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Impfen statt Fakenews

Oder: Warum die eigentlichen Spaßbremsen die Impftheoretiker sind

von Angelika Petrich-Hornetz


Die Bundeskanzlerin hatte sogar den letzten Podcast vor ihrem Abschied zum Anlass genommen, um dringend zum Impfen aufzurufen - aus guten Gründen. Wir schließen uns an, weil das schöne pralle Leben, der Weihnachtsbraten, Fußballspiele in echt, die testfreie Arbeit, Feiern ohne Buße und der wohlverdiente Urlaub nicht ohne zurückkehren werden.

Fakt ist: Wir haben Impfstoffe, die wirken. Wer das immer noch nicht glauben will, soll sich in den Berichten von Intensivmedizinern und Intensivschwestern und -pflegern in Kenntnis setzen lassen, die genau sagen können, a) worin im Krankenhaus der Unterschied zwischen geimpft und ungeimpft liegt, welche Syptome auftauchen, und wer bei ihnen a) mit schwersten Verläufen oder gar b) mit dem Tod rechnen muss.
Es gibt auch Impfdurchbrüche, ja, und zwar aus unterschiedlichsten Gründen, aber die aktuell dramatischsten Fälle betreffen Ungeimpfte, darunter aktuell viele Jüngere und darunter wiederum auch junge, schwangere Frauen, die - genauso wie ihre Kinder - zum Teil überleben und zum Teil nicht. Das ist unterträglich, aber auch nur ein Beispiel für die unzähligen Todesfälle in dieser Pandemie, die durch schlichtes Impfen vermeidbar gewesen wären. In einer Pandemie ist es sinnlos, seine eigenen Ängste oder die eigene Freiheit über das Leben und die Freiheit dieser jungen Frauen, ihrer Kinder und anderen zu stellen - und sich gleichwohl selbst in Lebensgefahr zu bringen, die im Ernstfall einer Klinikeinweisung zwangsläufig wieder Lebensgefahr für andere, nämlich das immer rarer werdende medizinische Personal bedeutet. In einer Pandemie fühlen sich nachvollziehbar viele allein, und doch sind in Wirklichkeit alle miteinander verbunden und aufeinander angwiesen.

Die Politik hat Fehler gemacht, ja, aber mehr als 80 Millionen Menschen vor einem weltweit, grassierenden, tödlichen Virus zu schützen, ist alles andere als einfach, gerade wenn sich Millionen Erwachsene ausgerechnet jetzt, in einer besonders kritischen Phasen, mitten (!) in einer Pandemie (!), weigern, sich impfen zu lassen. Generation X geht jetzt Jahr für Jahr in Rente, die von einer sehr dünnen Basis der Jüngeren finanziert werden will, in der wirklich jede/r gebraucht werden wird, um dieses Land in Schwung zu halten. Soviel Solidarität gegenüber den Jüngeren muss es geben, dass erwachsene Menschen über den Tellerrand sehen und sich impfen lassen.
Welche Freiheit haben ältere Impfgegner nach dem Abklingen der Pandemie noch zu erwarten, sollten sie überleben, wenn die eh schon sehr knapp besetzte Jugend weiter abnimmt, der nichts außer Panik vor einer schlichten Impfung hinterlassen wurde?

An welche Freiheit haben Impfgegner für Covid-19-Erkrankte auf einer Intensivstation eigentlich gedacht, wenn die Betroffenen mit Schläuchen vollgstopft werden, in Arm- und Halsvenen, in Blase, Rachen oder Hals und im schlechtesten Fall ihr Blut regelmäßig rausgesogen und wieder reingepumpt (ECMO) wird? Wieviel Wahlmöglichkeiten räumen sie diesen, ihren Mitmenschen noch ein, darunter Schwangere, akut und chronisch Kranke und Kinder, die dort liegend gar keine Wahl mehr haben und damit eindeutig auch nicht mehr darüber, ob sie sich etwa eine 0,3 Milliliter "große" Covid-19-Impfstoffspritze - oder lieber doch wochenlang täglich literweise Flüssigkeit und Medikamente zur Aufrechterhaltung ihres Kreislaufs, ihrer Ernährung und zu ihrer Heilung durch o.g. Schläuche verabreichen lassen "möchten"?

Die aktuell zur Verfügung Covid-19-Impfstoffe sind von ihren Herstellern im Rekordtempo eines einzigen Jahres entwickelt worden und damit ein absoluter Glückfall einer zielführenden, akuten Hilfe gegen die aktuellen, schlimmsten Auswirkungen dieser Pandemie, selbst wenn sie nicht ewig und gegen alle Mutationen vorhalten, die jeder weitere, unnötige Krankheitsfall nun einmal nach sich ziehen kann. Diese Unternehmen haben es verstanden, was es bedeutet, in einer weltweiten Krise angemessen zügig zu handeln.

