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Feuchttücher - für alles und jeden. Update

Das neue Massenplastikmüll-Problem

Während sich die EU noch mit Plastiktüten müht, verbreitet sich wortwörtlich über den ganzen Kontinent längst schon die nächste Kunststoffplage - mit einer ebenso feuchten wie immer größer werdenden Produktpalette

von Angelika Petrich-Hornetz

Die Europäische Union - zuvor auch einzelne EU-Staaten - mühen sich redlich, der Plastiktüte bwz. der äußerst nachlässigen Entsorgung von Millionen Plastiktüten als gewohntem Standard des Alltags der EU-Bürger den Garaus zu machen, und zwar aus guten, inzwischen allgemein bekannten Gründen. Am erfolgreichsten zeigten sich in der jüngeren Vergangenheit noch diverse "Bezahl-Modelle". Doch selbst die erlangten keinen langfristigen Erfolg. Immerhin, zeitweise wurden Plastiktüten so teuer, dass die Kundschaft lieber freiwillig den eigenen Einkaufskorb oder eine Stofftasche mitbrachten, bevor sie an der Kasse ein zusätzliches Vermögen hätten ausgeben müssen.

Das verursacht jedoch neue Probleme: Wo nun hinein, mit frischer Ware? Was zu Hause oder bei kurzen Einkaufswegen mit einer Box oder Schüssel, i.d.R. ebenfalls aus Plastik, gelöst werden kann, ist für den Lebensmittelhandel alles andere als einfach, weil im großen Stil zu bewältigen.
Während also hier noch über Lösungen sinniert wird, hat sich innerhalb weniger Jahren ein weiteres Massenprodukt als neues, ernstzunehmendes Problem für die Umwelt und - über die Nahrungskette - bis hin zur Gesundheitsgefahr etablieren können. Zuerst ist es den Strand-Aufräumern an den europäischen Küsten aufgefallen. Solchen Frühbeobachtern, darunter die Briten, die sehr viel Küste ihr eigen nennen können und ihre Strände tradionell mindestens zweimal im Jahr sorgfältig aufräumen konnte das Problem nicht entgehen, das sie sofort als solches erkannten, sind: Feuchttücher.

Feuchttücher - eine echte Strandplage

Feuchttücher sind klein und praktisch, und das relativiert sich besonders schnell im Strandleben bei mangelhafter Entsorgung: sie kleben regelrecht im Strandsand. Wenn die Küsten-Cleaner sie auflesen, nehmen sie nicht nur die Tücher und den darauf befindlichen Dreck, sondern gezwungenermassen auch Sand mit. Weil diese klebrigen Tücher wenig wiegen und ähnlich unauffällig scheinen wie Papiertaschentücher, werden sie häufig, inzwischen in Massen (Stand: 2023) sorglos weggeworfen, statt angemessen in einen Mülleimer verfrachtet zu werden.

Es handelt sich bei Feuchttüchern um ein reines Einmal- und Wegwerfprodkukt. Manche Anwender glauben tatsächlich immer noch, es handele sich dabei um Papiertaschentücher oder Papierservietten, ein Produkt, das zumindest noch in größeren Teilen aus Papier besteht, das in der Natur mit der Zeit vollständig abgebaut werden könnte. Doch das ist grundfalsch: Im Gegensatz zu Tüchern aus Papier bestehen Feuchttücher zum größten Teil aus Kunststoffen, getränkt in Flüssigkeiten mit dem Verbraucher in der Regel wenig geläufigen Inhaltsstoffen. Das Problem der sorglosen Entsorgung dieser Tücher ist damit exakt dasselbe wie das von Plastiktüten, die hunderte von Jahren vor sich hinmodern und irgendwann in Mikro-Plastik zerfallen, aber nie ganz verschwinden. Hinzu kommt, dass selbst die kleinsten Feuchttücher verpackt werden müssen, damit sie feucht bleiben, nicht selten sogar einzeln. Es ist schließlich das Verkaufsargument dieses umwelt- und gesundheitschädlichen Produkts schlechthin: sofort anwendbar, spart enorm viel Zeit - und angeblich wegwerfbar.

