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... und die Lokführer streiken auch noch

Es folgt die zweite arbeitnehmerunfreundliche Verkehrsvernichtungsveranstaltung sogleich

von Angelika Petrich-Hornetz

Zusätzlich zu den Verkehrsbehinderungen ab dem heutigen Montag auf der Straße durch die Bauernproteste, kündigte am Sonntag die Lokführergewerkschaft GDL an, durchgehend von Mittwoch bis Freitag in den Streik bei der Deutschen Bahn, Transdev und City Bahn Chemnitz zu treten. Bei der DB Cargo beginnt der GDL-Streik bereits am Dienstagabend. Das bedeutet für Millionen Arbeitnehmer und Schüler, dass sie ab Mittwoch weitestgehend auch nicht mehr auf die Bahn ausweichen können, wenn ihnen der Weg von und zu Schulen, Berufschulen und Arbeitsplätzen bereits mit Auto oder Bus via Straße durch die Bauernproteste blockiert wurde

Wie durch ein Gerichtsurteil des OVG Brandenburg bestätigt wurde, dürfen die Landwirte u.a. Interessensgruppen zumindest in Brandenburg nun selbst Autobahnauffahrten durchgehend blockieren, womit sich ein regionaler Bauernverband gerichtlich gegen Polizeiauflagen durchsetzte, die zeitlich begrenzte Autobahnauffahrtensperrungen vorgesehen hatten, zur Pressemitteilung vom 08.01.2023 des OVG, externe Seite, berlin.de, Pressemitteilung: Bauernproteste - Beschwerde der Polizei gegen eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam zurückgewiesen -1/24

Massive Verkehrsbehinderungen für alle - freie Fahrt exklusiv für Bauern und 500 Beamte

Die Deutsche Bahn ruft ihre Fahrgäste seit Sonntagabend derweil dazu auf, geplante Bahnreisen wegen des GDL-Streiks zwischen Mittwoch und Freitag zu verschieben. Die Verkehrsbehörden mehrerer Bundesländer und Kreise rufen seit Sonntag Autofahrer dazu auf, wegen der Bauernproteste zwischen Montag und Freitag "auf nicht unbedíngt notwendige Autofahrten zu verzichten". Das heißt im Klartext für die Allgemeinheit: weder Auto, Bus noch Bahn. Sollen alle systemrelevanten Personen - außer die Bauern - etwa fliegen?

Und wir rufen wegen der Konjunktur die Finanzbehörden dazu auf, die Subventionierung von Kfz-Steuer und Agrardiesel für Demonstrationsfahrten der Landwirte unverzüglich einzustellen, die Deutschland lahmlegen und zwar genauso lange, wie sie das ganze Land lahmlegen, sollte diese Drohung in die Tat umgesetzt werden. Das natürlich nur, falls Steuern und Spritverbrauch für die bereits seit Wochen stattfindenden und künftigen privaten Protestfahrten zwecks Traktorkolonnen, Sternenfahrten und Straßenblockaden mit tausenden motorisierten Teilnehmern nicht bereits längst nachweislich vollständig aus eigener Tasche bezahlt worden sind und werden.

Oder glaubt etwa jemand, dass sich die kleinen und mittleren Steuerzahler jetzt auch noch - neben allen anderen Katastrophen - die Voll-Allimentierung der Tankfüllungen und Kfz-Steuer von eine ganze Woche lang, tausenden, ganz Deutschland lahmlegenden Traktoren leisten können? Zumal den Traktoren-Besitzern, die ihren Sprit und Kfz-Steuer subventionierenden Steuerzahler, offenbar vollkommen wurscht sind, die wegen der Proteste weder zu noch von ihren Arbeitsplätzen gelangen und damit kaum noch etwas leisten werden, geschweige denn noch mehr Steuern zu generieren, nur damit die Landwirte, denen es offenbar ganz egal ist, wenn kein Personal mehr zur Arbeit kommt, ihre ausufernden Proteste veranstalten können? Die sollten sich lieber mit dem Wirtschaftminister und Landwirtschaftsminister an den Verhandlungstisch setzen, oder wozu sind die unzähligen Präsidenten und Vizepräsidenten in ebenso vielen landwirtschaftlichen Verbänden da?

