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Computermesse 2017

CeBIT 2017 – Ein Hauch von Silicon Schwabing

Annegret Handel-Kempf

Von Silicon Schwabing nach Hannover zur CeBIT: Im ehemaligen Künstlerviertel Münchens siedeln sich 31 Jahre nach der ersten eigenständigen Computermesse in Hannover immer mehr Labs und Start-ups der digitalen Arbeits- und Lebenswelt an. Einige von ihnen sind auch in Niedersachsen zur IT-Messe zu sehen.

Verführung zur Mitarbeit durch digitale Essensmarken

Wo so viele Menschen kreativ arbeiten, muss auch gegessen werden. Lokale gibt es in München, Schwabing genügend. Damit nicht täglich im gleichen Restaurant oder in der Kantine gespeist werden muss, haben sich Florian Gottschaller und seine Kollegen von Spendit mit ihrer gebündelten Mittagspausenerfahrung etwas einfallen lassen: „Die Essensmarke haben wir komplett digital neu erfunden“, vermeldet Vorstand Gottschaller, auf der Firmenwebsite als der „Florian“ zu sehen, sichtlich stolz.

Laut Fiskus kann jedem Arbeitnehmer ein Essenszuschuss von 6,27 Euro pro Tag gegeben werden. Einzige Voraussetzung: 3,10 Euro Eigenanteil muss der Nutznießer selbst zahlen. Doch für fast zehn Euro gibt es dann auch schon ein ordentliches Mittagessen nach Appetitslage, anstelle von Standard-Kantinenessen. Das lohnt sich auch für die Arbeitgeber, die sich immer mehr einfallen lassen müssen, um kompetente Angestellte zu bekommen und zu halten.

„Mittagessen ist der beliebteste Mitarbeiter-Benefit“, erzählt Gottschaller. Eine Zusatzleistung, die sich summiert: Auf bis zu 1.380 Euro pro Jahr - steuerfrei. Einlösbar in jedem Supermarkt, Imbiss und Restaurant. Statt in ein belegtes Brot zu beißen oder sich täglich am selben Selbstbedienungs-Buffet anzustellen, darf der Angestellte seinen Akku in der „größten Kantine der Welt“ aufladen. Anschließend wird der Beleg mit der Smartphone-App von lunchit.com fotografiert. Der Chef zahlt am Ende des Monats die Rechnung zurück. Der Gastronom hat – anders als mit herkömmlichen Essensmarken – weder Aufwand noch Kosten. Die App darf zudem nur einmal am Tag genutzt werden, taugt also nicht für intentionsfremde Wochenendeinkäufe mit gesammelten Marken. Die gescannten Belege sollen auch von Betriebsprüfern akzeptiert werden. Das Bundesfinanzministerium hat den Scanprozess und die Abrechnung über die App offiziell freigegeben.

Die Spendit AG stellt die Abrechnungsdaten für die Lohnabrechnung monatlich als CSV-Datei zu Verfügung. Diese kann in jedes Lohnbuchhaltungssystem, z.B. SAP oder DATEV, importiert werden. Datenschutz soll dabei garantiert sein. Pro Mitarbeiter zahlt das Unternehmen eine monatliche Gebühr an die Spendit AG.

Die jungen Daten-Weisen aus München

Ein Unternehmen mit datenhungrigen Mitarbeitern, gleich in der Nachbarschaft in Silicon Schwabing, ist Alexander Thamm, Data Scientist. Sein Genre wird immer bekannter: Ganzheitliche Data Science Beratung, spezialisiert auf die Analyse von Datenprozessen, sowie auf den Einsatz fortgeschrittener Analyse- und Visualisierungsmethoden. Klingt komplizierter, als es ist. Im Kern geht es um eine sinnvolle Nutzung all der Daten, die der digitalisierte Mensch auf Schritt und Klick hinterlässt.

