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Generationenvertrag24

Die nächste Generation zu verfrühstücken birgt ein zu wenig beachtetes Demokratierisiko

von Angelika Petrich-Hornetz

Familienministerium fordert den Fokus auf die Jugend. In einem Gastbeitrag für die FAZ im Juni 2024 verlangt die Bundesfamilinenministerin Paus einen neuen Generationenvertrag, der die Interessen der jungen Generationen besser vertritt. Sie betont, trotz der unterschiedlichen Meinungen, die man aushalten müsse, dennoch das gegenwärtig gute Miteinander von Älteren und Jüngeren, das einige Bundesbüger/innen mittlerweile höchstens noch an ein weitestgehend desinteressiertes Nebeneinander erinnert.

Ein Beispiel: Als eine gezielte Investition in die Zukunft kann man den jüngsten, steuerfreien Inflationssausgleich auch für hohe und sehr hohe Einkommen nicht gerade bezeichnen, weder für sich darunter befindende sehr gut verdienende Beschäftigte noch für sehr gut versorgte Beamte und Pensionäre, inklusive Staatssekretären und Ministern mit Bezügen zwischen rund 15.000 und 21.000 Euro Monatsgehalt und entsprechenden Ruhegehältern (nach dem Ausscheiden aus Bundestag, Landesregierungen etc.). Für viele Bürgerinnen und Bürger entsprechen solche hohen Monatsbezüge bereits ihrem Jahreseinkommen, wenn sie überhaupt ein Einkommen aus bezahlter Beschäftigung ihr eigen nennen können.
Unter den sehr gut Versorgten und Erwerbstätigen befinden sich zudem Double Income-Paare ohne Kinder, die mit der Inflationsprämie, je nach Situation, zwar nur anteilig, aber manchmal auch doppelt bis dreifach subventioniert wurden, obwohl solche finanziell gut ausgestatteten Privathaushalte von der Inflation dementsprechend persönlich weniger hart getroffen wurden, als andere mit bereits vorher mehrheitlich knappem Budget, unter anderen diejenigen, die von ihrem niedrigen Einkommen zusätzlich mehrere Familienmitglieder versorgen müssen, darunter Alleinerziehenden- und Mehrkindfamilien-Haushalte.

Das Nebeneinander der Generationen

Das aktuelle "Nebeneinander der Generationen" kommt nun aber nicht etwa auf die Idee einer Zukunftsinvestition, zum Beispiel, einen Inflationsausgleich für alle 15- bis 24-Jährigen einzufordern, damit die aktuellen und künftigen Beitrags- und Steuerzahler etwa nicht bis in alle Ewigkeit überproportional belastet werden, sondern, im Gegenteil, fordert diesen allein für die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner, wie gerade eine Unterschriftensammlung von Sozialverbänden und Seniorenbeiräten zeigt.

Die Politik sieht für die aktuelle Jugend - die hierzulande darüber hinaus bisher am umfangreichsten überwachte Generation aller Zeiten - , indes lediglich weitere Verpflichtungen vor, wie z.B. in der Vergangenheit ein soziales Jahr ausschließlich für Jüngere oder in der Gegenwart eine automatisierte Wehrdiensttauglichkeitsüberprüfung, die man genausogut auf die gesamte Bevölkerung ausdehnen könnte, weil Gemeinwohl grundsätzlich vom Beitrag aller Altersgruppen und nicht einer einzigen abhängig ist.

Man gewinnt deshalb durchaus den Eindruck, zumindest ein Teil der "erwachsenen" und älteren Bevölkerung, hat die Zeitenwende, die ein gesamtgesellschaftliches Risiko für alle ist, durch die weltweit, anhaltende Bedrohungslage für alle Demokratien entweder noch nicht mitbekommen oder es interessiert sie persönlich wenig. Eine damit seit der Corona-Krise anhaltende Ignoranz von Teilen der Bevölkerung gegenüber der Gegenwart, geht mit einer ebensolchen Ignoranz für die Gegenwart und Zukunft der Jüngeren einher, die maximal noch als das - derzeit zwar etwas knappe -, aber grundsätzlich immerwährend, hinreichend vorhandene Dienstpersonal aufgefasst werden, das dem erwachsenen und älteren Teil der Bevölkerung selbstverständlich persönlich zur Verfügung zu stehen habe, und das auch noch möglichst kostenneutral. Anders kann man sich schließlich so manche politische Entscheidungen, aber auch so manchen Tarifabschluss in der Vergangenheit, wiederholt ausschließlich zuungunsten von jüngeren Beschäftigten kaum noch erklären.