Wer Elend, Schlangestehen und Tests in Dauerschleife nicht mehr sehen kann und wirklich vermeiden will, arbeitet mit (!) - auch daran, für die ganze Welt Impfstoffe zur Verfügung zu stellen. Wie das im Einzelnen geschehen soll, ist erst einmnal egal, Hauptsache es passiert, und das kann, in einer globalen Gesellschaft auch auf ganz verschiedene Art und Weise gehandhabt werden, am besten von allen Seiten.
Wer sich aber lieber damit beschäftigt, es gäbe eine Weltverschwörung der Impfhersteller, der sollte auch darüber nachdenken, ob er nicht selbst einer Verschwörung auf den Leim gegangen ist, die es inzwischen vorzieht, ohne Abstand und ohne Maske, aber mit Trommeln und Fackeln auf demokratisch gewählte Politiker loszugehen, wie vergangene Woche in Grimma vor dem Privathaus der SPD-Politikerin Petra Köpping geschehen. Das beinhaltet neben dem Aufbau eines Bedrohungsszenarios "nebenbei", sich und andere möglicherweise zu infizieren, darunter auch die Polizistinnen und Polizisten, die ständig auf solche Kindergeburtstags-Veranstaltungen aufpassen müssen - und inzwischen ganz genauso chronisch überarbeitet sind, wie Krankenschwestern und -pfleger auf Intensivstationen, weil auch sie haben: Familie - und das Recht auf Freiheit.

Im Übrigen sind wir die Pandemie alle leid und erschöpfen uns die täglich notwendigen Maßnahmen, die mit mehr Impfungen unter Erwachsenen (!) in einem geringeren Ausmaß notwendig wären. Wären alle Erwachsenen geimpft, müsste wohl auch nicht andauernd und massenhaft getestet werden. Impfgegner haben darüberhinaus nicht das einseitige Privileg, sich als angeblich ganz allein unter den ganzen vermaledeiten Corona-Maßnahmen Leidenden über alle andere Bürgerinnen und Bürger zu erheben, aber sie tun es dreist - und einige sorgen nebenbei mit provokant ungeschützten Verhalten auf Versammlungen exakt für jene weitere Ausbreitung des Virus', die es gerade tunlichst zu vermeiden gilt.
Einige darunter gehen noch weiter und verlassen ungeniert die freiheitlich-demokratische Grundordnung, indem sie in einschlägigen Sozialen Hetzwerken gewählten Volksvertretern inzwischen offen rohe Gewalt androhen - während das Sterben auf den Intensivstationen unvermindert weitergeht, das offenbar parallel zu den eigenen Gewaltvorstellungen ebenso schulterzuckend hingenommen wird und die Pandemie weiter befeuern: Viren haben es nun einmal an sich, dass sie in jede Lücke springen - und in diesem Fall in jede Impflücke.

Aufmärsche gegen Politiker, Ärzte, Forscher, Rettungs- und Ordnungskräfte, die die unangenehme Aufgabe haben, Maßnahmen umsetzen zu müssen, gerade weil sich immer noch Millionen Erwachsene weigern, sich impfen zu lassen, bringen niemanden etwas, mit Ausnahme von radikalen Kräften, die nichts weniger als die Abschaffung der Demokratie als Lösung ihrer Probleme betrachten. Das hatten wir schon, eine Gewaltherrschaft, die allein das Recht des Stärkeren befördert, löst gar keine Probleme, sondern ist die Ursache aller Probleme.

Weder die Politik, noch die Medizin und Wissenschaft oder deren Maßnahmen oder gar die Impfstoffe (Der neueste Schrei: die Kritik an den Impfstoffen als solche, sie seien zu schlecht. Aha.) sind die Feinde der Gesellschaft, sondern es ist das Virus selbst. Warum demonstriert niemand gegen das Virus?
Weil es nicht funktioniert? Genau, es funktioniert nicht. Man kann nicht gegen eine tödliche Pandemie protestieren, in der alle aufeinander angewiesen sind, wie noch nie zuvor. Die Pandemie wird einfach dableiben, wenn sich zu viele Erwachsene in diesem Land weiter wie Mimosen verhalten.
Das einzige, das funktioniert, ist Anpassung an die Pandemielage - und die ist für alle schwierig.
Wenn wir Glück haben, wird es 2023 besser, mit noch mehr Glück schon vorher und mit Pech erst 2024 - oder, sollte die Unvernunft weiterhin die Oberhand behalten, nie. Dass es so lange dauert, hat im reichen Deutschland natürlich niemand erwartet, schließlich sind die großen Seuchen der Vergangenheit, die sich regelmäßig erreigneten von den heute im jahrzehntelangen Luxus einer relativen Pandemiefreiheit Lebenden weitesgehend verdrängt und vergessen worden. Zur Erinnerung: Bei allen Vorgängern gab es das gleiche wie jetzt: Kontaktbeschränkungen, Masken, Hygieneregeln - aber, das ist der Unterschied, es gab damals keine Impfstoffe, die moderne und beste Waffe gegen tödliche Viren.