Man darf den Herstellern allerdings getrost unterstellen, dass sie bei der Technologiefolgeabschätzung in der Entwicklungphase ihres Produkts nie auf die Idee gekommen wären, dass ihre Feuchttücher eines Tages nicht nur massenhaft in den Sandstrand, sondern genauso sorglos in Toiletten geworfen werden würden, womit Abwasserleitungen inzwischen tatsächlich regelmäßig verstopfen. Entsprechende Warnhinweise im Kleindruck auf den für diese Produkt typischen Miniverpackungen angebracht, haben bisher offenbar nicht viel gebracht.

Alleinstellungsmerkmal, Anwendbarkeit und Zeitersparnis

Ihren Höhepunkt hat die Produktviefalt der Feuchttücher dabei noch nicht einmal erreicht. Es fing vor ein paar Jahrzehnten noch ganz harmlos an und entwickelte sich erst langsam bis zum heutigen Ist-Zustand in eine immer unüberschaubarer gewordenen Feuchttuch-Varianten-Schwemme. Die ersten Feuchttücher waren zum Beispiel auf Reisen zum Saubermachen von Toilettenringen auf Autobahnraststätten als Notfallmaßnahme entwickelt worden, weil es keine anwendbaren Alternativen gab oder diese niemandem einfielen.
Genauso ist die nächste Variante, ausschließlich für den mobilen Babypopo auf Urlaubsreise entwickelt worden. Beide Sorten sind bis heute manchmal schlicht unvermeidbar, wenn im Urlaub immer irgendwann und irgendwo einmal akuter Wassermangel oder Hygienenotstand herrscht. Aber auch hier wirkte - bei ausreichend vorhandenem Wasser - schon kurz nach der Wischtücher-Erfindung auch immer der Bequemlichkeitsfaktor mit: Warum zig Mal den Wasserhahn bedienen und den Babypopo wieder sorgfältig abtrocknen, wenn doch viel schneller und genauso gut mit einem Wisch alles erledigt ist?

Der Effekt schnellster und einfachster Anwendbarkeit ist ein immenser Vorteil, dem sich Verbraucher als solche kaum entziehen können. Zeit ist Geld und Produktinnovationen in der Kategorie Haushaltsartikel verfolgen grundsätzlich zu Recht das Prinzip, den Alltag zu erleichtern. Mit den praktischen Feuchttüchern muss niemand mehr mühsamm Lappen suchen, mit womöglich falschen Formaten - zu groß, zu klein, diese selbsständig mit Flüssigkeit bedecken, und nach deren Anwendung womöglich auch noch wieder sorgfältig waschen und trocknen zu müssen. Ein in jedem Format und für jeden Zweck erhältliches Tuch, das bereits feucht ist, aus der Packung reißen, ein Wisch - und schon ist alles weg, was weg soll, dann sofort ab in den Müll. Solch eine Routine reduziert den Aufwand um ein Vielfaches und trug zum Alleinstellungsmerkmal dieser handlichen Umweltsünde und damit zu deren Siegeszug bei.

Vom Reisenotfall zur unüberschaubaren Produktpalette in allen Farben und Formen

Interssanterweise zeitlich etwa parallel zu den großen Klimakonferenzen der jüngsten Vergangenheit, in denen der Weltöffentlichkeit endlich in einer bis dato nicht vorhandenen Breite bewusst wurde, wie negativ sich das Handeln des Menschen und damit auch dessen Hinterlassenschaften auf Umwelt und Gesundheit auswirken könnten, sprenge die Feuchttücherproduktpalette, von dieser Weltöffentlichkeit immer noch weitestgehend unbemerkt, bereits sämtliche Produktentwicklungs- und Verkaufs-Rekorde.
Während immer neue Verordnungen gegen Plastiktüten eingeführt wurden, deren Umsetzungen allerdings fortgesetzt hinterherhinken, scheint es, als wollte die Branche gleichzeitig unbedingt Feuchttücher für wirkilch alles und für jeden auf den Markt - und den dort ebenfalls bis heute dankbaren Kunden entgegen werfen. Auch der Verdrängungswettbewerb gegen mögliche Konkurrenzprodukte funktioniert - trotz jüngst wachsendem Umweltbewusstein - durchaus: Selbst Fensterreinigungsmittel in Flaschen sterben langsam aus, weil für Fenster, Glas und Spiegel jetzt nämlich ganz genauso viele abgepackte Feuchttücher-Modelle im Umlauf sind, wie für alle anderen Anwendungen auch.

