München wollte als Ausrichterstadt der Fußball-EM 2024 mit ökologischer Strahlkraft überzeugen, auch durch umweltfreundliche Mobilität. Ähnlich steigt in der E-Sport-Szene das Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Tipps sind willkommen, wie die Spieler Tag für Tag Energie und Treibhausgasemissionen sparen oder wiedergutmachen können.
von Annegret Handel-Kempf
Da muss man erst mal draufkommen, dass Sport nicht nur die eigene Energie verbraucht. Doch nicht nur für die Euro 2024 und für die Olympischen Spiele in Paris sind Stromverbrauch und Emissionen ein Thema. E-Sport, in dessen Namen die Elektrizitäts-Komponente schon drin ist, braucht natürlich Power. Wie die weite Welt der Games aus Computer- und Videospielen sowieso, ob jetzt olympisch anerkannt oder nicht. Damit nicht genug: Künstliche Intelligenz beim Entwickeln und Zocken kostet ebenso extra Kilowatt-Stunden wie das Reinspringen in die Phantasiewelten via „Augmented Reality“.
Die gute Nachricht: Das Bewusstsein für den Energiekonsum und für die Powerquellen wächst bei denen, deren Geschäft das Spielen unter Strom ist. game - der Verband der deutschen Games-Branche befragte im Dezember 2023 seine 125 Mitgliedsunternehmen aus der deutschen Games-Branche, darunter insbesondere Entwickler und Publisher. Heraus kam, dass etwa sieben von zehn Games-Unternehmen (68 Prozent) hierzulande Ökostrom nutzen und weitere 16 Prozent planen, darauf umzusteigen.
Auch die analogen Spieler nehmen den Ball auf: In seinem „Schlussbericht – Konzept- und Machbarkeitsstudie für eine klimaneutrale Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft der Herren 2024 (UEFA EURO 2024)“ in Deutschland rechnete das Institut für angewandte Ökologie mit einem Elektrizitätsbedarf von 11.000.000 Kilowattstunden in allen Stadien. Bei großen Analog-Sportevents spielen einige Faktoren zusammen, welche die Treibhausgasemissionen anreichern: Transport sowie Unterbringung von Sportlern und Fans, Verpflegung, Fernsehübertragungen und mehr. Das IFÖ-Institut kam für die EM 2024 auf 490.000 Tonnen CO₂-Äquivalente – Kohlendioxid-Äquivalente dienen als Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase. Seit der Fußballweltmeisterschaft 2006 berät das IFÖ-Institut den DFB in Sachen Umwelt. Außerdem liefert es Entscheidungshilfen für Vereine und Veranstalter.
München hat sich beispielsweise als lokaler Gastgeber dafür entschieden, attraktive Fahrradrouten zum Stadion festzulegen. Im Olympiapark wurden alle 51 Spiele der EM live auf Großbildleinwänden übertragen. Dort sollten eine zentrale Plattform sowie Initiativen für Nachhaltigkeitsthemen eine „FAIR PLAY ZONE“ bilden. Ein Mehrweggebot in der Fan Zone gehört ebenfalls zum Umwelt-Konzept.
Europäische Fußballfeste werden in diesen Dimensionen nur alle vier Jahre gefeiert. E-Sport entwickelt sich indes zum Begleiter des analogen Tagesgeschäfts im Sport, mausert sich nach asiatischem Vorbild gar zum Volkssport, könnte (teils) gemeinnützig werden. Digitaler E-Sport, für den es sogar Profi-Ligen gibt, wohnt unterm Dach klassischer Computerspiele Tür an Tür mit Alltags-Gaming bei Jedermann. Ein Hype, der durch Massenveranstaltungen befeuert wird: Professionelle E-Sportler treffen in sagenumwobenen, grandios angelegten Vor-Ort-Wettkämpfen aufeinander.
Eine weitere gute Nachricht lautet: Kompensation. Der E-Sport leistet eine Energiespende für seinen Verbrauch: Die strapazierten Landschaften der Wirklichkeit können durch die Zuwendungen neu aufblühen. Wenn junge Bäume wurzeln, entsteht neue Energie für schlappe Vegetation als Gegenwert fürs Gaming.
