Eine Glosse und Technologie-Kritik
von Annegret Handel-Kempf
Smart Home-Technologie braucht zündende Ideen, nicht nur aufmerksam lauschende Sprachassistentinnen als Schlüssel zu den Herzen technikverliebter Männer und Frauen
Exakt 50 Jahre nach den 68-ern haben Aufklärung, kritischer Rationalismus und Vernunftbegabung in modernen Haushalten ein irrationales Ende gefunden. Dies offenbarte sich bei einem Themenabend mit – fast ausschließlich! - Männern, die das Smart Home von Gegenwart und Zukunft mit Ideen, IT und Elektrotechnik ausgestalten oder die über Smart Home-Technologie kritisch berichten sollen.
Soziale Sprengkraft offenbart sich, wenn diese "großen Jungs" tatsächlich meinen, das technische Außenrum-Spielzeug würde ein Haus bereits „smart“ machen. Obwohl dort, wo es um die Komfort-Leistungen eines Smart Homes geht, die ganz banalen, alltäglichen Aufgaben wie Aufräumen, Putzen, Waschen, sowie das heimische Kochen, weitgehend unberücksichtigt bleiben
Zugegeben, die haus- und IT-technischen Aspekte der Sicherheit und Energieeinsparung werden immer besser und smarter bedient. Doch an Bewusstsein und damit zwangsläufig auch an Ideen und Gestaltungswillen für die technische Bewältigung des Haushalts – egal ob durch Mann oder/und Frau – mangelt es anno 2018 noch dramatisch. Wobei eine Ausgangsidee bereits sein könnte, mit dem Smartphone gekoppelte Technik zu entwickeln, die wie ein Navi bezahlten, menschlichen Haushaltshilfen ansagt, was im konkreten Haushalt, den diese gerade als Einsatzort haben, zu tun ist, wo sie das Putzzeug finden, worauf sie achten sollen, oder welche Vorlieben die Bewohner haben. Schlichte smarte Home-Technik, die zudem wie ein Scanner darauf achtet, dass im Zuge des Aufräumens durch Dienstleister nichts abhandenkommt, auch wenn die Eigentümer nicht zuhause sind.
Überspitzt dargestellt, kümmern sich Entwicklungsabteilungen mit Blick auf das Smart Home – über Sicherheitskonzepte und Energiesparen hinaus - bislang weniger um Elementar- als vielmehr um Show-Bedürfnisse, von denen besonders Frauen wenig haben, sofern bestimmte Haushaltsbereiche auch 50 Jahre nach 1968 weitestgehend an ihnen hängenbleiben. Das wird sich nicht bessern, solange Smart Home gestaltende Erfinder sich schon toll vorkommen, wenn sie ihre Partnerinnen damit „verwöhnen“, dass die Markise auf Zuruf eingefahren wird oder der Rasenmäher allein über den Rasen fährt. Der Grund für diesen fehlenden Forschungspragmatismus in einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen aufgrund eines sehr fordernden, bezahlten Arbeitslebens auch ohne hochdimensionierte Hausarbeit genügend ausgelastet sind: Wirklich smarte Haus(halts)technik ist nicht „sexy“.
„Alexa ist toll!“ - Erschreckend. Immer mehr Männer gestehen offen ihre zunehmende Abhängigkeit von der virtuellen Sprachassistentin aus dem Hause Amazon ein. „Klasse“ finden Alexa nicht nur die sonst so rationalen, reifen Jungs, die sie als neue WG-Mitbewohnerin ins Haus ließen. „Verführerisch“, urteilen auch ihre Kumpel, denen sie nur zu gerne vorführen, wie Alexa ihnen aufs Wort folgt - und jeden Wunsch von den Lippen abliest. Männerträume werden wahr, von der Macht über ein Wesen, dessen Name mit der Endsilbe „xa“ so betörend nach „ja“ klingt.
