Die Hälfte der Wähler*innen auch bei der nächsten Bundestagswahl sind weiblich. Zudem werden dieses Jahr wieder viele junge Erwachsene, darunter Studierende und Auszubildende als Erstwähler sowie bisherige Nichtwähler*innen unter 30 und junge Eltern an die Urnen schreiten. Sie bilden zusammen eine große Wählerschaft ab, deren Anliegen in der Pandemie zu selten gefragt waren. Folglich nahmen sie sich in den vergangenen eineinhalb Jahren zum Teil als mehr oder weniger schlecht vertreten wahr. Wir fragten die Parteien darum ganz direkt, warum Frauen und junge Erwachsene im Jahr 2021 gerade sie wählen sollten.
Für die FDP im Wahlinterview: Dr. Maren Jasper-Winter, MdA, Frauenpolitische Sprecherin, Sprecherin Aus- und Weiterbildung, Mitglied im Hauptausschuss, Fraktion der Freien Demokraten (FDP) im Abgeordnetenhauses Berlin
Wirtschaftswetter: Welche frauenpolitischen Themen haben Sie zur Bundestagswahl auf Ihrer Agenda, welche davon möchten Sie nach der Wahl dann auch unbedingt umsetzen, oder einfach gefragt: Warum sollten Frauen am 26. September 2021 die FDP wählen?
Jasper-Winter, FDP: Am 26. September 2021 sollten Frauen die FDP wählen, weil Freiheit und Selbstbestimmung für uns im Mittelpunkt stehen. Unsere Partei bekennt sich zum Liberalen Feminismus. Wir sehen in der Emanzipation den Schlüssel zur Selbstbestimmung und setzen uns für eine Politik echter Chancen einsetzen.
Formal genießen Frauen in Deutschland zwar bereits die gleichen Rechte wie Männer, in unserer Gesellschaft zeigt sich allerdings, dass es noch viel zu tun gibt, um aus gesetzlichen Beschlüssen auch gelebte Wirklichkeit werden zu lassen. Veraltete Rollenbilder, die Frauen nur zuhause am Herd sehen oder ihnen lediglich die Funktion der Mutter zugestehen, müssen endlich gänzlich der Vergangenheit angehören. So möchten wir Freien Demokraten dafür sorgen, dass Frauen künftig keine Kompromisse mehr eingehen müssen - z.B. entweder Karriere oder Familie-, sondern sich entsprechend ihrer eigenen Wünsche frei entfalten können.
Wir wollen durch flexible Arbeitsmodelle (etwa geteilte Führung), verstärkte Transparenz und Diversity Management dafür zu sorgen, dass mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind. Gleiche Bezahlung für gleiche Leistung muss ein unverhandelbarer Grundsatz moderner Demokratien sein. Zudem bedeutet eine vollumfängliche Gleichstellung, dass bessere berufliche Aufstiegschancen sowohl für Männer als auch Frauen (oder sich anderweitig geschlechtlich Identifizierende) möglich werden: Wer Kindergärtner oder Dachdeckerin werden möchte, sollte den eigenen Weg selbstbestimmt gehen können.
Durch eine nachhaltige Verbesserung der Rahmenbedingungen für Frauen in der Wissenschaft und Wirtschaft, sowie eine frühe Förderung, möchten wir mehr Frauen für MINT-Fächer und -Berufe gewinnen, denn Forschung lebt vom Perspektivwechsel. Nur 16% der Gründungen in Deutschland hatten im vergangenen Jahr eine Frau im Team. Wir wollen das Innovationspotenzial von Frauen nutzen, Gründung und Selbstständigkeit in allen Lebenslagen fördern und Frauen einen besseren Zugang zu Wagniskapital garantieren.
Für Zugang zu Karrierechancen brauchen wir auch ein Umdenken bei bestehendern Familienkonzepten. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu garantieren und auch Vätern eine zentralere Rolle in der Erziehung zukommen zu lassen, fordern wir daher eine Reform des Arbeitszeitgesetzes.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen sich ihre Arbeit eigenverantwortlicher einteilen können. Erwerbstätige Eltern sollen in ihrem Alltag unterstützt werden, indem der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung schon ab Ende des Mutterschutzes in Kraft tritt. Mit der Einführung eines Partnerschutzes analog zum Mutterschutz wollen wir die gemeinsame Verantwortung für Familie und Kind von Anfang an stärken. Jedes Elternteil sollte das Recht haben, zehn Arbeitstage in Partnerschutz zu gehen. Familien sollen darüber hinaus über die Aufteilung ihrer Familien- und Erwerbsarbeit und die damit verbundenen Rentenansprüche eigenständig entscheiden können. Auch für unverheiratete Paare soll es zukünftig möglich sein, Rentenpunkte zu splitten.