Das verbindet E-Sport und klassischen Sport: Auch der massenanziehende Fußball auf elf mal zwei Beinen muss Großveranstaltungen wie die eine EM und eine WM kompensieren und Klimafreundlichkeit im Konzept haben. Veranstalter und Berater berechnen, welche Abgaben jeder Beteiligte zu zahlen hat.
Im privaten Bereich kann jeder selbst überlegen, wie viel Energie beim Zocken im Spiel ist. „Es gibt nicht die eine Gaming-Szene. Wie und was gespielt wird, das ist so divers wie die Menschen selbst“, sagte Bitkom-Präsidiumsmitglied Olaf May bereits vor zwei Jahren und: „Gleichzeitig muss das Thema Nachhaltigkeit auch in der Gaming-Welt in den Fokus rücken.“ Hersteller von Hardware seien in der Pflicht, die Energieeffizienz der Geräte zu verbessern. Den Spielern rät der Digitalexperte beispielsweise, einhundert Prozent Öko-Strom aus regenerativen Quellen zu nutzen.
Zur Gamescom 2023 ließ E.ON zum Thema 2.000 Spieler von Civey befragen und teilte mit: Wer zehn Stunden pro Woche zockt, hat der Umfrage zufolge im Jahr einen Energiebedarf zwischen 64 Kilowattstunden bei der Nintendo Switch und 270 Kilowattstunden bei einem High-End-PC. Die Tipps des Energieanbieters anlässlich der Gamescom, die ein Großevent für Computer- und Videospiele sowie deren Vermarkter ist, lauten: Ein kleinerer Bildschirm sowie Konsole oder Smartphone anstelle eines stationären PCs sparen Strom.
Der Digitalverband Bitkom verweist auf Nachfrage auf seine „Consumer Technology Studie 2023“. Ihr zufolge verwenden 82 Prozent aller Gamerinnen und Gamer für das Gaming ihr Smartphone. Knapp danach folgt der Laptop (80 Prozent). Auf dem Tablet spielen, Bereichsleiter Sebastian Klöß zufolge, 58 Prozent, auf einem stationären Desktop-PC gut die Hälfte (53 Prozent). „Neben diesen Geräten, bei denen Gaming nur eine von vielen Funktionen ist, kommt jenen Geräten eine zentrale Rolle zu, die speziell für Spiele entworfen und gebaut wurden: den Spielkonsolen“, sagt der Consumer-Technology-Fachmann. 39 Prozent der Gamerinnen und Gamer spielten auf einem stationären Modell, das an das Stromnetz angeschlossen und mit einem Fernseher verbunden wird. 35 Prozent verwendeten einen Typ, der stationär und mobil verwendet werden kann, 28 Prozent zockten auf einer mobilen Spielkonsole.
Noch bedenkt nicht jeder, dass die Leistungen von Hardware-Komponenten wie Prozessor und Grafikkarte beim Energiehunger stark ins Gewicht fallen. Immer aufwändigere Effekte und Illusionen, die Sehnsüchte nach neuen Spielevarianten wecken, sind ebenfalls unersättliche Stromfresserchen, weil sich die Rechner fürs visuell starke Zocken mächtig ins Zeug legen müssen. Statt auf teure Neuanschaffungen, setzen gelegentliche Spieler darauf, die Spiele aus dem Cloudangebot der Anbieter zu streamen. So sparen sich die Gamer auch das aufwändige Equipment, das viel Strom zieht. Doch die Rechenzentren, die „Clouds“, aus denen die Spiele übers Internet gestreamt werden, brauchen stattdessen Energie. Die gesamte, aufwändige Infrastruktur, die das Gaming via Streaming aus der Cloud ermöglicht, verlangt Power, auf deren grüne Ausgestaltung zugunsten der Umwelt Spieler achten sollten. Beispielsweise nutzen nicht alle Rechenzentren die beim Kühlen entstehende Abwärme weiter.
