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Ann Arbor - Ein grünes Biotop in Amerika

Die Universitätsstadt im Südosten Michigans verkauft ihr ökologisches Profil als Standortvorteil

von Cornelia Schaible

Bürgermeister John HieftjeWer von der Autometropole Detroit ins südwestlich gelegene Ann Arbor fährt, fühlt sich nach Passieren des Ortsschildes wie in einer anderen Welt: Im Gegensatz zu vielen Detroiter Vorstädten gibt es in der Universitätsstadt am Huron River richtige Bürgersteige. Und selbst bei schlechtem Wetter bewegen sich dort Menschen zu Fuß!

Bei einem Spaziergang in Ann Arbor sollte man allerdings ein wenig darauf achten, wohin man tritt. Vor allem am Tag der Müllabfuhr ist Vorsicht geboten – dann stehen nämlich überall Recycling-Behälter im Weg herum. Kurzum, gerade deutschen Besuchern dürfte in Ann Arbor ganz heimatlich zumute werden. Süddeutsche wiederum fühlen sich bestimmt an Tübingen erinnert: Studenten bestimmen das Stadtbild hier wie dort.

Insofern leuchtet es ein, dass Ann Arbor und Tübingen seit vielen Jahren Partnerstädte sind. Es passt einfach. Wie die schwäbische Universitätsstadt ist auch Ann Arbor ein Biotop, in dem grüne Ideen gedeihen. In Tübingen ist das ein Dauerthema in der Presse; in Ann Arbor liest man nur wenig darüber. So ist das eben in Amerika: Dafür stehen jeden Tag lange Artikel über das Football-Team der University of Michigan in der Zeitung. Nun, im Schwabenland gibt es keinen College-Football. Folglich schreiben die Lokalzeitungen dort tatsächlich über Kommunalpolitik – und das ist meistens spannender als der Sportteil.

Kürzlich wählte Tübingen sogar einen Grünen, den Landtagsabgeordneten Boris Palmer, zum Oberbürgermeister. Das sorgte landesweit für Aufsehen. In Ann Arbor regiert ein Demokrat mit grünem Programm, was allerdings nur in der Partnerstadt so klipp und klar in der Zeitung stand: Fußgänger, Ann Arbor, MichiganJohn Hieftje, der erst im vergangenen Jahr zu Besuch in Tübingen war, bekleidet den Bürgermeisterposten von Ann Arbor im Bundesstaat Michigan seit 2000. Als unerschrockener Verfechter ökologischer Belange – sein Projekt Grüner Gürtel gegen die Zersiedelung der Landschaft ist schon fast legendär – hat sich Hieftje über Michigan hinaus einen Namen gemacht.

Den Grünen Gürtel von Parks und Naturlandschaft um Ann Arbor gab es allerdings nicht zum Nulltarif. John Hieftje rief die Bürger auf, die Kommune beim Kauf von unbebauten Flächen zu unterstützen. Nur so lasse sich die Landschaft vor den Interessen der Baulöwen schützen. Obwohl die Immobilien-Lobby gegen den Plan mobil machte, stimmte die Bevölkerung im Jahr 2003 mit großer Mehrheit für die Initiative. Was ganz erstaunlich ist, denn der Landkauf soll überwiegend aus steuerlichen Mitteln finanziert werden. Im Durchschnitt wird jeder Hausbesitzer dafür 30 Jahre lang 60 Dollar pro Jahr zusätzlich an Grundsteuer bezahlen müssen, sagt Hieftje.

Gelegentlich kann 55-jährige Hieftje, der in Ann Arbor aufgewachsen ist und wie viele seiner Generation vom Protest gegen Vietnamkrieg geprägt wurde, fast missionarisch wirken. Und er reagiert schon einmal leicht genervt, wenn Gesprächspartner seine guten Absichten nicht gleich erkennen. Aber er vermag zu überzeugen. Eine Delegation aus Tübingen, die voriges Jahr zum 40-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft nach Ann Arbor kam, zeigte sich jedenfalls beeindruckt von den Errungenschaften des Bürgermeisters. Worüber die Tübinger ebenfalls staunten: Im City Council der 114.000-Einwohner-Stadt Ann Arbor hat es Hieftje gerade mal mit 10 Volksvertretern zu tun; Tübingen leistet sich mit 87.000 Einwohnern einen 48-köpfigen Stadtrat.

Bei den Zwischenwahlen am 7. November wurde Hieftje mit 79 Prozent der Wählerstimmen im Amt bestätigt. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass Hieftje auch im Bemühen, Ann Arbor als Hightech-Standort attraktiv zu machen, einige Erfolge verzeichnen kann. Das ökologische Profil der Stadt verkauft er dabei als Standortvorteil. Google hat schon angebissen: Dass der Internet-Suchdienst 1000 Arbeitsplätze in der Unistadt schafft, war eine der wenigen positiven Wirtschafts-Nachrichten des Sommers in Michigan. Die Arbeitslosenquote in Ann Arbor entspricht mit 4,6 Prozent dem US-Durchschnitt – im Bundesstaat Michigan liegt sie dagegen um rund 2,5 Prozentpunkte höher. Ann Arbor, StraßenbildHieftje hofft, dass weitere Hightechfirmen nachziehen: Es kann nicht schaden, noch ein paar Jobs mehr zu kriegen! Auch der Autokonzern Toyota, der seine Fabriken lieber im Süden des Landes baut, plant ein neues Technologiezentrum bei Ann Arbor. Und Hyundai forscht ebenfalls in der Unistadt.

Die Beliebtheit von Ann Arbor, das zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität in Amerika zählt, hat allerdings auch eine Kehrseite: Die Mieten sind relativ hoch. Und die Belastung der Anwohner durch den Verkehr hat den vergangenen Jahren zugenommen. Hieftjes neuestes Projekt: Mit einer Bahn für Pendler in die nahe Metropole Detroit möchte er die chronisch verstopften Verkehrswege um die Unistadt entlasten. Außerdem soll das Radwegenetz in Ann Arbor ausgebaut werden. Die Fußgänger müssen dann verstärkt darauf achten, dass sie nicht von Radlern umgefahren werden. Wie in Tübingen.


2006-12-17 by Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: © Cornelia Schaible

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