Wirtschaftswetter Online-Zeitschrift        Wirtschaftswetter-Schwerpunktthema: Et in Arcadia ego


Smarter Bauen in Smart Cities

von Anngret Handel-Kempf

Smartphones sind zum Streamen da, für Social Messaging und für immer mehr Jugendliche sogar zum Telefonieren. Smarte Häuser sind zum smarten Leben mit sensorischer Wärme- und Lichtsteuerung gut. Doch was ist die nachhaltig oder kommunikativ orientierte Strategie hinter Smart Buildings in einer digital vernetzten Welt?
Passende Gesprächspartner finden? - Tatsächlich. Auch.

Smarte, user-freundliche Immobilien

Das Neueste zum Trendthema “Smarte Gebäude“ im digitalisierten Lebensraum der Menschen erreichte die Zuhörer im Frühling, auf dem 12. Deutschen Innovationsgipfel 2019 in München, auf dem es um die Managersicht auf Digitalisierung, Innovationen, Nachhaltigkeit und Strategien ging. Vorstände und Führungskräfte erfuhren von künstlicher Intelligenz (KI), die die Nutzer ihrer Gebäude so gut kennenlernt, dass sich die KI-Gebäude auf die Bewohner einstellen. Von Immobilien, denen ihre Bewohner so vertraut sind, dass sie ihnen vermitteln, mit wem sie sinnvoller Weise gerade Aug-in-Aug sprechen könnten, weil der lohnenswerte Kommunikationspartner gerade leibhaftig im Haus ist.

Davon berichtete etwa Klaus Dederichs von der Drees & Sommer-Gruppe. Vom Einstellen auf den Kunden, auf den Nutzer, bevor die Gebäude gebaut werden. Vom einfachen Fragen, was beispielsweise Büro-Insassen und Gastronomen von ihren berufsbegleitenden Wänden tatsächlich erwarten, als zielführende Strategie vor dem Hochziehen der Mauern, die durchaus auch flexible Räume umschließen könnten. Von Investoren, die als Betreiber von umfassenden Immobilienplattformen zehn bis 20 Prozent zusätzliche Rendite machen könnten, wenn sie selbst an hausgemeinschaftlichen Hemden-Bügel- und Pizza-Bring-Diensten mit je zehn oder 20 Cents für die App-Bereitstellung partizipierten.

Smart Home ist nicht jedermanns Ding

„Ich bin ein technikverrückter Mensch, aber was soll ich mit einem Smart Home? Ich kann meinen Lichtschalter auch selber betätigen“, sagte Dederichs, der besonders in smarten Gewerbeimmobilien zuhause ist. Seit fast 50 Jahren begleitet das - nach eigenen Angaben - führende europäische Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren, sowie Investoren, in Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital.

Da sind Gebäudetechnik und Energiemanagement in digitalen Zeiten. Beispielsweise „Building Information Modeling (BIM)“ und „Internet of Things (IoT)“ sollen Informationen über den Zustand von Anlagen ständig erfassen. Doch wer führt sie und weitere Daten rund ums Haus zusammen? Dederichs: „Wir müssen erst mal verstehen, wie ein Gebäude funktioniert. Alle Daten sind heute da, sie sind aber in der Regel nicht abrufbar.“ Doch wie soll so ein auskunftsfreudiges Gebäude mit smartem Mehrwert entstehen? Der Berater: „Wir müssen es neu designen, wir selber, weil wir als Menschen die höchste Intelligenz haben. Wir haben zwei Augen, zwei Gehirnhälften, wir können fühlen, schmecken, tasten. Wenn uns eines fehlt, haben wir ein Problem.“

KI für Häuslebauer

Im Zuge der digitalen Transformation gehe es nicht um die Anzahl der Sensoren bei einem Smart Building. Entscheidend sei vielmehr der Mehrwert für die Nutzer, so das Credo der Smart-Building-Berater, die gemeinsam mit ihren Kunden entsprechende Digitalisierungsstrategien kreieren. Künstliche Intelligenz (KI) ist dabei das Zauberwort.

Das „schlauste Gebäude Europas“, der „Cube Berlin“, präsentiert sich als Vorzeige-Immobilie, das wie eine Skulptur neben dem Berliner Hauptbahnhof stehen soll. Ästhetik und Gehirn - ein „Brain“, ein Gehirn hinter einer schönen Fassade, soll verschiedene smarte Technologien zu einem selbstlernenden System bündeln, zu einem „Smart Commercial Building“. Wie ein erfahrener Assistent, soll das „Brain“ jederzeit wissen und erkennen, was die Gebäude-Nutzer für gewöhnlich machen und wünschen.

Eine App navigiert durch das Gebäude, bucht Arbeitsplätze, bestellt Essen und Produkte, sorgt für die individuelle Einstellung von Licht und Temperatur und hilft bei der Parkplatzsuche.

Customization of the City

Selbstlernende Algorithmen sollen für ein smartes Gebäude sorgen, das von seinen Nutzern lernt, auf diese Weise Betriebskosten einspart und Mehrwerte für den Nutzer schafft. Ein solches intelligentes Gebäude, das genau auf die Bedürfnisse der Nutzer zugeschnitten ist, bezeichnen Dederichs und seine Kollegen als „Customized Smart Building“

Verfechter von „Urban Analytics Plattformen“ sehen den Bauboom in Zeiten der Digitalisierung aus einem anderen Blickwinkel. Alexander Holst von Accenture Strategy, Managing Director Sustainability & Utility Strategy, also ein Nachhaltigkeits- und Nutzbarkeitsstratege, ist schon lange im Geschäft des smarten Umbaus von Häusern und Städten dabei und freut sich über den neu erwachten, realen Smart-City-Boom: „Jetzt kommen seit ein, zwei Jahren wieder Energie- und Mobilitätsunternehmen.“ Der Grund: „Wir haben es eilig, um mit Klimaschutz einen wirklich relevanten Beitrag zu leisten, Biodiversität voran zu bringen.“

Daten aus Gebäuden und Infrastruktur, von Energieverbrauch und Energiemanagement, aus dem Verkehrsgeschehen oder auch von Luftmessungen mit Hilfe des Internets der Dinge und der Objekte (IoT) zusammenzuführen, zu strukturieren, zu analysieren und für strategisch-sinnvolles Neujustieren einzusetzen. Klingt gut. Das Versäumnis: „2008 fanden alle Smart City toll, alle Ämter, aber die großen Firmen liefen von einem zum anderen, ohne zum Ziel zu kommen.“ Vorbei. Smart City lebe wieder.

Auch hier geht man von Bedürfnissen und Notwendigkeiten von Nutzern, von Menschen, aus, die am Anfang des Ziels stehen und die zusammengeführt werden müssen. Holst: „Smart City kommt von unten. Wir brauchen Plattformen, um das Ganze zu skalieren.“ Von Vorzeige-Immobilien hält der Nachhaltigkeitsstratege weniger: „Das schlauste Gebäude Europas - toll, aber damit retten wir die Welt auch nicht.“


2019-06-15, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter

Text: ©Annegret Handel-Kempf
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