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Interview mit Dr. Barbara Mandl, Ex-CISO im Daimler-Konzern

Cybersecurity-Netzwerk

Frauen sorgen für IT-Sicherheit: „Jungs, wir müssen uns zusammensetzen“
Die Fragen stellte Anngret Handel-Kempf


Die Cybersecurity Netzwerk-Vereinigung Women in Identity (WiD) trifft sich alle zwei Monate bei regionalen Social Events, in USA, Kanada, Asien, Australien oder auch in München und Berlin. in einer digital zunehmend vernetzten Welt der Industrie 4.0 und des Internets der Dinge (IoT) engagieren sich die Identity (ID)-Fachfrauen und -Managerinnen beruflich für Datensicherheit, Datenschutz,Identitäts- und Zugangs-Management.

Seit 2017 sorgen sie über WiD dafür, dass auch Spezialistinnen leichter Zugriff auf interessante und relevante Jobs in der Informationstechnologie (IT) bekommen. Annegret Handel-Kempf sprach mit Dr. Barbara Mandl, Director Foster Fore GmbH, die sich als gelernte Physikerin selbst in der IT-Security-Karrierewelt hocharbeitete und die als Gallionsfigur der WiD in Deutschland anderen Frauen aus der Identity- und IT-Sicherheits-Branche dabei hilft, in der Männer-Domäne wichtige Positionen zu übernehmen.

Interview mit Dr. Barbara Mandl

Annegret Handel-Kempf: Frau Mandl, Sie waren bis Mai 2017 CISO im Daimler-Konzern und hatten als Mitglied der Geschäftsführung die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Informationssicherheit im Unternehmen und bei seinen Automotive-Produkten herrscht. Angesichts Ihrer Karriere: Warum ist es überhaupt nötig, neue Beziehungen und Mentorships zwischen Frauen in der Tech-Branche zu fördern? Warum gibt es die "Women in Identity"?

Barbara Mandl: Women in Identity (WiD) ist von aktiven Frauen, vor allem aus Amerika, die ich zufällig kannte, angefangen worden. Wir wollen Frauen ermutigen, in das Fachgebiet Identity Access Management zu gehen. Die Themen rund um sichere Authentifizierung und Identitätsverwaltung sind weltweit vorhanden. Sie sind aber ein bisschen unterschiedlicher Natur in verschiedenen Ländern und auch in den jeweiligen Firmen.
Wir wollen erreichen, dass Frauen sich vernetzen können. Auch in der heutigen Zeit ist es für sie noch sehr schwierig. Unsere Jobs in ID und Security sind weiterhin hauptsächlich männlich dominiert. Das Netzwerken läuft da nicht so gut für jede Frau.


Annegret Handel-Kempf: Woran liegt das?

Barbara Mandl: Gerade auch in Deutschland ist es noch oft der Fall, dass Frauen zuhause alles im Alleingang erledigen und die Kinder haben. Sie können abends nicht schnell auf ein Glas Bier gehen, wie das die Männer zum Netzwerken machen. Inzwischen ändert sich das aber bei den Männern. Die übernehmen jetzt auch diese Aufgaben - global gesehen und generationenabhängig.


Annegret Handel-Kempf: Wenn Männer den Frauen den Rücken freihalten - was steht dann zwischen IT-Security- beziehungsweise ID-Frauen und dem erfolgreichen Netzwerken?

Barbara Mandl: Viele Frauen sind doch eher zurückhaltend, wenn es um sie selbst geht. Auch wenn sie in der Sache, in ihrem Job stark sind. Frauen empfinden es als schwierig, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn Du netzwerkst, musst Du irgendwie einen Einstieg finden.


Annegret Handel-Kempf: Welche Tipps und Hilfen fürs karriererelevante Selbstbewusstsein geben Sie bei WiD?

