Fröhliche Sommerzeit mit Nachhaltigkeit
Sorgenfrei Feiern und Fahren ohne Spaßbremse, Nebenwirkungen und Kater
von Anngret Handel-Kempf
Ein Gin ohne Alkohol, der Gesundheit und Gehirnzellen schützen soll. Der trotzdem Spaß macht. Das war die Vision von Till Grönemeyer und Tom Collet, die erste Destillate von „Guilty“ im Frühling beim Deutschen Innovationsgipfel in München ausschenkten. Reinen Genuss ohne Reue wünschen sich auch viele Autofahrer. Erfindergeist ist gefragt, wenn es um „harm“losen Sp(i)rit zwischen Klimakrise und Konsumrausch geht.
Ohne fossile Kraftstoffe mit einem Verbrennungsmotor fahren. Das klingt ähnlich radikal, wie in einer Traditions-Destillerie am Schliersee Gin ohne Alkoholgehalt zu ordern. Anton Stetter, Geschäftsführer von Lantenhammer, einer Edelbrände-, Liqueure- und Whisky-Manufaktur, kratzt sich leicht verlegen am Kopf. Dennoch schmunzelt er, als er humorig davon erzählt, wie die Start-up-Unternehmer mit ihrem verwegenen Anliegen auf ihn zukamen und Lantenhammer von der Gemeinschaftsunternehmung überzeugten, die unter dem Namen „Guilty“ ein erstes „ganz erdiges, konsequentes Produkt“ hervorgebracht habe. Prävention de luxe.
Anton Stettner im Gespräch: „Mia san hia, weil vor einem Jahr san zwei schräge Typen auf uns zukimma. Der Dietrich Grönemeyer und der Till Grönemeyer. Der Dietrich Grönemeyer, der im medizinischen Bereich sehr viel unterwegs ist. Der Till Grönemeyer hat mir erzählt, dass er nie mehr im Leben Alkohol trinken will, aber das Gin-Thema total geil findet.“
Gin habe den Vorteil, dass man ihn nie pur trinkt. Beispielsweise mit Tonic vermischt, sei man nicht so sehr auf Alkohol als Geschmacksträger angewiesen. Zudem sei Gin in den vergangenen zehn Jahren ein „urbanes, sehr junges, sehr starkes Thema weltweit“ geworden. Dennoch: „Meine Destillateure waren völlig konsterniert“, erzählt Stetter. „Das ist so, wie wenn man in eine Metzgerei reinmarschiert und ein veganes Schnitzel will.“ Mit der Versuch- und-Irrtum-Methode haben die Gin-Braumeister vom Schliersee dennoch einen akzeptablen Alkohol-Ersatz kreiert. Der Geschäftsführer der Edelbrandmanufaktur: „Wir haben es geschafft, in einem Jahr einen Gin-Ersatz hinzubringen. Wir destillieren Wasser mit verschiedenen Ingredienzien.“
Für 25 Euro ist die Flasche Gin ohne Alkohol zu haben. Die ersten Verkostungen gab es beim Deutschen Innovationsgipfel im Frühling in München, wo Vorstandsvorsitzende, aber auch Start-ups, über Strategien zur Digitalisierung, Innovationen und Nachhaltigkeit sinnierten und debattierten.
Der Selbsttest: Zweifelsfrei nichts als destilliertes Wasser, Kräuter und Obst sind zu schmecken. Gemischt mit Tonic, dekoriert mit einem Blättchen Minze. Tatsächlich, „Guilty“ lässt sich beim Plaudern angenehm nippen, macht mehr her als ein Glas stilles Wasser in der Hand. Autofahren ist anschließend auch kein Problem. Purer, einigermaßen leckerer Genuss, ganz ohne „Sprit“ und körperliche Beeinträchtigungen.
Was in die alten Verbrennungsmotoren künftig hinein soll, wenn Diesel und Benzin aus Gründen der Klima- und Menschen-Gesundheit unerwünscht sind, ist weniger einfach. Verbrennungseffizienz einerseits und Verbote andererseits sind heiß diskutierte Themen. Nicht nur beim Cocktail und in Konferenzen, sondern auch in Forschungslaboren und bei politischen Entscheidern.
Verbrennen und Antreiben ohne fossile Kraftstoffe, sowie fast ohne unerwünschte Nebenprodukte wie Rußpartikel oder Kohlenwasserstoffe, soll mit neuen Designerkraftstoffen möglich sein. Das wäre gut für die Luftreinheit.
Das Projekt "XME-Diesel", das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, hat das Ziel, den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen aus der Gruppe der Oxymethylenether OME voranzubringen. Wissenschaftler des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen der TUM haben dabei untersucht, wie sich OME im Motor verhalten, welche Anpassungen nötig sind, damit die Verbrennung effizienter ist und wie stark sich die schädlichen Emissionen im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen reduzieren lassen. Da der synthetische Kraftstoff keinen Ruß produziert, soll es möglich sein, große Mengen an Abgas wieder in den Motor zurückzuführen, ohne dass der Einlasstrakt verschmutzt wird. Mit diesem Verfahren wird - den TUM-Forschern zufolge - die Entstehung von Stickoxiden gebremst, weil das rückgeführte Abgas sehr hohe Temperaturen während der Verbrennung verhindert.