Jüngere - eine knappe Ressource mit hohem Armutsrisiko in Deutschland

Weil mit Stand von 2021, nur noch 8,3 Millionen 15- bis 24-Jährige in Deutschland vorhanden sind, wird der Fachkräftemangel, zum Beispiel in Handwerk, IT, Industrie und Pflege mit einem Inflationsausgleich für Ruheständler natürlich in naher Zukunft auch nicht behoben, noch nicht einmal ansatzweise abgemildert, sondern das Gegenteil bewerkstelligen. Solch eine inzwischen von verschiedenen Organisationen vehement angestrebte Durchsetzung eines Inflationsausgleichszahlung für 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Bausch und Bogen, somit schon wieder ohne Differenzierung und Einkommensgrenzen, zusätzlich zur allgemeinen Rentenerhöhung plus Rentenzuschläge für Bezieher einer Hinterbliebenenrente ab dem 1. Juli 2024 darf man vor dem Hintergrund der in Deutschland parallel dazu, fortgesetzten Verarmung von Kindern und Jugendlichen durchaus kritisieren.

Das Armutsrisiko von minderjährigen Kindern lag 2022 bei rund 21,5 Prozent und bei 18 bis 24-Jährigen bei rund 25 Prozent. Bei älteren Frauen ab 65 Jahren aufwärts lag das Armutsrisiko im selben Jahr mit 20,3 und ab 75 Jahren mit 20,6 Prozent somit auffällig ähnlich hoch wie bei der Jugend, während ältere Männer demgegenüber ein durchschnittliches Armutsrisiko von 15,9 (ab 65) und 14,2 Prozent (ab 75 Jahren) aufwiesen. Daneben bemessen die Statisitiker nicht nur das Armutsrisiko, sondern die sogenannte "erhebliche materielle und soziale Entbehrung", die mit dem in der Tat schmerzlichen Verzicht auf das Notwendigste einhergeht; das Statistische Bundesamt dazu, Zitat: "Von erheblicher materieller und sozialer Entbehrung waren im Jahr 2022 durchschnittlich 6,1 % der Bevölkerung betroffen. Bei den 65-Jährigen und Älteren lag der Anteil bei 3,5 %. In der Altersgruppe 75+ betrug der Anteil 2,1 %", Zitatende.

Inflationsausgleich für Ruheständler versus Erwerbstätige

Als bisher einzige Begründung der Forderung nach einem Inflationsausgleich für alle Rentner und Rentnerinnen, bzw. alle Renten, wird angeführt, "andere Gruppen", insbesondere die Pensionäre bekämen "das Geld doch auch", obwohl jeder weiß, dass eine schlechte Idee nicht besser wird, indem diese auch noch auf weitere Personen und Gruppen ausgeweitet wird. Die Entscheidung, Pensionäre mit einem Inflationsausgleich auszustatten, hätte von Anfang an mindestens auf niedrige Pensionen, von denen es mehr gibt, als allgemein bekannt ist, und auf einen Haushalt beschränkt werden sollen, weil die Doppelt- und Dreifachausschüttung (u.a. möglich bei mehreren Dienstverhältnissen, Doppeleinkommenhaushalten, in Altersteilzeit Weiterbeschäftigte, Vorruheständler.) für bereits sehr gut Versorgte inzwischen niemandem mehr mit gar keinem bis zu einem Bruttojahreseinkommen von 10.000 bis 30.000 Euro - erst recht ohne Inflationsausgleich - und insbesondere denjenigen, die bereits einkommnensarm sind oder akut oder ständig davon bedroht sind, politisch überhaupt noch vermittelt werden kann.