Barbara Mandl: Das Selbstbewusstsein kommt beispielsweise, wenn Du bei solchen Meetings unter Fachfrauen, unter Kolleginnen der gleichen Ebene, hörst: „Ach, die hat auch das Problem.“ Ich persönlich habe dabei festgestellt, dass es bei vielen das Gleiche ist: Dass wir zu viele Fragen stellen, dass wir zu genau sind. Dann ist es gut, sich zu treffen und zu merken: „Du bist nicht der Vollidiot! Wir scheinen das alle ein bisschen so zu machen. Wenn Du ein Problem mit Deinem Chef hast, wenn der Schwierigkeiten nicht sieht, wird er die auch in zwei Jahren nicht sehen. Deshalb wäre es gut, vielleicht eine andere Stelle zu suchen, in deiner Firma oder darüber hinaus. - Aber "darüber " geht eben nicht, wenn Du kein geeignetes Netzwerk hast.


Annegret Handel-Kempf: Männer vermitteln Jobs nicht an Frauen?

Barbara Mandl: Das haben wir bei WiD gesehen, durch unsere Verbindungen, dass das sehr selten ist. Männer mentoren Frauen oft in zwei Richtungen: Entweder so das Väterliche zu einer Frau. Oder es kommt Konkurrenz auf. Deshalb wollen wir Mentorinnen, die beispielsweise Frauen darin unterstützen, mehr auf Konferenzen zu sprechen.


Annegret Handel-Kempf: Wie gehen Sie konkret vor?

Barbara Mandl: Wir sind eine kleine Gruppe. Die Amerikanerinnen sind weiterhin sehr stark. Wir haben eine Website, man kann auf LinkedIn der Gruppe zusteigen. Da fünf von uns sehr aktiv sind, sieht man uns auf vielen Konferenzen. Jede, die auf einem Kongress ist, versucht eine Veranstaltung reinzubringen, so wie im Mai in München, auf der "European Identity Conference (EIC)". Wir helfen vor Ort: Wenn wir den ersten Vortrag einer WiD-Netzwerkerin vorab angehört und ihr Tipps aus unserer Erfahrung gegeben haben, nimmt deren Nervosität ab.


Annegret Handel-Kempf: Auf der EIC erlebte ich zwei Sprecherinnen nacheinander im Auditorium.

Barbara Mandl:Es nimmt zu. Es ändert sich schon. Vor acht Jahren war ich die einzige Keynote-Sprecherin bei diesem großen europäischen Identity-Kongress. Jetzt gibt es viele Frauen, die Keynotes geben. Wir schauen auch, dass viele Frauen in den kleineren Talkrunden vortragen. So lernen sie andere Professionals aus ihrem Themenbereich kennen.


Annegret Handel-Kempf: Stellen Frauen zu hohe Ansprüche an sich selbst?

Barbara Mandl: Ich habe die Angst, dass Frauen immer noch denken, sie müssen 150 Prozent geben, nicht nur 100. Ich habe jetzt ein paar jüngere Frauen unter Dreißig, die sind nicht so. Die sind bei Konferenzen und Messen ganz selbstverständlich da. Das gefällt mir. Eine hervorragende Architektin kenne ich seit dreizehn Jahren. Ihr haben wir bei WiD gesagt: Du musst endlich vortragen. Und sie ist jetzt sehr erfolgreich. Dafür musste sie aus ihrer Komfortzone raus. Mein Anliegen ist, dass mehr Techies, Architektinnen, Frauen, die Code schreiben, in die Identity-Branche, in die IT-Security, reinkommen. Ich wünsche mir auch mehr Frauen, die ins Management gehen können. Nicht nur in den Sales-Bereich.


Annegret Handel-Kempf: Wenn Frauen alles geben, schafft das mehr Konkurrenz zu den Männern, erschwert das den Einstieg und den Aufstieg für Frauen?

Barbara Mandl: Bei Daimler kam das auf. Es gab Quoten, fürs Reindürfen, fürs Höheraufsteigen. Unwillkürlich kam der Neid auf: Warum hat die das geschafft, warum bin ich nichts als Mann?


Annegret Handel-Kempf: Erzählen Männer qualifizierten Frauen weniger von interessanten Jobs, weil ihre Kolleginnen schüchtern sind?

Barbara Mandl: Anders herum. Was wir bei Women in Identity wissen: Frauen stellen viele Fragen. Das ist nicht so beliebt. Dabei ist das Fragenstellen eigentlich sehr gut. Zurück zu WiD. Es ist wichtig, dass Frauen im Identity Access Management und in der Security arbeiten. Frauen haben eine andere Perspektive. Es ist wichtig, diese andere Perspektive zu haben.