Annegret Handel-Kempf fragte nach bei Forschern der Technischen Universität München (TUM), die mit am "XME-Diesel-Projekt für den Verbrennungsmotor" arbeiten, das ein wenig ans Destillieren ohne Alkohol erinnert.
Annegret Handel-Kempf: Vielen Autobesitzern oder LKW-Flottenbetreibern wäre es am liebsten, sie könnten mit ihren vorhandenen Fahrzeugen klimaneutrale Kraftstoffe tanken. Bietet denn das XME-Diesel-Projekt mit seinen synthetischen Kraftstoffen diese Möglichkeit?
Projekt-Koordinator Dr. Martin Härtl (TUM): Unser Projekt ist ein Forschungsprojekt; hier wollen wir die Möglichkeit einer klima- und emissionsneutralen Mobilität mit Verbrennungsmotoren demonstrieren. Einzelne Fahrzeuge sind bereits von uns und anderen, zum Beispiel der TU Darmstadt, umgerüstet worden, so dass wir an der Machbarkeit nicht zweifeln.
Annegret Handel-Kempf: Mit welchem Aufwand und welchen Kosten müssten Fahrzeuge umgebaut werden, um OME-Kraftstoffe zu tanken und klimafreundlich unterwegs zu sein?.
Projekt-Koordinator Dr. Martin Härtl (TUM): Ein Umbau ist technisch machbar und mit niedrigen, vierstelligen Kosten verbunden. Sinnvoller ist aber die gezielte Auslegung neuer OME-Motoren, weil diese das Potential deutlich geringerer Schadstoffemissionen haben. Denn synthetische Kraftstoffe - und auch die E-Mobilität - sind ja erst dann CO2-neutral, wenn das Energiesystem vollständig nachhaltig geworden ist. Etwa 85 Prozent des Weges liegen hier noch vor uns, und auch der Ausstieg aus der Kohle soll ja noch knapp 20 Jahre dauern. Berücksichtigt man noch die Bauzeiten chemischer Anlagen zur synthetischen Kraftstoffherstellung - mit bis zu zehn Jahren für Großprojekte - wird klar, dass es hier eine langfristige Strategie geben muss.
Nachgefragt bei Steffen Eppler, Experte für alternative Kraftstoffe bei der Robert Boch GmbH
Annegret Handel-Kempf: Bieten die kraftstoffführenden Komponenten von Bosch für Dieselmotoren bereits jetzt für jedermann die Möglichkeit, klimaneutral mit Verbrennungsmotoren unterwegs zu sein? Und mit welchem Aufwand und welchen Kosten müssten vorhandene Fahrzeuge umgebaut werden, um regenerative und synthetische Kraftstoffe zu tanken und klimafreundlich zu fahren?
Steffen Eppler, Experte für alternative Kraftstoffe bei der Robert Bosch GmbH: Regenerative und synthetische Kraftstoffe für Dieselmotoren können bereits heute innerhalb der bestehenden Kraftstoffnormen beigemischt und genutzt werden. Ein Umbau der Fahrzeuge ist hierfür nicht erforderlich. Ein möglicher erneuerbarer Kraftstoff für die Anwendung im Dieselmotor ist sogenannter paraffinischer Kraftstoff, der innerhalb der Dieselkraftstoffnorm DIN EN590 beimischbar ist. Dies erfolgt beispielsweise beim Kraftstoff „R33 BlueDiesel“ mit etwa 26 Prozent. Im Feld befindliche Dieselfahrzeuge könnten durch die Verwendung eines solchen Kraftstoffs den individuellen CO2-Ausstoß - well-to-Wheel (das heißt: gemessen an Gewinnung und Bereitstellung des Treibstoffs, beziehungsweise Energieträgers, bis zur Umwandlung in Bewegungsenergie; Anmerkung der Redaktion) - um bis zu 20 Prozent reduzieren. Für den Einsatz von 100 Prozent paraffinischen Dieselkraftstoffen wurde zusätzlich die Norm EN 15490 herausgegeben.
Bosch hat bereits in den vergangenen Jahren die Kompatibilität seiner Dieseleinspritzkomponenten mit reinem paraffinischem Dieselkraftstoff gemäß dieser Norm - EN 15940 - intensiv getestet und die relevanten Komponentenfamilien für eine Verwendung freigegeben. Die Freigabe der Fahrzeuge für rein paraffinische Kraftstoffe obliegt dem einzelnen Fahrzeughersteller, die Anzahl der Freigaben nimmt hier kontinuierlich zu. Paraffinische Kraftstoffe werden heute vorrangig aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt, bei Verwendung dieses Kraftstoffes – z.B. C.A.R.E-Diesel – ergibt sich eine CO2-Reduzierung - well-to-wheel - um rund zwei Drittel. Eine gänzlich klimaneutrale Mobilität auf Basis dieser paraffinischen Kraftstoffe ist möglich, wenn diese nicht aus Reststoffen, sondern aus erneuerbarem Strom hergestellt werden - "eFuels".