Damit spielen Bauernverband und die GDL, wobei Letztere in ihrer Streikpolitik übrigens ausdrücklich einem, externe Seite, presseportal.de, Kölner Stadtanzeiger, Beamten-Kongress in Köln entgegenkommt, aber nicht der Allgemeinheit der Schüler, Arbeiter und Angestellten (und zig anderer betroffener Gesellschaftsgruppen) und damit offensichtlich reine Klientelpolitik betreibt, ein Geschmäckle - selbst wenn das seine eigentliche Aufgabe ist - lediglich Extremisten in die Hände, die bereits bezüglich der Bauernproteste ihre eigenen Ziele formulierten, nämlich "das ganze Land lahmlegen"* und "Generalstreik", die sich jetzt auch des Schienenstreiks annehmen.

Mit nun bundesweit lahmgelegten Straßen, inklusive Autobahnen UND lahmgelegtem Schienenverkehr - inmitten von eisigen Temperaturen und angespannter Hochwasserlage - dürfte man spätestens ab Mittwoch, 10. Januar diesem äußerst zweifelhaften Ziel, zumindest was Schülertransport und Pendlerverkehr betrifft, sollten Krankenhaustransporte u.ä. tatsächlich reibungslos funktionieren, (unbeabsichtigt) ein großes Stück nähergekommen sein. Wir wünschen allen Betroffenen von solchen vollkommen unangemessen und unnötigen Massenlahmlegungen gleich mehrerer Verkehrswege, viel Glück, dass sie irgendwie durchkommen - und vor allem, dass sie nicht zu Schaden kommen.

"Deutschland lahmlegen"

*Korrektur. Wir müssen uns an dieser Stelle korrigieren: Der Drohung, "das ganze Land lahmlegen" stammt wohl nicht, oder zumindest nicht vollständig allein von Extremisten, sondern wurde vom Präsidenten des Bayerischen Bauernverbands und Vizepräsidenten des Deutschen Bauernverbands, Günther Felßner bereits am 15. Dezember 2023, in einem Interview mit dem Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt geäußert, Zitat: "Wenn nötig, legen wir Deutschland im Januar lahm." Zitat-Ende.
Bei agrarheute.com vom 15.12.2023, wird es wie folgt wiedergegeben, Zitat: " Und wenn es sein muss, werden wir Deutschland im Januar mit anderen zusammen lahmlegen.", Zitatende
Diesen merkwürdigen Satz wiederholte Felßner in zeitlich angepasster Form laut einem Bericht der Süddeutschen und der Zeit während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem bayerischen Innenminister Hermann am 7. Januar 2024 wie folgt, Zitat: "Wir werden notfalls Deutschland lahmlegen." Zitat-Ende und äußerte noch Weiteres, u.a., sollte die Regierung nicht komplett den Forderungen der Landwirte entsprechen und bis Anfang übernächster Woche nicht einlenken, (Quelle: Zeit), werde "die Intensität gesteigert", außerdem am 15. Januar eine Großkundgebung in Berlin stattfinden und dann, Zitat, aus dem Bayerischen Landwirtschaftlichem Wochenblatt: "Danach schließe ich auch Eingriffe in die Infrastruktur nicht aus. Landwirte könnten beispielsweise die Arbeit niederlegen, was auch Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion haben könnte." Zitat-Ende.

"Eingriffe in die Infrastruktur?" Hört, hört. Der Eingriff findet indes bereits statt. Es existieren noch viele weitere systemrelevante Berufsgruppen in diesem Land, aber keine einzige, außer die Bauernschaft, darf mit steuer- und spritsubventionierten Großgerätschaften auf Demonstrationen herumdonnern, wodurch die Durchsetzungskraft den Besitzern offenbar exorbitant erhöht erscheint; groß, schwer, bedrohlich und durchaus gefährlich - auch für Menschen - und damit für Massenveranstaltungen mit Großkundgebungscharakter wie dieser absolut ungeeignet.

Die Vorgängerbauern, die weniger auf Tiktok herumposteten als die heutigen, wussten das noch, wie gefährlich ihre Maschinchen sind - und sind deshalb auch nicht unnötig viel und schon gar nicht viele auf einmal damit in der Gegend herumgekurvt, sondern immer überlegt. 150 Landwirte auf 100 Traktoren wie beim Auftritt vor Ministerpräsident Weil beim Ephaniasemfpang in Loccum, das macht schon etwas her, 150 Landwirte ohne Trecker würden wohl kaum eine lange Straße martialisch versperren können, dass niemand mehr durchkommt, es sei denn, sie klebten sich fest. Wie wäre es mit gleichem Recht für alle und die Landwirte zu Fuß demonstrierten - so, wie alle anderen auch?. Ansonsten müsste dann auch Soldatinnen und Soldaten erlaubt sein, mit Panzern vorzufahren und Autobahnen zu blockieren, um berufsständisch z.B. für mehr Sold zu demonstrieren, oder sind diese neuderdings etwa nicht so systemrelevant wie Bäuerinnen und Bauern?