Annegret Handel-Kempf: Dann müsste Frauen der Einstieg ins Identity Access Management und in die IT-Security doch leicht gemacht werden?

Barbara Mandl: Der Zugang zum Arbeiten in Identity und Security ist besonders schwierig. Es gibt leider immer noch Demotivierendes. Für uns Frauen ist das gesamte Thema wichtig. Wenn man noch nicht in der Security gearbeitet hat, sieht man die ganzen Bedrohungen und Probleme nicht. Ebenso wenig, wie es ist, in einem Team an Sicherheitsfragen zu arbeiten.
Vor zehn, zwölf Jahren waren Frauen noch Konkurrentinnen untereinander, in der gesamten IT. Diese Zeit ist zum Glück vorbei. Wir arbeiten zusammen, netzwerken. Das ist das Gleiche in der Security: Frauen liefern einen wichtigen Beitrag in der Security, mit Fragen, mit Technischem, mit Vorgaben.


Annegret Handel-Kempf: Was können Frauen beispielsweise dazu beitragen, damit Menschen in autonomer werdenden Autos sicher fahren?

Barbara Mandl: Sie können über das Auto reden. Als das autonom beziehungsweise zunehmend selbständig fahrende Auto in Sicht kam, war mir klar, wir müssen uns über alle Abteilungen abstimmen, was wir zulassen und was nicht. Diese Diskussion zu starten, war sehr schwierig. Ich habe es gerne, dass man in einer ganzen Gruppe diskutiert. Frauen haben den Vorteil, dass sie sich zurücknehmen. Sie fragen: „Was denkst Du, ist das größte Risiko?“ Und dann kommt etwas Effizientes dabei heraus.


Annegret Handel-Kempf: Wenn eine Firma sagt, ich mache jetzt Internet of Things, mit allem drum und dran, wie geht, vor lauter Begeisterung am Digitalisieren, die Security nicht unter?

Barbara Mandl: Da brauchst Du starke Manager, die sagen: „Jungs, wir müssen uns zusammensetzen.“ Ich bin so jemand, der hingeht und sagt: „Habt ihr auch daran gedacht?“
Ich weiß, so ein Nachhaken ist lästig, Du willst als Ingenieur ja weiterkommen. Du willst Dein Flugzeug fliegen lassen, Du willst die Autos automatisiert fahren lassen. Und dann kommt so ein lästiger Teufel und sagt: „Mmh, dieses Feature möchte ich besser erst mal nicht.“ Der Security-Mensch sagt immer: „Was wäre wenn?“. Der Ingenieur will das Feature. Alle fürchten den Hacker, aber da ist der Security Manager davor, auch bei Security im Automotive. Der Vorteil als Frau beim Absichern ist, Du kannst manchmal Deinen Charme spielen lassen.


Annegret Handel-Kempf: Suchen Headhunter starke Frauen?

Barbara Mandl: Uns interessieren nicht der Titel oder das geile Auto. Deshalb ist auch Schnuppern für junge Frauen wichtig. Damit sie sehen, wie es in der Firma insgesamt zugeht.
Deshalb haben Headhunter noch vor ein paar Jahren gesagt, wir neigen dazu, dass doch wieder Männer eingestellt werden, weil die stellen nicht so komische Fragen nach dem Job-Umfeld, nach den Job-Inhalten. Männer verstehen oft auch nicht, dass wir anders ticken, dass wir zum Beispiel in der Security bleiben wollen. Sondern sie nehmen automatisch an, dass wir den oder den höheren Job haben wollen.

Doch jetzt wollen die Firmen meistens Frauen haben. Jetzt müssen die Headhunter schauen, dass sie in ihren Listen auch ID- und Security-Spezialistinnen führen. Wenn wir angeschrieben werden und „nein“ sagen, können wir mittlerweile antworten: „Ich weiß da jemanden.“ Nicht unbedingt einen Mann, sondern eine Frau. Denn durch das Netzwerken über WiD kenne ich jetzt einige hoch qualifizierte Frauen in Deutschland.


Weitere Informationen, Link zu externer Seite des Netzwerks: womeninidentity.org


2019-07-04, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
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