In den tarifgebundenen Unternehmen haben rund 77 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Inflationsausgleich erhalten, in den nicht tariflich ungebundenen Betrieben waren es nur 61 Prozent, Quelle: WSI Policy Brief der Hans Böckler-Stiftung im Juli 2024. Das WSI bestätigte außerdem bereits Vorgänger-Veröffentlichungen, demnach die höchsten Inflationsprämien ausgerechnet in die Haushalte mit den höchsten Nettoeinkommen flossen:
Fast 80 Prozent mit einem Nettoeinkommen ab 4500 Euro aufwärts erhielten mindestens einen Inflationsausgleich, aber nur 50 Prozent der Beschäftigen mit einem Nettoeinkommmen von 2000 Euro und darunter. Andere Statistiken nennen sogar nur 30 Prozent, der Bezieher von kleinen Einkommen von 2000 Euro und weniger, die überhaupt eine Inflationsprämie erhalten haben. Bei den hohen Einkommen (ab 4500 Euro) betrug die Prämie im Durchschnitt knapp 2500 Euro, bei den niedrigensten, die eine erhielten, aber nur knapp 1500 Euro. Die in dem Zeitraum steigenden Preise bei Energie und Nahrungsmittel mussten allerdings auch die Einkommensarmen bezahlen. Frauen erhielten im Durchschnitt eine Inflationsprämie knapp unter 2000 Euro und Männer erhielten knapp über 2000 Euro Prämie. Die höchsten Prämien wurden in öffentlichen Verwaltung, Sozialversicherung und Verteidigung (3000 Euro) ausgezahlt, im Bereich Erziehung und Unterricht (knapp fast 3000 Euro) gefolgt von Kunst, Unterhaltung und Erholung und in der Abwasser- und -Abfallententsorgung sowie in der Wasserversorgung (jeweils knapp unter 3000 Euro). Im Baugewerbe, Fortwirtschaft und Fischerei lagen die Prämien dagegen mit zwischen 1000 und 1700 Euro am niedrigsten. Unter den Tarifverbeschäftigten erreichte das Verarbeitende Gewerbe mit 96,1 Prozent die höchsten Prämien, gefolgt von bereits o. g. Wasser-, Abwasser und Abfallentsorgung (96 Prozent).
Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, warum Ruhständler grundsätzlich 3000 Euro Inflationsprämie erhalten sollten, wenn diese noch nicht einmal bei allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern angekommen ist, die diese Forderung gegenfinanzieren sollen. Wenn man zumindest die bereits vorhandenen Unterschiedlichenkeiten auch unter den Rentnern zu berechnen hat (zum Beispiel: tarif- oder nicht tarifgebunden beschäftigt gewesen, in welche Branchen etc.), müsste dazu neben den ausgeschütteten Milliarden wohl noch eigens eine teure Behörde aufgebaut werden.

Altersarmut, Kinderarmut und neue Arbeiterklasse

Auch wenn der erwartbare (es gibt kaum einen Statistiker, der nicht davor warnte, und zwar seit vielen Jahrzehnten) Anstieg der Grundrentenbezieher vor allem das Versagen sämtlicher Regierungen in der Bekämpfung von Altersarmut, darunter insbesondere die exorbitante weibliche Altersarmut, demonstriert, befinden sich aktuell unter den Armutsgefährdeten auffallend viele Kinder und Jugendliche. Deren Eltern, die nicht bei tariflich gebundenen Arbeitgebern dauerhaft beschäftigt sind, erhielten zudem nicht selten gar keinen Inflationsausgleich. Man spricht diesbezüglich bereits von einer "neuen Arbeiterklasse", die relativ schlecht bezahlt wird und vor allem im Dienstleistungsbereich tätig ist. Hierzu muss sich die Politik dringend etwas mehr als Herkömmliches (inklusive Inflationsprämien für Besserverdienende) einfallen lassen, genauso wie zur deutlich höheren Alterarmut von Frauen, die bei den medial wirksamen Forderungen von Seniorenbeiräten und Sozialverbänden bezüglich Inflationsaugleich für Renten interessanterweise kaum erwähnt wurde.