Die Systemrelevantesten von allen - und die Anderen

Es handelt sich ausdrücklich um keine Rechtsberatung: Berufsständisch ist ein wichtiger Begriff, denn in der Regel dürfen auch steuerbefreite Traktoren an berufsständischen Veranstaltungen teilnehmen, und damit auch an Demonstrationen, in denen es um typische berufsständische Fragen, wie in diesem Fall u.a. um die Besteuerung von Agrardiesel geht, die für Land- und Forstwirtschaft subventioniert wird. Schwieriger ist wohl die Frage zu beantworten, was mit Protestveranstaltungen ist, die mit dem Zweck, eine Demonstration gegen Agrardiesel-Besteuerung zu sein, beginnt und als verfassungsfeindliche Veranstaltung endet, in der z.B. Politiker bedrängt, beleidigt werden und zum Umsturz aufgerufen wird, weil auf einmal zahlreiche "andere" Teilnehmer, vollkommen fern des eigenen Berufsstands, vor Ort auftauchen, ihre eigenen Anliegen vortragen - und sich dementsprechend verhalten.

Fraglich ist dann zum Beispiel, ob sich redliche Landwirte in dem Fall grundsätzlich - und ab welchem Zeitpunkt -, deutlich distanzieren und mit ihren steuerbegünstigtem Treckern den Ort des ungeplanten Geschehens zügigst verlassen sollten, weil es sich nicht mehr um eine berufsständische Veranstaltung handelt, was man zwar nicht voraussehen konnte, die aber durch Handlungen und Aussagen erkennbar eindeutig ausfällt, zum Beispiel bestimmten Parolen zu entnehmen ist, die zu Straftaten gegen gewählte Volksvertreter aufrufen. Vermutlich werden es wohl Gerichte entscheiden und damit klären müssen, notwendigerweise, denn solche Ereignisse nehmen allgemein zu. Es gibt wohl auch kaum noch einen demokratischen Politiker und eine Politikerin, der und die noch nicht selbst erfahren musste, bei einer öffentlichen Veranstaltung schon einmal lautstark angepöbelt worden zu sein. Und die gewollte Unterwanderung der Bauernproteste durch gewissse Kreise, wurde auch bereits im Vorfeld durch ebensolche angekündigt.

Am Montag haben in Nordrhein-Wesfalen demonstrierende Bauern solche "unbekannten Dritten" mit ganz anderen Interessen als bäuerlich-berufsständischen von ihren angemeldeten Veranstaltungen verwiesen. An anderen Orten sind einige Bauernprosteste jedoch durch Dritte erfolgreich gekapert worden. Nicht nur die Veranstalter, sondern auch die Teilnehmer tragen eine gewisse Verantwortung. Vorsicht ist auch immer bei jeder Beteiligung an wilden Aktionen, darunter spontanen Kolonnen und unangemeldeten Blockaden angebracht, die nicht Bestandteil des Demonstrationsrechts sind und von denen man nur warnen kann, weil im Gegensatz zu ordentlich angemeldeten Demonstrationen, gar nichts geklärt ist und zu rechtlichen Problemen führt, u.a. auch zu versicherungsrechtlichen die bei einem schlichten Verkehrsunfall in solch einem Zusammenhang ärgerlich werden können. Vor jeder Teilnahme, bei der man nicht sicher ist, sollte man tatsächlich einen Rechtsbeistand und/oder den berufsständischen Verband fragen, als wie seriös eine Veranstaltung eingeschätzt werden kann, und welche Regeln zu befolgen sind, zu der eingeladen wird (erst recht über Soziale Medien, per Messenger, von persönlich unbekannten "Gruppenmitgliedern", ohne Klarnamen, Adresse etc.). Eine Garantie ist auch das nicht; man kommt nicht darum herum, auch dem eigenen Grips zu vertrauen, alles, das nicht niet- und nagelfest ist, noch einmal in Ruhe zu überprüfen, so viel Zeit muss sein, bevor man sich auf den Trecker schwingt.