Neben der bekannten Toilettenhygiene, WC-Sitz-Desinfizierung für unterwegs und dem Dauerbrenner für die Reinigung der Babyhaut und, nicht zu vergessen, den unabkömmlichen, weit verbreiteten Brillenputztüchern, existieren mittlerweile u.a.: antibakterielle Feuchtücher für die Händdesinfektion, Feuchttücher für den Flachbildschirm sowie All-In-One-Feuchttücher für Monitor, Smartphone, Notebook, Tablet, PC, TV oder auch All-in-Ones "für den ganzen Büroarbeitsplatz" sowie antibakterielle Allzweck-Feuchttücher "für jede glatte Oberfläche" in "Küche, Bad und im ganzen Haus".

Von der Nase bis zum Fußboden - alles feucht gewischt

Für die Nase werden inzwischen ebenso eigens feuchte Taschentücher angeboten wie für die Itimpflege und - " damit der Boden glänzt" genauso für die Pflege von Bodenfliesen oder ausschließlich fürs Laminat oder - wieder jeweils ein anderes Produkt - den Holzfußboden oder ausschließlich fürs Parkett. Ja, es gibt in der Gegenwart tatsächlich für alles etwas in feuchter Tuchform - somit auch Reinigungfeuchttücher für jeden nur erdenklichen Zweck im Alltag, zum Beispiel Kalkreinger-Feuchttücher, natürlich wie immer, einzeln verpackt. Außerdem hält natürlich fast so gut wie jeder Hersteller eigene Feuchttücher für den Kühlschrank im Programm und hält genauso welche ausschließlich für die "Autopflege innen" vorrätig, aber nicht nur ein Modell, Gott bewahre: .
Für die Autopflege wird dem wischenden und wegwerfenden Kunden gleich eine komplette Produktpalette angeboten: Feuchttücher für die "Cockpitpflege", für die "Kunststoff-Pflege", für die "Gummipflege", darunter "speziell" für Türdichtungen; für die Pflege von Leder(-Sitzen), für die Polsterreinigung und -pflege, die nicht aus Leder besteht, und für die Scheibenreingung, um nur einige "wenige" Modellvarianten zu nennen.
Auch für jedes andere Vekehrs-Vehikel scheint sich das Feuchttuchangebot fast täglich zu erweitern, damit auch mindestens zehn bis zwanzig unterschiedliche Tücher fürs Motorrad und fürs Fahrrad. Hier reicht das Angebot u.a. von einem Feuchttuch für die "Helmvisier-Reinigung" bis zum speziellen, feuchten Reinigungstuch ausschließlich für die "Reinigung des Helm-Innenfutters".

Selbstverständlich findet der interessierte Kunde darunter Feuchttücher mit und ohne Duft als auch mit "exklusiven Essenzen" für sein "gesamtes Möbiliar" oder auch "für den eigenen Körper". Neben den noch altbekannten Erfrischungstüchern - die wohl noch den ersten Erfingungswellen für "Notfälle" bei Reisenden, s.o., anzurechnen sind - für im Sommer oder im Flieger heißgelaufene Achseln -, existieren inzwischen auch unzählige Feuchtücher speziell fürs Gesicht mit immer ausgefeilteren Zutaten, die der Hautpflege dienlich sein sollen, auch speziellere z.B. für die Akne-Haut. Niemand müsste also mehr Cremes oder Masken aus irgendwelchen unhandlichen Tiegeln oder Tuben mühsam selbst hervorholen: Die richtige Portion von allem ist bereits auf einem einzelnen verpackten Feuchttuch aufgebracht und muss folgich lediglich noch vollständig ins Gesicht geklatscht werden.