Der mRNA-Impfstoff von BioNTech, zum Beispiel, war gar nicht das ursprüngliche Ziel das Forschung, sondern die besteht aus vielen Akteuren, die bereits seit vielen Jahren an der Technologie als solcher feilten und daran arbeiteten, um daraus irgendwann Impfstoffe und Medikamente für verschiedene Krankheiten zu entwickeln. Die Corona-Pandemie kam lediglich dazwischen - und beschleunigte die gezielte Entwicklung eines Impfstoffs gegen einen bestimmten Virustyp. Die mRNA-Technologie wird eines Tages noch mehr Großartiges leisten, als die Welt "nur" in den schlimmsten Phasen im Kampf gegen Corona unterstützen zu können. Und so lange es nichts noch Besseres gibt, sind alle vorhandenen Impfstoffe, das Beste was es gibt. Diese Impfstoffe helfen messbar, vor allem Tod und schwere Verläufe mit allen Folgen daraus - nicht komplett zu verhindern -, aber sehr drastisch zu reduzieren.

Die gute Nachricht für Geimpfte, die sich um sich und ihre Lieben sorgen (immerhin noch jemand da), für Ungeimpfte, die immer noch notorisch zweifeln oder herumwüten, und für die Weltwirtschaft, die ihre Felle langsam davonschwimmen sieht: Es wird in kürzester Zeit die - auch unter Impfgegnern beliebten - Totimpfstoffe auch gegen Corona geben, von denen mehrere bereits eine Zulassung erhalten haben oder kurz vor der Zulassung stehen, die ähnlich denen der Impfstoffe, wie z. B. der gegen Kinderlähmung (Polio) sind - oder der Grippe-Impfung - und gegen die haben interessanterweise ausgerechnet einige Corona-Impfgegner überhaupt nichts. Dennoch gibt es Unterschiede, denn auch die neuen Totimpfstoffe sind ganz neu entwickelte Impfstoffe. Gleichzeitig schreitet die Entwicklung möglicher medikamentösen Therapien von Covid-19-Erkrankten rasant voran, ein zusätzliches Pfund im Kampf gegen diese Covid-19-Seuche.

Die schlechte Nachricht ist die Variante Omikron, sollte sich deren Wirkung nicht - das kommt in Epidemien und Pandemien durchaus vor - abschwächen oder die Hersteller nicht schnell genug mit der Weiterentwicklung gegen die Mutante vorankommen, wie beim Original. Die ersten Varianten von Omikron sollen älter als Delta sein, die in Deutschland aktuell immerhin für ein bis zwei Passagierflugzeugabstürze täglich ohne Überlebende sorgt. Die Frage lautet, wo sie sich solange versteckt und weiterentwickelt haben könnte. Spektrum der Wissenschaft fasste kürzlich in einem Artikel einige theoretische Möglichkeiten zusammen, wie das eventuell(!) vor sich gegangen sein könnte.

Nach Mutationen im Menschen wurde als letzte Möglichkeit beschrieben, dass sich Omikron in Tieren weiterentwickelte und wieder auf den Menschen übergesprungen sein könnte. Covid-19-Infektionen bei Tieren - von Zoo-Tigern, über Katzen, Hunde bis zu Wildtieren - sind durchgehend seit dem Ausbruch der Pandemie weltweit bekannt und dokumentiert - und werden mittlerweile auch in einigen Laboren sequenziert (auf Varianten untersucht). Bisher haben sich die Tiere meistens beim Menschen angesteckt und spielten - mit Ausnahme von Nerzfarmen - bis 2021 eine untergeordnete Rolle. Wenn aber mit einer schnelleren Variante, der Wild-, Nutz- und Heimtierbestand durchseucht werden kann, gäbe es noch ganz andere Probleme als die aktuellen - und nur mehrere Millionen erwachsene Impfverweigerer in Deutschland vom Sinn einer Impfung zu überzeugen.

Vielleicht ist die Pandemie noch nicht für jeden spürbar genug und erst eine Variante, von der jede/r Infizierte jedesmal aufs Neue fünf Tage durchgehend kotzen muss, könnte Impfgegner davon überzeugen, sich endlich impfen zu lassen und damit auch alles andere, und nicht nur sich selbst davor zu schützen - und darunter befindet sich nichts Geringeres als das schöne, pralle Leben. Frohe Festtage!


2021-12-07, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz für Wirtschaftswetter
Foto: ©cccl
Banner: ©Angelika Petrich-Hornetz

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