Über allen Dingen - Die Führung der Bauernverbände und Lokomitivführer

Am heutigen Montag wurden nicht nur Autofahrer nicht auf Autobahnen, sondern auch Volkswagen-Mitarbeiter in Emden durch Traktorblockaden nicht in ihre Betriebstätte gelassen. Auch da ist fraglich, ob das mit einer berufsständischen Kundgebung vereinbar ist, die dem erklärten Zweck dient, auf Missstände in ihrem eigenen Berufsstand und in ihrer eigenen Branche hinzuweisen, aber im Allgemeinem nicht dem Zweck dient, die Produktion anderer Branchen lahmzulegen (geschweige denn, das ganze Land).

Abgesehen von weiteren Risiken mit unbekannten Folgen dieses Bärendienstes, müsssen sich die federführenden Bauernverbände hierzu die Frage gefallen lassen, wie "friedlich" solche Protestaktionen in einer angepannten Haushalts- und Wirtschaftlage wirklich sind, die ungeniert ganze Produktionstage anderer Branchen als Kollateralschaden für ihre eigenen Ziele vereinnahmen, die schließlich genau jene Steuereinnahmen erwirtschaften, die Landwirte so vehement von der Regierung für sich selbst einfordern. Einer Regierung, der sie immerhin bereits seit Wochen quasi im Fünf-Minuten-Takt Unfähigkeit vorwerfen. Aber wie fähig sind die Spitzen der Bauernverbände, außer im Zerlegen von Verkehrswegen, Produktionstagen u.ä.?.

Weil die Agrarwirtschaft seit mehreren Jahrzehnten die Vielfalt der Kleinbauern sterben lässt, wovon nicht zuletzt die Großbetriebe profitierten, sollten die Bauernverbände zumindest schlau genug sein, jenen Landwirtschaftsministerinnen und -ministern und Bauernverbandspräsidenten anzukreiden, die direkt dafür verantwortlich sind. Dürfte nicht so schwer sein, seine Verbandsmitglieder transparent zu informieren, wie auch allgemein bekannt ist, dass die Probleme lange vorhanden und tiefer liegen, als der Slogan vom Bauernverband, die Subventionierung von Kfz-Steuer und Agrardiesel vollständig wiederherzustellen, suggeriert. Selbst nur das wird auch nicht durch "Deutschland lahmlegen" oder dem ungebetenem, aber wiederholt skandiertem Slogan "Die Ampel muss weg" gelöst. Die Bauern und Verbandspräsidenten sollten lieber das Gesprächsangebot des Bundeswirtschaftsministers annehmen und schlicht antworten: Quando?

Gleiches gilt für die den Bahnstreik ab Mittwoch. So sehr man dem fast lieb gewonnenen Herr Weselsky einen erfolgreichen Start, mit einem bei diesem Herrn üblichen Wumms in den bevorstehenden Ruhestand auch gönnen mag, wie auch den vielen, betagten und erfahrenen Herren bei den Bauernverbänden, Weselsky tut ganz so, als lese er nie eine Zeitung und gingen ihn die Bauernproteste absolut gar nichts an. Das muss er wohl auch, ein Kartell zum Sturz der Regierung durch Bauern und Lokomotivführer wäre ja noch schöner.

Dennoch fällt die Diagnose des Fahrgastverbands Pro Bahn SH und Hamburg, gemeinsam mit dem Landesverband Nord des Vekehrsclubs Deutschland (VCD) bezüglich der voraussichtlich ab Mittwoch lahmgelegten Verkehrswege Straße und Schiene wesentlich eindeutiger aus: Man betrachte mit Sorge die kommenden mehrtägigen Streiks bei der DB, weil die betroffenen Fahrgäste, dank der Bauernproteste, buchstäblich, Zitat "nicht selten ohne eine Alternative da stehen".
Beide Verbände rufen zum Zurück an den Verhandlungstisch auf, und zwar mit Moderator, der die Unversöhnlichen wieder in den Dialog bringen soll und nennt Punkte, die als Basis, u.a. auch zur Umsetzung der Verkehrswende´geeignet sind und stellt auch Forderungen an die Politik. Zu Abmilderung aber der akuten Situation mit voraussichlich desaströsen Folgen ab Mittwoch, verlangen beide Verbände, einen grundsätzlichen festgelegten Streikplan einzuführen, der in anderen Ländern üblich ist, damit auf jeden Fall, auch während Arbeitsniederlegungen, einige Züge verlässlich fahren können, weil dies konsequent im Interesse der Fahrgäste ist.