Zielgruppen - vom Wanderer bis zum Hund

Nicht nur jede einzelne Anwendung, sondern auch jede, einzelne Zielgruppe wird dabei personalisiert und damit bestens bedient. Im Angebot sind darunter natürlich auch extra Ausfertigen "nur für Hände" und wieder andere ausschließlich für geplagte Füße. Außerdem spezielle Feuchttücher für den Outdoor-Bereich: Ehemals für die Entfernung von Tarnfarbe gedacht, erweisen diese sich auch beim modernen Wanderer als Verkaufsschlager, wenn die App die nächste Waschgelegenheit als zu weit entfernt anzeigt.
Mittlerweile gibt es für Outdoor-Fans sogar Tücher in Handtuch- bis Bettlakengrößen für die "Dusche zwischendurch" und - das Gegenstück für den Innnebereich - mit "hautschonenden und rückfettenden Substanzen" versehene Feuchttücher für die Ganzkörperwäsche von bettlägerigen Pflegebedürftigen, die in der Mikrowelle vorgewärmt (die Tücher!) werden. Die Mikrowelle kann übrigens nach dieser Prozedur selbstverständlich mit eigens für sie enwickelten Feuchttüchern gereinigt werden. Wer hätte auch anderes erwartet?

Selbst die lieben Vierbeiner und andere Haustiere wurden bereits sorgfältig in den ausufernden Feuchttücher-Markt integriert, u.a. mit "Anti-Haar Feuchttüchern", speziell für den Hund, dito speziell für die Katze - nämlich für beide das "perfekte Finish" nach dem Bürsten.
Zusätzliche Pflegetücher für Haut und Fell von jeweils Hund, Katze und Kaninchen für diese und jene Fälle und Felle sind im Tierbedarf erhältlich sowie wieder andere feuchte Reinigungspads und Feuchttücher für die Ohren der Fellknäuel und extra welche für die Augen, und zwar so gut wie für jede einzelne Haustierart, allesamt feucht und nichts selten einzeln, gut verpackt. Dito findet man Feuchttücher im Handel, um darüberhinaus einfach und bequem "Insektenschutz" auf die geliebten Fellnasen und Schnurrhaarträger großflächig zu verteilen; den Mückenschutz für Menschen per Feuchttuch gibt es natürlich auch schon längst. Und auch für die bisher mit herkömmlicher Putzmethode und Pflegemitteln eigentlich gut versorgten Schuhe, haben die Hersteller die genau passenden Feuchttücher entwickelt. Für Musikinstrumente existieren ebenfalls eigene Modelle ebenso feuchter wie einzeln verpackter Reinigungstücher.

Unheimlich bequem - Feuchttücher werden zum Standard und zur täglichen Routine

Was einst als pragmatisches Angebot, nämlich als Notlösung für unterwegs ausnahmslos für Reisende oder vielleicht noch Rettungsanitäter gedacht war und bis heute auch einigermaßen sinnvoll wäre, ist schrittweise als ein unschlagbar einfach anwendbareres Produkt längst erfolgreich in den in Alltag von Millionen Haushalten als Standardanwendung eingezogen. Und so entwickelt die damit verdienende Industrie auch munter weiter immer neue Varianten, wen und was sie damit noch beglücken kann, in Form von Reinigungstucharten und ganz neuer, bisher noch unerschlossener Märkte. Nicht zu vergessen die darin enthaltenen, attraktiven Neukunden, die sich von diesem Produkt genauso wie die Bestandskunden verführen lassen, weil es so unheimlich handlich und bequem ist. Last but not least: Warum denn auch umweltschonend und nachhaltig entwickeln und einkaufen, wenn's auch belastend geht? Die Entsorgung kostet schließlich auch nichts extra, was bei genauem Hinsehen noch nicht einmal den Hersteller betrifft, den Verbraucher erst recht nichts, wenn er oder sie Steuern zahlt.

Da wundert es kaum noch, dass für die ehemals mit trockenen Lappen oder maximal mit Wasser sauberhaltbaren Schreibtafeln in Schulen nun natürlich auch eigene Feuchttücher angeboten werden, in wiederrum unzähligen Formen und Farben. Warten wir ab, wie lange es dauert, bis das Feuchttuch "der Standard" in chronisch putzgestressten Schulen, Universitäten, Volkshochschulen usw., usf. wird. Abseits davon werden inzwischen u.a. tatsächlich auch Schnullerreinigungsfeuchtücher umd Beißring-Reinigerfeuchttücher im "Baby-Alltag" eingesetzt. Hier gilt nun vor allem die Krippe als lukrativer Absatzmarkt, aber auch die Kindertagesstätten "älterer" Kinder sind für den Feuchttüchermarkt bezüglich Umsatzsteigerung und Gewinnmaximierung nicht zu unterschätzen - ständig gibt es irgendetwas zu wischen. Als ähnlich lukrativ dürften sich Hundebabysitter und Tierhotels erweisen: Feuchttücher für die professionelle Reinigung von Hundeknochen und Beißspielzeug sind nämlich auch längst im Sortiment.