Der erfolgreiche Jung-Unternehmer Thamm hat mittlerweile sogar seinen Vater überredet, bei einem Großkonzern zu kündigen und bei seiner „Digitalisierung made in Germany“ mitzumachen. Dennoch liegt der Altersdurchschnitt der in vier Jahren auf fünfzig Mitarbeiter gewachsenen Belegschaft immer noch bei unter 30 Jahren. Mehr als 400 Projekte haben die jungen Leute mittlerweile umgesetzt. Motto: „Aus Daten mehr machen.“ Beispielsweise haben die IT-Weisen den LKW-Giganten MAN gelehrt, wie über sinnvolle Daten-Auswertung Unfälle vermeidbar sind.

Bei Autokonzernen werden von Alexander Thamm vernetzte Fahrzeuge in Echtzeit analysiert. Ein Autoteil, das demnächst auszufallen droht, kann so schon zuvor ausgewechselt werden. Solch präventive Wartung senke auch die Kosten der Gewährleistung. Thamm: „Mit dem Datenkompass ist fast alles vorhersehbar“.

Antilopen mit digital durchtrainierten Muskeln

Ein Stück von Silicon Schwabing entfernt, firmiert Wearable Life Science, ein Unternehmen, das in Nürnberg und Frankfurt zuhause ist. An Silicon denkt der Betrachter dennoch, wenn er Kay Rathschlag in seinem köperbetonten, schwarzen Anzug sieht, in den Elektroden verwoben sind. Für den Hausgebrauch soll damit Elektrostimulationstraining (EMS) möglich sein, das nicht nur Sportler, sondern auch Senioren, fit hält. Rathschlag ist anzusehen, dass er sich nichts schenkt, wenn es darum geht, die Effizienz normaler Trainingseinheiten so zu steigern, dass man in der schwarzen Haut beispielsweise deutlich weniger Liegestützen benötigt und schafft, als ohne. Ohne vorher den Arzt zu konsultieren, sollte EMS übrigens keinesfalls angewendet werden.

Der erfolgreiche Start-up-ler fragt in die Runde, wie oft und wie intensiv sich die Anwesenden sportlich betätigen. Er doziert: „Notwendig ist einmal die Woche intensives Kraft- und einmal die Woche intensives Ausdauertraining.“

Eigentlich gar nicht so viel, vor allem, wenn in kurzer Zeit ganz viel für den Körper erreicht werden könnte. Das denken sich mittlerweile nicht nur die Athleten des FC Bayern oder Läufer Usain Bolt und Tennis-König Rafael Nadal, die sich alle nicht scheuen, etwas merkwürdig anmutende EMS-Fitnesswesten anzuziehen. In ihren Profiausführungen sehen die Teile ziemlich schwer und klobig aus. Im Lifestyle sollte das schon schlanker wirken, zumindest wenn man nicht indoor, wie rund 90.000 Menschen mit Coach im Fitnessstudio, in 15.000 Euro teuren Profi-Westchen trainiert.

Doch jetzt gibt es das Ganze als etwa zehnmal billigere Slimfassung namens „Antelope“ von Wearable Life Science auch im Konsumer-Bereich: Hinter der schwarzglänzenden Anzugshaut verbergen sich Elektroden und Leiterbahnen in Kompressionssportkleidung. Deren elektromagnetische Stimulation ist über eine App steuerbar. Bald sollen auch Vitaldaten ausmessbar sein, ähnlich der Funktion von Fitness-Armbändern mit Sensoren am Körper.

Alles ganz logisch für Rathschlag. Schließlich gebe es seit 60 Jahren Muskelstimulation in Rehas. Jetzt eben für jedermann, für den ganzen Körper, sehr effektiv. In einem Bruchteil normaler Trainingszeit erreiche der Amateur- oder Profisportler Muskelbahnen viel effizienter als ohne EMS-Suit. Beim Joggen könne der Antelopen-Träger auch gleich seine Rumpfmuskulatur trainieren. Zumal Läufer, die keine Thrombose bekommen möchten.

Egal, unter Joggern gibt es vieles zu sehen und wenig wird verborgen. Als Ganz- oder Teilkörper-Anzüge gibt es das Antelopen-Outfit, das übrigens in Rio, dem Ort der Olympischen Sommerspiele 2016, gelauncht worden ist. Mittlerweile sind die digital vernetzten Stimulationsanzüge zurück in Süddeutschland. Zwar nicht in Silicon Schwabing. Aber immerhin in Silicon-Optik.


2017-03-20, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
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