Krisenprotokolle für mehr Professionalität

Gerade in solchen Lagen, wie diesen, wenn ein bundesweiter Streik auf eine andere bundesweite Protestwelle trifft, damit eine Verkehrskrise unverhältnismäßiger Größenordnung herstellt, von der Millionen Bürgerinnen und Bürger, die gänzlich unschuldig daran, aber unmittelbar betroffen sind und infolgedessen in ihrem Alltags-, Arbeits- und Familienleben massiv eingeschränkt werden - von den wirschaftlichen Folgen ganz zu schweigen - , wenn zwei der wichtigsten, öffentlichen Verkehrswege im ganzen Land regelrecht besetzt werden, verlangt geradezu nach einem Krisenleitfaden, der nicht den Betroffenen weitere Auflagen macht, sondern die Verantwortlichen besser einhegt, als bisher geschehen.

Vor jedem Zusammentreffen von mindestens zwei Großprotest- und Streikveranstaltungen sollte vorher mit den Veranstaltern besprochen werden dürfen, mindestens, ob noch eine moderierte, wie der Fahrgastverband vorschlug, Verhandlung und wenn nicht, wenigstens eine zeitliche Entzerrung möglich wäre, weil ein Staat und seine Bürgerinnen und Bürger auch noch zahlreiche andere Aufgaben zu bewältigen haben, als sich tagelang ausschließlich mit Streikenden und Prostestierenden aus lediglich zwei Branchen mit sehr speziellen Anliegen zu beschäftigen.
Nicht schlecht wäre, wenn automatisch von den Veranstaltern vorab (!) veröffentlicht werden muss - und nicht nur den Behörden mitgeteilt - , was wo stattfindet, was erlaubt ist und was nicht, wie es mit der Haftung aussieht, wer im Veranstalterkreis Ansprechpartner für Teilnehmende ist und - ähnlich wie bei "Fluggastrechten" auch die Betroffenen verpflichtend öffentlich über ihre Rechte informiert werden. Die Rechte der andern können ja schließlich gerade ausgerechnet bei sehr großen und öfentlichkeitswirksamen Protestveranstaltungen nicht komplett unter den Tisch fallen, so wie jetzt. Professioneller geplant und meschenfreundlicher umgesetzt, erübrigte sich auch viel Ärger im Nachhinein und hilft, wilde Aktionen mitten im Geschehen auch im eigenen Interesse von Streikenden und Protestierenden zu verhindern.

Es ist natürlich nicht die eigentliche Aufgabe des Staates, Unfähigkeit und Unwissenheit von Veranstaltern dauernd korrigieren zu müsssen, obwohl er wiederum das Recht auf Versammlungsfreiheit wahren muss. Es ist aber auch nicht die Aufgabe der breiten Öffentlichkeit in Form von Millionen betroffenen Menschen ihre sämtlichen, eigenen Rechte - zum Beispiel, wenigstens den eigenen Arbeitsplatz erreichen zu können, tagelang allein zu Gunsten der Rechte anderer beraubt zu werden, mit allen üblen Folgen, die wir wiederholen uns, in dieser Eiseskälte bei bestehender Hochwasserlage, durchaus gefährlich werden können, u.a. für Schulkinder, die auf sie abholende Eltern warten oder/und pflegebedürftige Angehörige von Arbeitnehmern, weil die Pflegenden weder rechtzeitig zur, noch pünktlich von der Arbeitstelle kommen, sondern zum stundenlangen Stillstand gezwungen werden, u.a. auch, weil sich manche Demontrationsteilnehmer einfach nicht an die Regeln halten.

Nicht nur für Lokomotivführer und Landwirte, auch für alle anderen sind Alltag und Berufsleben generell schwieriger geworden, die ebenso von Teuerungen betroffen sind und auch im Winter, wie Bauern eigentlich wissen müssten, alles deutlich umständlicher zu bewältigen ist, als in den Jahren niedriger Inflation und im milden Frühling, in dem viele auch etwas längere Arbeitswegen mit dem Fahrrad zurücklegen können.
Man wird darum den Eindruck einfach nicht los, dass die aktuellen Herrschaften an den Spitzen ihrer Streiks und Demonstrationen sich derzeit so aufführen, als seien ihnen gerade die von den schlimmsten Folgen Betroffenen ihrer massenhaft andere Menschen in Mitleidenschaft ziehenenden Aktionen eigentlich herzlich egal. Dabei wird überall diesbezüglich aufgerüstet und professionalisiert, dass immer auch die andere Seite miteinbezogen werden muss. Warum wohl? Weil es hilft mögliche Probleme, Übersehenes und andere Unwägbarkeiten im Vorlauf zu erkennen, zu lösen oder wenigstens klug zu umgehen, was jedes Projekt erfolgreicher macht, als sich einseitig hineinzustürzen - und sich dann über die Reaktionen wundern. Und außerdem wird es höchste Zeit, dass die Polizei entlastet wird, die überall dafür herhalten muss, solche Fahrlässigkeiten und Versäumnisse allein auszubaden.