Überhaupt: Spätestens seit Napoleon weiß man doch, dass die Krone stets in der Gosse liegt. Das erzielte Geld im Feuchttüchermarkt liegt damit aber keineswegs nur auf der Straße, sondern so gut wie überall, also in jeder noch ungewischten Ecke herum. Es muss aber ähnlich - lediglich noch aufgehoben werden. Die Kreativität, mit der die Hersteller hierbei vorgehen, verdient dabei durchaus Respekt im Bestreben, das Feuchtttuch als solches so unentbehrlich zu gestalten, auf das niemand mehr verzichten kann und will, weder die große, oberflächen-intensive IT-Firma, noch die schwer verschmierte Autowerkstatt, der mit Haaren übersäte Frisiersalon oder die staubige Schulklasse sowie sämtliche, verstaubende Privathaushalte, auch der zunehmenden Feinstaubbelastung in Städten sei Dank.
Zusätzlich zu diesem Unbill befeuerte die drei lange Jahre andauernde Corona Pandemie sowohl die Feuchttuchbranche als auch die immer größer werdenden Feuchttüchermüllberge. Von Flensburg bis Rosenheim wurde drei Mal hintereinander jahraus, jahrein im Frühling, Sommer, Herbst und Winter tagtäglich nur noch gewischt, gewischt und gewischt, vom Smartphone-Display bis zu analogen Türklinken

Ein unregulierter Markt und wachsender Müllhaufen

Um die Kehrseite der praktischen Helfer muss man nicht lange herumreden: eine krude Mischung aus Massenmüll und unbewusster Kostensteigerung von Vermeidbaren, gekrönt von regelmäßig falscher Entsorgung. Wer einmal alte, ekelige Feuchttücher aus dem Strandsand fischen "durfte" wird ganz schnell von der Begeisterung für diese für die Natur gänzlich unverdaulichen Polyester-Lappen kuriert, und zwar geradezu vollkommen. Die sehen nämlich nicht nur widerlich aus, sondern stinken auch mehr als trockene Tücher. Am Ende indes verseuchen Feuchttücher, wie anderer Plastikmüll auch, lediglich nachhaltig die Umwelt, in diesem Fall jedoch nur für den zweifelhaften Gewinn eines sehr begrenzten Anwendungszeitraums (anders als zum Beispiel bei einer Salatschüssel). Irgendwann entwickeln sich in der Natur "entsorgte" Reinigungstücher über viele lange Jahre zu Mikroplastik und sind dann klein genug, um in die Nahrungskette eingeschleust zu werden. Welche Folgen die Aufnahme von Mikroplastik für Tier und Mensch hat, ist noch nicht absehbar. Durch ihre inflationäre Ausbreitung dürften die Tücher, wenn nicht schon geschehen, möglicherweise bald Platz 1 der umweltschädlichen Produkte, noch vor Plaistiktüten, einnehmen, wobei sie darin auch noch verpackt sind und damit den Müll potenzieren.

Zunächst ist es genau dasselbe wie mit den Plastiktüten. Das Produkt ist komfortabel, weil anwendbar- und danach wegwerfbar. Man muss nicht viel tun, um es zu benutzen und sie kosten nicht viel. Genauso wie Plastiktüten, deren Gebrauch die EU-Kommission einschränkt. Und so bleibt auch bei Feuchttüchern nicht viel mehr übrig, als ähnliche Methoden anzwenden, um den wachsenden Feuchttücher-Müllbergen begegnen zu können. Besonders steigt gegenwärtig aber der Druck durch massenhafte falsche Entsorgung, wie man an den zunehmenden Appellen von zuständigen Stellen ablesen kann, Feuchttücher bitte nicht (!) ins Klo zu werfen.