„Alexa, welche Termine habe ich heute?“ „Du hast einen entspannten Tag vor Dir. Es ist Sonntag, und ich habe bereits Deine Frau geweckt, damit sie den Satzbehälter aus der Kaffeemaschine leert, die Brühgruppe reinigt, das herausgefallene Kaffeemehl wegsaugt, den Wassertank neu füllt und eine frische Tasse unter den Ausgießer stellt. Kurz nach 11.10 Uhr wird der Kaffee gemahlen, gebrüht und in Deine Tasse einlaufen. Dann kannst Du ihn Dir von Deiner Frau bringen lassen. Sie putzt gerade das Bad und unterhält sich mit Google Home Max.“
„Was will sie nur mit dem Kerl? Der hilft ihr doch nicht wirklich im Haushalt. - Alexa, was steht morgen an?“ „Du fliegst zu einer Konferenz nach Berlin. Dort werdet Ihr über Komfort und Arbeitsentlastung beraten, die ein Smart Home mit netten Helferinnen wie mir bietet.“
„Alexa, pack meinen Koffer“. „Du bist lustig, ich bin nur Deine Sprachassistentin. Ich sollte Dich erinnern, dass einige Sachen gewaschen werden müssen. Ich zähle auf: …“
„Stopp, gehört Wäschewaschen nicht zu den tollen Services, die das Smart Home für mich erledigt? Und du bist der Schlüssel zum Smart Home! Wegen Dir interessieren sich die Menschen dafür, aus ihrem Heim ein wirklich smartes Zuhause zu machen. Komfort, meine Liebe, nicht nur Sicherheit und Energiesparen!! Alexa, also ich schwinge mich jetzt auf mein Rad, messe meine Fitnesswerte und befehle Dir über mein Smartphone von unterwegs, die Waschmaschine anzustellen. Melde mir sofort, falls Wasser austritt, während ich nicht da bin, oder wenn es einen Kohlenmonoxid- oder Rauchalarm gibt.“
„Alles klar. Ich gebe deinen Befehl: „Waschmaschine einschalten“ direkt an die Zentrale weiter. Bevor Du in den Biergarten fährst, musst Du aber die Wäsche sortieren und die erste Ladung in die Maschine füllen.“
„Alexa, Du bist mein Gedächtnis und meine Lebensalltagshelferin. Du weißt doch, welche der Teile miteinander in die Waschmaschine dürfen.“
„Ich registriere alles, was Du sagst, und ich sage Dir alles, was ich weiß. Aber ich habe keine Augen, keine Hände und kein Gefühl. Die Sachen nehmen, sortieren und in die Waschmaschine legen, musst Du selbst.“
„Aber ich habe frei, es ist Sonntag!“
Sonntag ist wie Samstag, ist wie Feierabend, an dem Männer zeigen, wie viel sie zum Haushalt beitragen. Sie wenden sich an mich, damit ich den Rasenmähroboter laufen und das Gras sprengen lasse. Sie rufen: „Alexa, fahr‘ die Markise ein“, wenn die Sonne verschwindet. Dieser Befehl muss mit ungeheurer Stimmleistung mehrfach wiederholt werden, wenn ein munteres Kleinkind immer wieder gegenhält mit: „Alexa, fahr‘ die Markise raus.“ Anstrengend, denn auch das Schließen der Rollläden wartet auf die energische Ansage durch Männer wie Dich. Schließlich ist das perfekt passende Licht einzuschalten.“
„Alexa, was soll ich tun?“
„Etwas erfinden, damit deine Frau stimmige Lichtoasen und Hightech-Heimentertainment zusammen mit Dir genießen kann. Oder Deiner Frau Zeit zum Erfinden lassen, indem Du selbst Deine Wäsche wäschst, das Bad putzt und ihr einen Kaffee bringst.“
„Alexa, Danke, Du bist die Beste!“
2019-01-01 Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
Foto + Banner: aph
Infos zu Datenschutz + Cookies
zurück zu: Themen
zurück zu: Startseite Wirtschaftswetter
wirtschaftswetter.de
© 2003-2021 Wirtschaftswetter® Online-Zeitschrift