Viele frauenpolitische Themen werden noch immer gesellschaftlich tabuisiert und sind daher für Betroffene oftmals schambehaftet. Gerade in Fragen der Fortpflanzung zeigt sich dieses Problem der geschlechtlichen Unterdrückung besonders stark. Längst überfällige Reformen wie die Abschaffung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs, welche die sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, müssen deshalb endlich umgesetzt werden. Mit einem modernen Fortpflanzungsmedizingesetz wollen wir zudem die Eizell- und Embryonenspende, sowie die nicht kommerzielle Leihmutterschaft legalisieren . Die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin sollen auch Alleinerziehenden, sowie Partnerschaften unabhängig von Familienstand oder sexueller Orientierung zugänglich sein.
Wirtschaftswetter: Wie sieht es mit der Jugend aus, die über ein Jahr Hybrid- und Home-Schooling, Online-Studium, ausgefallene Praktika, abgesagte Ausbildungsplätze, null Studentenjobs hinter sich hat - oder kaum eine Kindertagesstätte mehr von innen gesehen hat: Warum sollten Neuwähler, junge Erwachsene und junge Eltern gerade jetzt die FDP wählen?
Jasper-Winter, FDP: Wir Freie Demokraten wollen das Aufstiegsversprechen in Deutschland wieder mit Leben füllen, deswegen wollen wir Bildung und Ausbildung Priorität einräumen. Außerdem begreifen wir Nachhaltigkeit als ein ganzheitliches Konzept und wollen Generationengerechtigkeit vom Umwelt- und Klimaschutz über die Digitalisierung, bis hin zu nachhaltiger Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftspolitik verwirklichen. Wir wollen auch für zukünftige Generationen Freiheit und Chancen ermöglichen, daher nehmen wir die Anliegen junger Menschen ernst und setzen uns für ihre Freiheiten ein.
Nicht erst seit der Corona-Pandemie braucht die junge Generation eine stärkere Stimme im Bundestag. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Maßnahmen zu Lasten der Jüngeren in unserer Gesellschaft verabschiedet. Die FDP stellt aktuell die jüngste Fraktion im Deutschen Bundestag und hat für die kommende Bundestagswahl erneut eine Vielzahl an jungen Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt, die sich für mehr Generationengerechtigkeit einsetzen. Ein wichtiger erster Schritt, um dies zu erreichen ist in unseren Augen der Ausbau des politischen Bildungsangebots an allen Schulformen und die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Wir sollten denjenigen eine Stimme geben, die am längsten von den jetzt getroffenen politischen Entscheidungen beeinflusst werden.
Die Einschränkungen der vergangenen anderthalb Jahre haben den persönlichen Bildungsweg junger Menschen geprägt und erschwert. Mittlerweile hat bereits der zweite Jahrgang unter Corona-Bedingungen seinen Abschluss gemacht, es fehlt an zahlreichen Ausbildungsplätzen und die meisten jungen Studierenden haben bisher kaum jemals die Mitstudierenden persönlich getroffen. Die weggefallenen Nebenjobs haben viele junge Menschen in eine finanzielle Notlage versetzt. Mit einem elternunabhängigen Bafög wollen wir Studierende unmittelbar entlasten. Auch ist es uns wichtig zu betonen, dass nicht jeder junge Mensch ein Studium aufnehmen muss. Wir erkennen den Wert einer Ausbildung an, so ist für uns der Master mit dem Meister gleichzusetzen.
Studierende und Auszubildende brauchen Verlässlichkeit. Deshalb müssen wir uns jetzt darum kümmern, bei Ausbildungs- und Studienbeginn zum Wintersemester ein sicheres Umfeld für Präsenzunterricht zu schaffen. Auch psychisch haben viele junge Menschen unter der Corona-Pandemie gelitten. Wir wollen gesicherte Perspektiven schaffen, aber auch psychologische Beratungsangebote ausbauen. Uns ist es wichtig, die Sorgen der jungen Leute ernst zu nehmen und geeignete Lösungen für ihre Anliegen zu finden.
Wirtschaftswetter: Frau Dr. Jasper-Winter, wir danken Ihnen für Ihre Stellungnahmen.
Anm. d. Red.: Insgesamt werden voraussichtlich 47 Parteien bei der Bundestagswahl 2021 vertreten sein, die wir aus rein zeitlichen Gründen nicht alle persönlich anzufragen schaffen. Sollten Sie sich als Vertreter einer der zur Wahl stehenden Parteien durch unsere Fragen angesprochen fühlen, laden wir Sie hiermit herzlich ein, diese ebenfalls öffentlich zu beantworten und den Leserinnen und Lesern Ihre Ziele und Positionen im Kurzinterview zu schildern. Bitte senden Sie Ihre Antworten per E-Mail an: info@wirtschaftswetter.de
2021-07-11, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz für Wirtschaftswetter und Dr. Maren Jasper-Winter für die FDP
Foto + Banner: ©Angelika Petrich-Hornetz
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