Annegret Handel-Kempf: Wann könnten klimaneutrale Kraftstoffe an öffentlich zugänglichen Tankstellen zu finden sein, wenn alle Beteiligten richtig Gas gäben??
Steffen Eppler: Zusätzlich zu den Biokraftstoffen der zweiten Generation, die ebenfalls ein erhebliches Potenzial zur CO2-Reduzierung bieten, könnte der Beginn einer Industrialisierung von strombasierten Kraftstoffen zeitnah erfolgen. Die Technologien sind vorhanden. Der Zeitbedarf für den Aufbau von Produktionskapazitäten in Größenordnungen der heutigen fossilen Kraftstoffmengen ist - Stand heute - noch schwer abschätzbar und sollte eher im Kontext der langfristigen Klimaziele<&b> betrachtet werden. Vergleichbar mit der Steigerung des erneuerbaren Anteils im Strom ist es auch bei den Kraftstoffen relevant, den erneuerbaren Anteil kontinuierlich zu steigern.
Aus Klimasicht ist es dabei unerheblich, ob die eingebrachte Menge an erneuerbarem Kraftstoff in Reinform an ausgewählten Tankstellen, zum Beispiel Flotten, oder als geringerer Mischanteil an allen Tankstellen eingesetzt wird.
Eine breitflächige Ausgabe von rein paraffinischem Diesel an Tankstellen in Europa ist derzeit nicht möglich, da die erforderlichen Mengen nicht zu Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass viele Staaten die Abgabe von Kraftstoff an öffentlichen Tankstellen in ihrer nationalen Gesetzgebung regeln. Vielfach ist die Norm EN 15940 noch nicht in die entsprechenden Regelwerke aufgenommen worden, so auch in Deutschland. Eine Aufnahme der EN 15940 in die in Deutschland geltende zehnte Bundesimmissionsschutzverordnung ist der nächste Schritt.
Annegret Handel-Kempf: Erwarten Sie Unterschiede bei regenerativen und synthetischen Kraftstoffen gegenüber herkömmlichem Diesel hinsichtlich der Leistungsaufnahme?
Steffen Eppler: Paraffinischer Kraftstoff weist im Vergleich zu herkömmlichen Dieselkraftstoff eine etwas niedrigere Dichte und höhere Zündwilligkeit auf, Einschränkungen beim Nutzer sind jedoch nicht gegeben.
Annegret Handel-Kempf: Erwarten Sie Unterschiede bei der Sicherheit?
Steffen Eppler: Die Handhabung von paraffinischem Diesel muss mit den gleichen Vorsichtsmaßnahmen erfolgen, die bei herkömmlichen Dieselkraftstoffen angewendet werden. Wenn paraffinischer Diesel in die Umwelt gelangt, ist dieser auf Grund seiner aromatenfreien Beschaffenheit weniger giftig und besser abbaubar.
Annegret Handel-Kempf: Und beim Preis?
Steffen Eppler: Die reinen Produktionskosten vor allem von strombasierten Kraftstoffen werden auch langfristig über den Kosten heutiger fossiler Kraftstoffe liegen. Steuern bestimmen jedoch maßgeblich den Endkundenpreis von Kraftstoffen. Eine Berücksichtigung der „grünen“ Eigenschaft von klimaneutralen Kraftstoffen in der Besteuerung kann diesen Nachteil relativieren.
Annegret Handel-Kempf: Lässt sich aus Sicht von Bosch der Verbrennungsmotor noch retten?
Steffen Eppler: Neueste Marktprognosen von Bosch gehen davon aus, dass weltweit 2025 rund 20 Prozent aller neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge Plug-in-Hybride oder Elektroautos sind. Im Jahr 2030 werden es bereits mehr als 25 Prozent sein. Das heißt aber auch: Etwa 70 Prozent der Fahrzeuge werden auch dann noch mit Verbrennungsmotoren fahren, Teile davon mit elektrifizierter Unterstützung von 48-Volt-Systemen. Bosch geht die Zukunft des Antriebs technologieoffen an. Das Technologie- und Dienstleistungsunternehmen verfolgt die Vision eines nahezu emissionsfreien Verkehrs, entwickelt gezielt den Verbrenner weiter und will Marktführer bei der Elektromobilität werden.
2019-07-17, Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf und Anton Stetter, Lantenhammer, Traditions-Destillerie am Schliersee. Martin Härtel, Technische Universität München (TUM) und Steffen Eppler, Robert Bosch GmbH
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