Was von den Zielen übrigblieb

Wenn es um die Ziele der Spitzen von Bauernverbänden und GDL geht, sieht es ähnlich mager wie bei der Umsetzung aus, als dass endlich ernsthaft über Lösungen bereits lange verschleppter Probleme gesprochen und verhandelt wird, Schichtarbeit ist mega-anstrengend, heimische landwirtschaftliche Produkte sind unverzichtbar. Punkt. Und schwierig zu lösende Konstellationen beinhalten beide, aber es gibt machbare Lösungen. Punkt. Die aktuelle bundesweite Verkehrsstillungsaktion auf Straße und Schiene wirkt dagegen wie eine chronologisch äußerst unglückliche, reine Machtdemonstration der jeweiligen Führungspitzen mit großer Wirkung auf die Masse, aber kaum Aussicht auf eine erfolgreiche Punktlandung im Ergebnis, und damit wie von gestern.

Das einzige, was in der Kombination dieser beiden Veranstaltungen bisher erreicht wurde, sind die ungebetenen Gäste. Und die werden sie nun erst einmal nicht mehr los, denn die tauchen immer auf, wenn es irgendetwas zu holen gibt, das der Demokratie auch nur irgendwie mehr oder weniger schaden kann. Selbst Schuld, wenn man selbst von Anfang an so martialisch auftritt, und die Welt in sich selbst und alle anderen seien lediglich unfähige Dummköpfe teilt. Das beste wäre wirklich, die ganze Aktionen abzublasen und zurück zu den Verhandlungstischen zu schreiten, aber die Sturheit der Führungspitzen steht dem entgegen, die vor allem einen persönlichen Erfolg auf ihre ganz eigene Art suchen. Genau das dürfte für Moderatoren sprechen.

Von all den hehren Vorhaben und Vesprechungen, sind nicht mehr viele übriggeblieben, die uns nun schlagwortartig noch tagelang vorgebetet werden, während der Schienen- und Straßenverkehr stottert und steht: Eine vollständige Subventionierung meiner Kfz-Steuer und Tankfülllung hätte ich auch gern einmal erlebt, genauso eine 35-Stunde-Woche bei vollem Lohnausgleich, und die zunehmenden Belastungen und Teurungen von allen Seiten setzen auch mir immer mehr zu, ganz genauso wie allen anderen auch.
Aber nur deshalb, weil ich protestiere oder streike, käme ich nie auf Idee, meiner Nachbarin mit schwerem Gerät den Weg zur Arbeit zu versperren oder den Schulunterricht, Behindertentransporte, Arbeit und Produktion anderer Branchen stillzulegen, Politiker mit 100 Freunden auf Traktoren zu stalken oder Galgen mit Anspielungen auf demokratische Regierungen oder Andersdenkende in die Landschaft zu setzen - und den Horizont damit zu verschandeln (schon mal an die Kinder gedacht, die solchen Vernichtungsfantasien ausgesetzt sind?), irgendetwas Stumpfsinniges wie "Deutschland lahmlegen", zu faseln - und selbst als ungeladener Gast hätte ich die Kohl-Regierung nie mit ödem Gebrüll "Kohl muss weg" zum vorzeitigen Aufgeben zu bewegen versucht, und das hat immerhin 16 Jahre lang gedauert; dem funktionierendem Wahlrecht sei Dank. Warum? Vertrauen Sie mir, ich bin Demokratin.


2024-01-08, Angelika Petrich-Hornetz
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Foto Banner: aph
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Quellen:gdl.de, bahn.de, presseportal.de, schleswig-holstein.de, wochenblatt-dlv.de, agrarheute.com, sueddeutsche.de, zeit.de, pro-bahn-sh.de

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