Sören Demandt, Energieexperte von der Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen, empfiehlt E-Sportlern, zu beachten, wo der Energieverbrauch entsteht: Cloud-Gaming bewirke einen insgesamt höheren Verbrauch, der so nicht auf der Stromrechnung lande. „Die Leistung fürs Spiel wird gebraucht. Wenn die gesamte Rechenpower ausgelagert wäre, würde der Energieverbrauch nicht effizienter, sondern nur verlagert.“
Ähnliches gilt, wenn Spieler online mit- beziehungsweise gegeneinander spielen. Um die Gamer übers Internet zu vernetzen, werden große Server benötigt. Auch diese externen Rechner haben mit ihrer Leistung und ihren Chips besonders großen Hunger auf Strom. – Es wird immer deutlicher: Beim digitalen Sporteln oder Spielen ist die ganze Zutatenliste wichtig.
Sebastian Klöß hat als Bereichsleiter Consumer Technology beim Digitalverband Bitkom Einblick in Umfragen zum Thema. Er sagt dazu: „Daten zu der exakten Fragestellung haben wir nicht vorliegen, aber aktuell nutzt nur ein kleiner Teil der Gamerinnen und Gamer Gamestreaming. Aus unserer Consumer-Technology-Studie 2023 geht hervor, dass aktuell nur 18 Prozent aller Gamerinnen und Gamer, die ein Gaming-Abo haben, Game-Streaming nutzen – allerdings immerhin schon 26 Prozent der 16- bis 29-Jährigen aus dieser Gruppe.“ Auf alle Gamerinnen und Gamer umgerechnet, verwendeten demnach acht Prozent Game-Streaming. „Aus unserer Gaming-Studie 2022 geht hervor, dass 10 Prozent der Gamer ab 16 Jahren demnach Geld für ein Streaming-Spiele-Abo ausgegeben haben, 2021 waren es noch sieben Prozent“, betont Klöß die Steigerung beim Online-Zocken.
Demandt rechnet vor, dass ein High-End-Gaming-PC mit 300 Watt Leistung im Jahr mit etwa 440 Kilowatt beziehungsweise 450 Euro Energiekosten bei einem Haushaltsstromtarif zu Buche schlage. Sein Tipp: „Standby vermeiden, also den Rechner bei Spielpause ausschalten.“
Das kann auch der Verbraucher-Technologie-Experte nicht so leicht beantworten. Bitkom-Branchenleiter Sebastian Klöß: „Wir haben dazu keine eigenen Hochrechnungen vorliegen.“ Den genauen Stromverbrauch von Game-Streaming zu berechnen, sei extrem kompliziert. Für den Gesamtverbrauch müsste – Klöß zufolge – unter anderem der exakte Anteil des Energiebedarfs von Rechenzentren, des Übertragungsnetzwerkes und der Endgeräte bestimmt werden, die auf Cloud-Gaming entfallen. „Zu berücksichtigen wäre dabei aber auch, dass Rechenzentren auf Effizienz getrimmt sind und damit unter Umständen vielen dezentralen, hochgerüsteten Gaming-PCs überlegen sein könnten“, sagt der Bitkom-Experte. Große Rechenzentren würden außerdem in der Regel mit Ökostrom betrieben, wohingegen Gaming-PCs und Konsolen vor Ort unter Umständen mit Nicht-Ökostrom laufen. Sein Fazit: „Daher können wir diese Zahl weder bestätigen noch falsifizieren.“
E-Sportler beziehungsweise Gamer hätten eine bessere heimische Energiebilanz und die Stromrechnung würde kleiner, wenn der Haushalt mit einer Steckersolaranlage einen Teil des Bedarfs selbst erzeuge, betont Demandt. Stichwort: Balkon- oder Gartensolaranlage. Der Verbraucherschützer: „Zumindest bei sonnigem Wetter kann der Energiebedarf eines High-End-Gaming-PCs tatsächlich über ein Solarmodul abgedeckt werden.“
Womit wir wieder beim „Nerd“-Image oder beim Freizeit-E-Sportler wären: Wer bei Nacht zockt, kann bei Tag die Waschmaschine mit Sonnenenergie laufen lassen und den Energieverbrauch des E-Sports im Dunkeln gegenrechnen. Und unterdessen im Tageslicht selbst Sport treiben. Oder auf dem Fahrrad zum Public Viewing strampeln – Die Spiele können beginnen.
2024-07-21, Annegret Handel-Kempf
Text: ©Annegret Handel-Kempf
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