Für den Staat wäre es schon aufgrund der Anzahl von nur 8,3 Millionen 15- bis 24-Jährigen (10 Prozent der Bevölkerung) gegenüber 21 Millionen Rentenbeziehern - zusammen mit den Pensionen lebt somit knapp ein Viertel der deutschen Bevölkerung derzeit von Alterruhegeld - günstiger, die Jüngeren mit einem Inflationausgleich zu beglücken, die im Übrigen nicht nur sich selbst, sondern bald oder jetzt schon auch die rund 23 Millionen Ruheständler (21,2 Millionen Rentner/innen und 1,77 Pensionist/innen) vollständig finanzieren müssen, was natürlich ohne Reformen sehr bald nicht mehr funktionieren wird, und zwar umso weniger, je mehr Geld sämtliche Ruheständler aus den Steuer- und Sozialkassen für sich selbst beanspruchen.
Im Jahr 2022 saß der Staat auf 4,5 Milliarden Euro Unterhaltsschulden, für die er bei säumigen Zahlern in Form von Unterhaltsvorschuss für minderjährige Kinder in die Bresche springt. Die Rückholungen, die das Bundesfamilienminsteriums Anfang 2023 aus demselben Jahr 2022 als Erfolg meldete, beliefen sich dagegen auf nur 493 Millionen Euro, deren erfolgreiche Bearbeitung grundsätzlich schwierig ist und in den meisten Bundesländern wider besseren Wissens immer noch den damit bereits überforderten Kommunen obliegt. Wenn der Generationenvertrag gilt, müssen aber auch Eltern für ihre Kinder sorgen, wenn diese noch vorhandenen Kinder später für ihre Eltern, nebst für Millionen weiterer Anspruchsberechtigter innerhalb dieser Elterngenerationen, allein aufkommen sollen.

Die Forderung nach einem Inflationsausgleich in Bausch und Bogen von 3000 Euro pro Rentenbezieher/in würde darüberhinaus mit rund 63 bis 64 Milliarden Euro ins Kontor fallen, was u.a. ungefähr dem aktuellen Staatshaushalt von Pakistan mit seinen rund 236 Millionen Einwohnern entspricht; durch die Pensionäre kommen weitere Milliarden Euro obendrauf. Solche Summen wären in Deutschland grundsätzlich zum Gemeinwohl aller, somit jüngerer und älterer Generationen, besser investiert, als ohne jede Not ausgerechnet auch in die überflüssige Subventionierung von Besserverdienenden, die damit vielleicht noch rudimentär die Tourismuswirtschaft ankurbeln, in der übrigens viele Geringverdiener beschäftigt sind. Laut Wirtschaftswoche aus dem März 2024 erhielten im Gastgewerbe nur 6,3 Prozent der Beschäftigten eine Inflationsprämie, im Handel waren es mit 24,4 Prozent (Stand: März 2024) ebenfalls deutlich weniger als bei den Besserverdiendenen in Industrie und öffentlicher Verwaltung.

