklusive einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise aufzuräumen, nützt der amerikanischen Version von Otto und Ottilie Normalverbraucher nun einmal reichlich wenig im amerikanischen Alltag, in dem man wesentlich schneller und häufiger als hierzulande das feste Dach über dem Kopf verliert oder sich nach wie vor trotz mehrerer Jobs keine Krankenversicherung leisten kann. Und so kommen wir um die Erfahrung umhin, wie es hätte sein können, wenn eine Demokratin auf einen Demokraten folgte, der zwar schon einen Teil des von Vorgänger-Regierungen reichlich hnterlassenen Schutts weggeräumt hatte, aber genau deshalb auch nie richtig durchstarten konnte.

Illusion oder Wirklichkeit?

Vielleicht war Obama aber auch einfach viel zu nett beim Verhandeln mit den Republikanern von heute. Immer wieder diese jovialen Angebote zur Zusammenarbeit zum Wohle des Landes, die nie beantwortet wurden. Etwas mehr berechtigte und daher nicht zu knapp vorhandene Bürger-Wut in Polemik gegossen, hätte vielleicht auch den Demokraten nicht geschadet, wie sie jetzt zu spät feststellen könnten, fiel aber der politischen Überkorrektheit schon in der Vergangenheit häufig zum Opfer. Den unterschätzten Frust über sich kurz- und mittelfristig einfach nicht zum Besseren verändernde Lebensverhältnisse und langfristig ausfallende Perspektiven hätte man Trump nicht ohne Not allein überlassen müssen, sondern Antworten darauf finden – und später umsetzen - können. Die ernstznehmende Gefahr, dass diese Antworten unter dem jetzt gewählten Präsidenten nie gefunden werden, ist einfach viel zu groß für solch eine Ignoranz. Und dann geht das Ganze in vier bis acht jahren wieder von vorne los: Müll einsammeln, Schutt weggräumen, steigende Arbeitslosigkeit und einmal mehr in der vergangenen Legislaturperiode gewachsene prekäre Lebensverhältnisse beseitigen.

Vielleicht konnte sich das amerikanische Wahlvolk aber auch einfach nicht mit einer "First Lady Bill Clinton" anfreunden, der einst als US-Präsident seine Beiträge zur Freilassung des Finanzzirkus leistete und ist deshalb wie in "guten alten Zeiten" froh um eine wieder eher unpolitisch daherkommende "erste Dame des Dorfes", die sich möglichkerweise wieder stärker mit der Inneneinrichtung des Weißen Hauses oder dessen Umwandlung in einen weiteren Trump-Palast beschäftigte? So oder so, zumindest Karrikaturisten und Kabarettisten dürften sich durch die neue Administration sehr inspiriert fühlen.

Ob die Amerikaner einen Präsidenten bekommen haben, den sie verdienen – wie einige ähnlich beschlagene Regierungschefs jetzt weltweit feixen – ist derzeit noch offen. Sicher haben aber die Republikaner im reichlich schmerzresistenten Donald Trump genau den Präsidenten erhalten, den sie sich verdient haben und der es ihnen nicht billig überlassen dürfte, ihn rechtzeitig wieder loszuwerden. Der stets korrekte, gemäßigte gar der säkulare Republikaner scheint in der Partei derzeit so gefragt zu sein, wie analoges Telefonieren. Was kann man bei so viel Weltabgewandheit von dieser Partei überhaupt noch erwarten?

Progress is never easy

Obamas Graswurzelorganisation (OFA) äußerte sich nach der Wahl mit dem Satz: "Progress is never easy" - Fortschritt ist nie einfach. Dagegen ist die an jeder Wirklichkeit vorbeischrammende, brandgefährliche Effekthascherei in der Politik hingegen längst Alltag geworden .
"Postfaktisch" nannten kürzlich die Briten den seltsamen, politischen Zustand ihrer Insel nach dem Brexit. Fakten spielen seitdem nicht mehr nur anderswo, sondern jetzt auch in den USA nur noch eine untergeordnete Rolle. Dafür scheint die Durchsetzung jedeweden, politischen Unsinns derzeit machbar, doch Vorsicht:
Man erinnere sich bei allem, was nun kommen mag, stets der vollkommen entsetzen, jugendlichen Gesichter in der US-Wahlnacht 2016. Auch die jüngsten Wähler werden eines Tages älter. Möglich ist, dass sie diesem langsam peinlich werdenden, alt-kindischen Schreihals-Zeitalter eines Tages nichts mehr abgewinnen können, für dessen sachlich richtige Einordnung bereits gesorgt worden ist: Fakt ist und bleibt, dass postfaktisch (post-truth) von der Redaktion des Oxford English Dictionary im November 2016 zum Wort des Jahres gewählt wurde.
Der gefühlskalte Begriff wirkt nach dem hyper-hysterischen US-Wahlkampf in einer immer mehr von Emotionen durchtränkten, von persönlichen Interessen und seltsamsten Privat-Vorstellungen getriebenen Politiklandschaft fast schon befreiend vernünftig.

Mehr Informationen zum Oxford English Dictonaries: Word of the Year 2016


2016-11-23, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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