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Sozialpflicht für junge Menschen

Kommentar von Angelika Petrich-Hornetz

Der Bundespräsdent schlägt einen "Sozialen Pflichtdienst" für junge Menschen vor. Und was droht bei Ablehnung, wenn die Jugend mit ihrer Ausbildung, Schule, Arbeit, ihrem Studium und/oder bereits bestehenden sozialen Pflichten bereits vollauf beschäftigt ist: Bußgeld, Zwangsrekrutierung oder Beugehaft?

Ganz nebenbei tritt der Staat damit in direkte Konkurrenz zu einer ebenfalls unter der Pandemie und bereits massiv vorhandenen Kriegsfolgen ächzenden Wirtschaft, die händeringend Auszubildende und Absolventen sucht, damit keineswegs nur statistisch, sondern ganz real und gegenwärtig auf keine/n einzige/n unter 30 mehr verzichten kann. Genauso angespannt ist die Lage im Handwerk und von der Personalnot in Krankenhäusern und Kitas hat die Politik sicher auch schon gehört, oder? Sie alle benötigen dringend mehr junge Leute, die professionell ausgebildet werden können - und keine Hilfskräfte, die genau ein Jahr lang in sekundären Jobs gebunden sind, während sie längst in Ausbildung sein sollten.

Darüber hinaus existieren in diesem Land aktuell nur noch 11 Millionen Kinder (bis 13). Auf der anderen Seite stehen rund 21 Millionen Rentner - selbstverständlich nicht alle, aber ein nicht zu knapper Anteil davon fit wie die Turnschuhe und gut situiert. Demgegenüber wächst ein nicht zu kleiner Teil der bis 18-Jährigen nach wie vor in Armut auf, woran sich bis heute erstaunlich wenig geändert hat. Deren Lage - und der sie aufziehenden Familien - wird sich jetzt dank der Inflation nicht nur in Deutschland noch einmal drastisch verschärfen.

"Vergessen worden"

Die Jugend hat darüberhinaus gegewärtig mehr als zwei quälende Jahre Pandemie hinter sich - und im Vergleich zu allem, was älter als 30 ist, damit im Vergleich mit ihren erfahrerenen Zeitgenossinnen und -genossen einen großen Anteil ihres bisherigen Lebens bereits verpasst bis hin zu unwiederbringlich verloren. Somit ist es auch kein Wunder, wenn sich eine Mehrheit dieser Jugend in der Pandemie von den sogenannten Erwachsenen unisono als schlicht "vergessen worden" bezeichnet. Das Vertrauen in etablierte Parteien gestaltet sich dementsprechend.

Auf die Pandemie - die längst noch nicht abgearbeteit ist - folgt sogleich der widerwärtige Krieg gegen die Ukraine, sozusagen als i-Tüpfel, zu allen sich bereits seit Jahren hinziehenden, klebrigen Kriegen und ungelösten Konflikten obendrauf.
Jüngst inkludiert wurden weitere, aktuelle Kriegsandrohungen - wieder von vorwiegend älteren Herren, die sich in den Vordergrund drängeln, während im Hintergrund das Pulverfass des ungelösten Klimawandels ungestört weiter gärt und in absehbarer Zeit zu noch ganz anderen Katastrophen in bisher nie gekannten Größenordnungen und Intensitäten führen wird. Was, bitteschön, soll diese Jugend noch bald alles ganz allein Soziales leisten?

Alles das ist mit massiven, negativen Folgen vorwiegend für die globale Jugend versehen, die diese Suppe, die ihr die jetzigen, älteren Herren der Welt eingebrockt haben, dann ganz alleine auslöffeln werden müssen, weil die Verantwortlichen zu dem Zeitpunkt bereits allesamt seeligst verstorben sein werden.

Angsichts der fortgesetzten Kriegsandrohungen wird auch allzu gern verdrängt, wie sehr damit über der kompletten globalen Jugend das latente Schwert der Mobilmachung immer schneller schwingt, angeworfen von jedem, der einen unnötigen Krieg anzettelt. Selten wird die Erwartung der Staaten ausgesprochen, dass im Ernstfall 19- bis 30-Jährige das ganze Land verteidigen und die Notfallversorgung aufrecht erhalten sollen. Darf es vielleicht schon vorher noch etwas mehr sein?

Von dieser Gemengelage wird der Kampf um den Klimawandel, der entscheidend für die Zukunf des Planten ist - und damit auch für die Zukunft aller zu diesem Zeitpunkt jungen Generationen, absolut konterkarriert, weil die Zeit und Ressourcen fehlen, die für Kriege verschwendet werden, in denen es um Großmachtsfantasien vergangener Jahrhunderte - somit lediglich zurück in die Vergangenheit - geht.

Alte Egoisten rekrutieren

Wie wäre es vor diesem Hintergrund mit einem sozialen Pflichtjahr für alle Erwachsenen, die mit dem sozialen Bereich bislang wenig Berührung hatten, und zwar im Dienste an dieser durch Katastrophen am laufenden Band überforderten und bevormundeten Jugend, um ihr in der Arbeit, diesen Planeten zu erhalten endlich tatkräftig beizustehen?

Es wäre nicht zuletzt angebracht, um die ebenfalls seit Beginn der Pandemie dauerhaft überlasteten Erziehungs- Bildungs- und Betreuungsstrukturen zielführend zu entlasten, die wie die Wirtschaft ebenfalls im besonderen Maße under Kriegs- und Coronafolgen ächzen - und damit ihrerseits nicht einen einzigen Auszubildenden entbehren und auf keinen einzigen beruflichen Nachwuchs verzichten können.

Missachtet wird mit diesem Vorschlag auch die Tatsache, in welchem Ausmaß junge Menschen bereits sozial engagiert sind, nicht nur im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder im Bundesfreiwilligendienst (BFD), die man ausbauen kann und deutlich mehr bewerben sollte.
Das Konzept eines generationsübergreifenden Freiwilligendienstes, wie im BFD ist der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts wesentlich förderlicher als eine einseitige Verpflichtung zum Sozialen ausschließlich Jugendlicher und junger Menschen.

Wem der Ausbau des äußerst beliebten BFD nicht reicht, wer keine anderen Ideen als "Pflichtzeit" denkt und allen Ernstes meint, 2022 hätte ausgerechnet die gegenwärtige Jugend viel zu wenig zu tun, sollte für ein soziales Pflichtjahr als Erstes die alten Egoisten einfangen, die durchgehend seit vielen Jahrzehnten nichts anderes tun, als sich lediglich um ihr eigenes, persönliches Wohlergehen zu kümmern.
Davon existieren auch ein paar deutliche Millionen mehr in diesem Land als die zahlenmäßig ganz schlecht besetzte Jugend, die schon länger, aber insbesondere ab 2022 und genau jetzt jede Unterstützung zur Rettung der Zukunft dringend gebrauchen kann.


2022-06-16, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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