Mehr Gemeinwohl statt Alleinwohl

Aus dem bereits erwähnten Policy Brief der Hansbockler-Stiftung geht hevor, dass die Inflationsprämie das Einkommmen von insgesamt rund 26 Millionen Beschäftigten und Beamten um + 52 Milliarden Euro erhöht hat. Angesichts von 45,9 Millionen Erwerbstätigen (inklusive Selbstständigen, Geringverdienern u.ä.) in Deutschland im Mai 2024 laut Statistisches Bundesamt, haben rund 20 Millionen Erwerbstätige somit keine Inflationsprämie zur Reduzierung von galoppierenden Teuerungen in Anspruch nehmen können.
Männer erhielten höhere Inflationsausgleiche als Frauen, Tarifbeschäftigte erhielten öfter und höhere Prämien als nicht Tarifbeschäftigte, bereits hohe Einkommen erhielten öfter und höhere Inflationsausgleichsprämien als niedrige Einkommen.
Vor diesem Hintergrund ist es zwar begrüßenswert, dass die Politik die Schockwellen der multiplen Krisen mit der Maßnahme einer Inflationsprämie grundsätzlich abfedern und den Massenkonsum zu stabilisieren anstrebte, was immerhin bei mehr als Hälfte von Beschäftigten und Beamten gut bis einigermaßen funktionierte, aber gleichzeitig auch bedauerlich, dass dennoch ausgerechnet die einkommensschwächsten Haushalte, in denen aber viele Kinder und Jugendliche leben und aufwachsen, zum Teil leer ausgingen, deren Haushalte vor allem durch die Kosten für Energie und Nahrungsmittel überproportional belastet wurden, inzwischen auch von den höheren Preisen für Dienstleistungen. Das Fazit lautet: Zumindest die Bezieher sehr hoher Einkommen und Pensionen, die von der Inflationseinmalzahlung nun auch noch besonders profitierten, hätten die Krise mit Inflationsraten von +5 bis +7 Prozent auch ohne diese steuer- und sozialversicherungsfreie Subvention persönlich ausgesprochen gut bewältigt - im Gegensatz zu vielen anderen, die noch nicht einmal eine erhielten.

Und prompt fehlt jetzt wieder das Geld in der Staatskasse, das zum Abbau von Kinder-, Jugend-, Mütter- und Altersarmut hätte beitragen können. Der drohende, sich über sämtliche Ministerien hinweg bereits abzeichnende Giftschrank der Sozialpolitik wird wohl ausnahmslos wieder besonders hart die kleinen Einkommen, von Armut bedrohte Haushalte und Beschäftigte treffen. Darunter befindet sich u.a. auch eine mögliche Erhöhung der Preise für das Deutschlandticket (bisheriger Aufwand: 1,5 Milliarden Euro), vor der mehrere Vertreter der Bundesländer bereits dringend warnten.

Immerhin trägt dieses Ticket für bundesweit mehr Mobilität per klimafreundlicherem ÖPNV, darunter auch zur dringend zu erhaltene Job-Moblität bei, gerade weil die Wohnungsnot bereits massivst negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Das Ticket gleicht den Wohnungsmangel vor Ort, am Arbeitsplatz wenigstens etwas aus. Kein Haushalt mit kleinen bis mittleren Einkommen ist derzeit noch in der Lage, mal eben so für einen Job umzuziehen, eine deutliche Veränderung zur jahrzehntelang praktizierten Vergangenheit und damit ein Thema, das viel zu wenig in der öffentlichen Debatte steht, weil es immerhin direkte Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung Deutschlands hat.
Und, wenn die Politik Bürgergeldbeziehende künftig auf dreistündige Arbeitswege entsenden will, müssen sich diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dementsprechend dann nicht nur zeitlich, sondern auch finanziell ihre dreistündigen Arbeitswege leisten können. Dabei gilt schon lange in vielen Haushalten: entweder Auto oder ÖPNV. Beides können sehr viele Menschen hierzulande derzeit nicht mehr finanzieren, außer natürlich die höheren und höchsten Einkommen, die nun auch noch die höchsten Inflationsprämien erhielten. Wenn immer wieder medienwirksam darauf hingewiesen wird, dass sich bei jeder Sozialleistung für arme Haushalte gut überlegt werden muss, wie und von wem diese gegenfinanziert wird, und welche mittel- und langfristige Wirkung sie hat, gilt das erst recht für Prämien ausgerechnet für höhere Einkommen, insbesondere Pensionen, die man sich auf Kosten von niedrigeren Einkommen von schlecht bezahlten Beschäftigen nun leisten will.

Dass der Inflationsausgleich hinter der Teuerung aktuell außerdem wieder nicht hinterkommt, wurde auch durch die unnötigen Auschüttungen an Sehrgutverdiener nicht sinnvoller, die damit lediglich deren Überversorgung finanzierten, sondern reißt jetzt lediglich ein um ein Vielfaches größeres als das unbedingt zwecks Konsumstabilisierung notwendige Loch in den Etat, da man versäumt hatte, bei der Inflationsprämie Einkommensgrenzen und die Beschränkung auf einen Haushalt einzuziehen. Auch die jetztige Haushaltseinigung der Bundesregierung bringt für einkommmensarme Familien mit Kindern wenig Entlastung von der Dauerbelastung, darunter sind 5 Euro mehr Kindergeld ein geradezu schlechter Witz, vor den Herausforderungen, die diese Familien und ihre Heranwachsenden in den nächten 30 bis 50 Jahren zu stemmen haben.

