von Angelika Petrich-Hornetz
Untrügliches Zeichen in der Online-Zeitschrift Wirtschaftsweter, die Sie hier gerade genießen können, dass der Sommer in großen Schritten naht, sind die jedes Jahr so regemäßig wie plötzlich steigenden Leserzahlen des Artikels Seeklima" von Elisabeth Kärcher, in dem sie die gesunde Wirkung des Reizklimas an der Nordsee erläutert, die Ungeübte nicht unterschätzen sollten. Mit den Leserzahlen strahlt aber auch auf einmal die analoge Umgebung um die Wette mit unserem Fixstern - die gute, alte Hansestadt Lübeck bricht aus allen Nähten vor lauter Besuchern, Rimini an der Ostsee ist wieder angesagt. Bei 30 Grad im Schatten wollen schließlich auch alle ans Meer. Da gibt es kein Halten und kein Zurück mehr - keine Autobahnbaustelle, keine Zugverspätung, keine noch so weiten Wege oder widrigen Umstände könnten, diese sich Bahn brechende Sehnsucht nach Sonne und Meer noch stoppen. Selbst die jetzt, Ende Mai, noch etwas dürftigen Wassertemperaturen von gerade einmal 13 bis 14 Grad halten niemanden mehr davon ab, sich auf die Socken zu machen, um diese möglichst schnell loszuwerden und barfuß den warmen Sandstrand zu erkunden. Wärme Dürstende und Sonnenhungrige streben unaufhaltsam ans Meer, deren dringendes Anliegen erst beim Betreten des Sehnsuchtsortes Strand und dem Erhaschen eines ersten Anblicks des im Sonnenlicht glitzernden Wassers erstmals gestillt wird. Darauf folgt meist ein strahlend, glückliches Lächeln und eine tiefe innere Zufriedenheit. Man hat es geschafft, zumindest ein Sonnenbad ist gesichert.
Dieses alljährlich einsetzende Streben an die Küsten ist auch kein Wunder. Was viele Sonnen-Begünstigtere schnell vergessen: Im Norden macht sie sich gewöhnlich sehr rar. Wenn dort nach vielen dunklen Monaten das erste Mal die 25-Grad-Marke geknackt wird, sind die Norddeutschen, die Skandinavier, die Bewohner der Baltischen Länder und nicht zuletzt auch die Engländer und besonders die Isländer - ganze bestimmt auch Kanadier - in nicht zu bremsender Fest-Stimmung und befinden sich damit wortwörlich "aus dem Häuschen", denn: Die 25-Grad sind etwas ganz Besonderes - niemals selbstverständlich, sie können auch einfach ausfallen, und zwar ein ganzes Jahr, zwei Jahre oder auch drei hintereinander - Klimawandel hin oder her, der mit seinen steigenden Wasserspiegeln im Übrigen auch nix zu einem besseren Strandleben beitragen wird. Um jetzt einmal ausgiebig auf hohem Niveau zu jammern: Wer so wie wir hier im Norden quasi sieben bis acht Monate durchgehenden Dauer-Herbst- und Winter von September, Oktober bis zum 1. Mai hinter sich hat, kann sich über solche seltenen, deshalb kostbaren Schönwetter-Phasen gar nicht ausgiebig genug freuen.
Und so sind Einheimische und Gäste derzeit von einer fast schon als "notorisch" zu bezeichnenden guten Laune beseelt. Das analoge Dauergrinsen der Entgegenommenden wird mit dem Sonnenlicht zuverlässig an- und ausknipst. Selbst der arbeitende Teil der Bevölkerung werktätigt wesentlich schwungvoller im Sonnenlicht-Elan, werden doch ab jetzt bis zur Sommensonnenwende die längsten und schönsten Sonnenuntergänge der Welt genossen, die den so Belglückten ein wahres Schauspiel gelungener Sommerabende am laufenden Band mit regelmäßigen Happyendings bietet. Schon Ende Mai ist der Himmel nachts um halb elf noch mit einem sanften, hellen Sonnen-Zauber behängt, der den Nachtschwärmern den Weg weist - Richtung Norden, wo es dann im Juni gar nicht mehr dunkel wird. Wer deshalb unter Schlafstörungen leidet: Selbstverständlich schläft man hier im Sommer weniger und dafür im Winter umso mehr. Wer wollte etwa mit Schlafen diesen immer viel zu kurzen, herrlichen Sommer verpassen?
Wie kurz und wenig die Sonnentage im Norden an Länge und der Zahl sind, hatten April 2017 und auch viel Mai-Tage gezeigt, dabei hörte es sich noch im März ganz vielversprechend an: "Sonne satt und Wärme - Wir genießen den Frühling!", titelten zum Beispiel die Lübecker Nachrichten über das schöne Frühlingswetter am sage und schreibe 28. März 2017, als ähnlich wie jetzt - aber ganze zwei Monate später- die Menschen ans Meer, an Flussufer, Kanäle und Seen, in die Parks, Ausflugslokale und auf die Promenaden strebten. Und von da an ging's bergab. An Stelle von Aprilwetter bekamen wir einen finsteren Herbst zurück, üble Stürme, Regen und Hagel satt, inklusive Überschwemmungen und einer Eiseskälte, die mit November-Temperaturen wettbewerbsfähig waren, und das auch noch wochenlang.
Ausgerechnet, als es draußen so düster war, dass der Weltuntergang einmal mehr nahe zu sein schien, fand ich die alte Zeitung mit der Schönwetter-Schlagzeile wieder und pinnte sie so fest- wie kurzentschlossen direkt an die Wand gegenüber der Haustür.
Es wirkte sofort. Als ich das nächste Mal klatschnass mit matschbesohlten Schuhen im Flur stand, drängte sich das realitätsverweigernde, optimistische "Sonne und Wärme - Wir genießen den Frühling!" in großen Lettern direkt und unvermeidbar in den Blickwinkel.
Moment mal, draußen befinden sich fünf Grad und Dauerregen, drinnen läuft die Heizung? Dennoch: Plötzlich machte sich die so sichere wie wohlige Erkenntnis breit, der Frühling kommt und der Sommer steht schon vor (oder hinter?) der Haustür! Auch wenn von Letzterem noch rein gar nichts zu sehen war: Die Vorfreude, auf die der März ja erst einen Vorgeschmack geliefert hatte, überwog auf einmal alles, und somit auch jeden noch so pfeifenden Sturm aus Nord-West.
Die Wirkung setzte sich in der ganzen Familie durch. Man musste über den Gegensatz zum tatsächlich erlebten Wetter, diese zum Schlachtruf umdekorierte Schlagzeile unweigerlich lachen - ganz so, als erblickten wir "jetzt bald" schon den Strand und das sonnenglitzernde Meer. Und nun haben wir sie auch endlich - die versprochene Wärme.
Wir lassen die Zeitungsseite aber noch etwas hängen. Schließlich soll es laut Wettervorhersage schon nächste Woche bereits wieder kühler werden ...
2017-05-27, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz
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