Das gilt auch für laut Hersteller-Angaben biologisch abbaubare Materialien wie Reinigungstücher aus Baumwolle, Bambus u. ä, die wie die herkömmlichen gewöhnlich in reißfester Qualität hergestellt werden und damit weder ins Klo noch in den Biomüll gehören. Hinzu kommt die Tränkung der Produkte mit - auch den zuständigen Behörden - weitesgehend unbekannten Flüssigkeiten. Letztendlich müssten biologisch-abbaurbare Produkte wohl unabhängig überprüfbar sein.*

Zweifelhafter Gewinn eines kurzen, sehr teuren Vergnügens bei Massenanwendung

Wenn aber keiner auf die Appelle reagiert, dürfte sich ein möglicher, vorhandener Nutzen von Feuchttüchern alsbald in ein vor allem teures Vergnügen umkehren, wenn die Ersparnis bei Zeit- und Geldaufwand für die Kunden nicht ausreicht, um die vergemeinschafteten Kosten von massenhaft falsch entsorgten Reinigungstücher wirtschaftlich aufzufangen und das könnte bereits gegenwärtig oder sehr bald der Fall sein. Verstopfte Abflussrohre, verdreckte Gewässer und Böden, sind auch abgesehen vom Personalmangel bereits eine sehr teure, kommunale Angelegenheit.

Als Gegenmaßnahmen eignen sich immer die Herstellung in Form von besseren Produkten, s.o. auch zum Thema *biologisch abbaubar", eine Eigenschaft,für die evtl. eine (teure) Zertifizierung erforderlich machte, und gleichzeitig eine Beschränkung des Gebrauchs von herkömmlichen Feuchttüchern auf das absolut Notwendigste sowie die bisher nicht stattfindende Regulierung von deren Entsorgung. Komplette Kaufverbote, die immer eine Bevormundung beinhalten, dürften dagegen ähnlich wirksam ausfallen wie bei Plastiktüten, die nach einem kurzfristigen Mangel gegen kleine Gebühr wieder fast überall erhältlich sind. Besser wäre es, wenn Hersteller entweder zur Abgabe einer Entsorgungsgebühr herangezogen würden, weil mehr Mülleimer nicht billiger als weniger zu betreiben sind - und/oder sich freiwillig etwas Besseres als, wie bisher, einfaches Ignorieren dazu einfallen lassen, wie auch immer sie ihre Kunden zu umweltfreundlicheren Verhalten annimieren könnten. Man könnte als erstes gemäß dem Prinzip "Waschzettel" wie ebendiese das Anbringen von verständlichen Gebrauchsanweisungen und Warnhinweisen auf die "Nebenwirkungen" in allen Sprachen vorschreiben, die bei Bekleidung, Medikamenten und vielen anderen Produkten schon seit Jahren üblich sind.

Ob das reichen wird? Gute Frage, nächste Frage, aber eine Lösung muss in jedem Fall her, wenn der Preis eines Produkts nicht einmal einen Bruchteil der tatsächlichen Folgekosten deckt, die es allein durch seine Verwendung verursacht - oder anders ausgedrückt: wenn ein Produkt und seine Verwendung vergemeinschaftete Entsorgungskosten in astronomische Höhen schraubt, die für die Allgemeinheit schlicht nicht mehr bezahlbar sind, es sei denn, man möchte demnächst wirklich noch eine zusätzliche Extra-Eintrittsgebühren für Strände, Wälder, Campingplätze, Berge, Flüsse, Seen, Städte und Kommunen erheben, um deren steigende Vermüllung gegenfinanzieren zu können.

Bis alle, auch die EU-Politik, diesbezüglich endlich aufwachen, wünschen wir Ihnen, falls Sie Anwenderin oder Anwender dieses Produkts mit Nebenwirkungen für die Umwelt sind, dass Sie sich nicht eines Tages, wegen latenter Verwechslungsgefahr der oftmals sehr übereinstimmend gleich aussehenden Ware, mit einem Lederpflegetuch über das Gesicht streichen - und ihre Schuhe mit "rückfettenden Feuchttüchern mit Provitamin B5 und Vanilleduft für die zarte Haut" zu reinigen versuchen, also versehentlich in die falsche Tuchbox greifen. Ansonsten beschränken Sie die Anwendung auf das absolut Notwendigste, bevor auch Ihnen die Entsorungsgebühren davongaloppieren.


2016-01-01, Update am 2023-08-06, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
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