Investoren und Profiteure der Kinder von heute

Ein Schelm, wer auch in diesen Versäumnissen, die irgendwann allen teuer zu stehen kommen werden, einen Zusammenhang mit dem fortgesetzten Fachkräftemangel und (inzwischen weltweit) sinkenden Geburtenzahlen erkennen will. Denn das wird allein der Nachwuchs aus Haushalten mit hohen Einkommen nicht ausgleichen können. Dazu werden deren Eltern im Ruhestand einfach zu teuer - für die heutigen Kinder armer Leute - und somit für einen Großteil der nächsten Generation der erwerbstätigen Bevölkerung.

Die Politik muss aufpassen, dass sie die Zukunftsfähigkeit nicht aus den Augen verliert und insbesondere den Kipppunkt nicht verpasst, in dem der Profit aus ehrenamtlicher Sorge- und Familienarbeit künftig nur noch von gutverdienenden Kinderlosen, hohen bis höchsten Einkommen und lebenslänglich bereits sehr gut versorgten Ruheständlern u.ä vollständig abgeschöpft werden könnte. Oder anders ausgedrückt: Sie muss u.a. zeitnah verhindern, dass in der, auch aufgrund politischer Maßnahmen, bereits frühzeitig, einsetzenden Verrentungswelle der Babyboomer nicht auch noch die letzte, noch vorhandene Krankenschwester, der letzte Verkäufer, die letzte Kellnerin, der letzte Bauer, die letzte Elektrikerin und der letzte Polizist, die "ganz nebenbei ihre Kinder" zum Gemeinwohl aller großziehen, ihren Dienst quittieren werden, um ebenfalls damit zu beginnen, sich ausschließlich nur noch um sich selbst zu drehen und zu kümmern.

Die Bereitschaft eines nicht zu knappen Teils der mittleren und älteren Jahrgänge, und vor allem der höheren Einkommen, in die künftigen Generationen, somit Zeit und Geld in die eigenen, aber auch in die "Kinder anderer Leute" zu investieren, die später auch neben den bereits vorhandenen, alle künftigen Ruheständler inklusive den o. G. finanzieren müssen, ist damit hierzulande deutlich ausbaufähig und darum ist der Aufruf der Bundesfamilienministerin zum Thema vollkommen richtig, aber das zu bearbeitende Konfliktpotential darin dürfte gern um ein paar konkretere Forderungen und Vorschläge ergänzt werden. Auch das ist auszuhalten, weil die Jugend, jetzt eine Perspektive braucht, das gegenwärtige und das in der Haustür stehende 22. Jahrhundert zu meistern.


Zum Gastbeitrag der Bundesministerin in der FAZ, externe Seite, faz.net vom 16.06.2024: Die Jugend entzieht uns das Vertrauen.

Weitere Infos, externe Seite, destatis.de, Stand 2022: Jugend in Zahlen

Wirtschaftswoche, externe Seite, wiwo.de vom 13.03.2024: Drei Viertel der Tarifbeschäftigten bekommen Inflationsprämie

Und, externe Seite faz.net, vom 11.06.2024: Vor allem Haushalte mit höheren Einkommen profitierten vom Inflationsausgleich

Auswirkungen der Sonderzahlung, Policy Brief der Hans Böckler Stiftung, aus dem Juli 2024: Inflationsausgleichprämie erhöht Einkommen von 26 Millionen Beschäftigten um 52 Milliarden Euro

Haushalt 2025. Einigung auf den Haushalt 2025 und eine Wachstumsinitiative vom 5. Juli 2024, PDF: Informationen zur Einigung auf den Regierungsentwurf


2024-06-16/07-07, Angelika Petrich-Hornetz
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
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