von Annegret Handel-Kempf
Eine Technologie, die auf den ersten Blick überzeugt, könnte schon seit längerem Plasma und LCD beim Rennen um die erfolgreichste Flachbildschirm-Technologie ins Schwitzen bringen. Doch die Gegebenheiten machen es den Surface-conduction Electron-emitter Displays (SED) schwer, das abgedunkelte Licht der Fernsehzimmer zu erblicken.
Um den versprochenen schnellen Bildaufbau, die hohe Bildqualität und die gleichwertige Sicht aus jedem Betrachtungswinkel zu genießen, müssen sich potenzielle SED-TV-Käufer immer weiter in Geduld fassen: Nach mehreren Verschiebungen sollen frühestens Ende 2007 erste Geräte in den Handel kommen, wenn auch wohl nur in den japanischen.
SED-TVs vereinen trendig-flaches Design von LCD- und Plasma-Panels mit den Vorzügen von Bildröhren-Fernsehern, etwa bei Kontrast und Farbwiedergabe. Die Fernseher, die mit geringem Stromverbrauch dank hoher Lichtausbeute punkten, sollen anfangs mit Bildschirmdiagonalen von 140 Zentimetern eingeführt werden.
Die neueste Programmänderung: Zum 29. Januar übernahm Canon sämtliche Anteile seines Partners Toshiba aus dem 2004 extra gegründeten Partnerunternehmen SED Inc.. Dabei hatten die beiden Elektronik-Riesen seit 1999 gemeinsam die SED-Technologie entwickelt, an der Canon sogar schon seit 1986 arbeitet. Um den Markt rechtzeitig zur Olympiade 2008 in China mit möglichst vielen Fernsehern auf SED-Kurs zu bringen, sollte die volle Massenproduktion Anfang 2008 auf einer speziell für SED-Panels errichteten Produktionsstraße Toshibas im japanischen Himeji anlaufen.
Doch das Ende des Joint Ventures macht diese Pläne zunichte. Canon muss jetzt einen eigenen Geschäftsbereich für die Scharfseher-Technologie, plus zugehöriger Panel-Fab, etablieren, wird dabei jedoch von den in die Materie eingearbeiteten, bisherigen Toshiba-Ingenieuren unterstützt. Das nunmehr partnerlose SED Inc. soll nach wie vor einen Verkaufsstart in Japan zum Ende dieses Jahres zuwege bringen.
Sascha Lange, bei Toshiba Europe für das Produktmarketing von Bildtechnologien in der Unterhaltungselektronik zuständig, beugte bei der CeBIT-Preview 2007 in München Spekulationen vor, sein Unternehmen wolle der neuen Technologie den Rücken kehren: Auch Toshiba plant Produkte mit SED-Panel.
Wann die Markteinführung in Europa starte, könne man gegenwärtig allerdings noch nicht sagen. Wir glauben an SED. Deshalb stehen beide – Canon und Toshiba - voll dahinter, betonte Lange.
SED hat ein ungeheures Potenzial, startet erst und ist ausbaufähig, ergänzte der Produktmanager im Vier-Augengespräch. Plasma und LCD seien ausgereift, auch im Sinne von ausgereizt. SED muss jetzt kommen, sonst haben andere, neue Technologien die Nase vorn.
Toshiba und Canon wollen trotz geänderter Beziehungen gemeinsam für einen möglichst glatten Start des SED-Fernsehgeschäfts sorgen.
Wenn ihnen dabei kein anderer zuvor kommt ... . Denn Hintergrund des Auseinanderbrechens der Partnerschaft sind Patentstreitigkeiten von Canon mit der Nano-Proprietary Inc.
Der SED Inc. fehle nach Nano Proprietary’s Einschätzung, die ein Gericht im November 2006 teilte, eine eigene Lizenz für die Mini-Elektronen-Kanone zur Illuminierung der einzelnen Bildpunkte. Diese Technologie des texanischen Unternehmens wird in SED-TVs verwendet. SED Inc. sei nämlich keine Tochtergesellschaft des Patentlizenz-Inhabers Canon, da Toshiba weit reichende Entscheidungsbefugnisse bei der SED Inc. gehabt habe. Toshiba und Canon gaben in einer Pressemitteilung Anfang dieses Jahres diese Patentstreitigkeiten als Grund für die Trennung an.
Lange erläuterte dazu: Die Rechtslage hatte sich geändert, SED Inc. war nicht mehr eine Tochtergesellschaft von Canon. Deshalb hat Toshiba seine Einflussverhältnisse auf Canon übertragen, um keine unnötigen Verzögerungen zu provozieren.
Patente könnten Canon ein weiteres Bein stellen: Denn eigentlich tut Eile Not, vorausgesetzt, es sollen nicht Dritte den Rahm bei Produktion und Verkauf der viel versprechenden SED-Idee abschöpfen: Die einzige bisher veröffentlichte, diesen gesamten Technologie-Komplex umfassende gemeinsame Patentanmeldung von Canon und Toshiba (z.B. US 2006/0049734 A1, 9. März 2006) schützt das Produkt nur in Japan und den USA, und ist Stand der Technik für Europa und andere Regionen der Welt. Somit ist die Bahn frei für alle, Produkte nach dieser SED-Grundidee außerhalb Japans und der USA lizenzfrei zu bauen und zu verkaufen. Vorausgesetzt, sie bekommen die gleiche Lizenz wie Canon von Nano-Proprietary Inc., das seine Entwicklungen weltweit anmeldet, für die Nano-Proprietary Mini-Elektronen-Kanone, die in SED-TVs verwendet wird.
SED-Bildschirme werden mit Hilfe von Nanotechnologie hergestellt, bedienen sich also feinster Strukturen. Während es beim herkömmlichen Bildröhrenfernseher eine einzige Elektronen-Quelle gibt, wird beim SED-Panel jeder einzelne Bildpunkt mit einer eigenen Quelle verwöhnt. Daher können die Displays wesentlich größer gebaut werden als traditionelle Bildröhren-TVs. Das Bild entsteht durch den Aufprall der Elektronen auf eine mit Leuchtstoff beschichtete Fläche.
Weil in SED-Panels das Licht durch den Aufprall der Elektronen auf die Phosphorschicht erzeugt wird, ist im Gegensatz zu LCDs keine Hintergrundbeleuchtung notwendig, und das Bild ist gleichmäßig ausgeleuchtet. Gegenüber Plasma hat SED den Vorteil größerer Farbtreue und hoher Farbkontraste, wie er schon bei der SED-Prototyp-Demonstration auf der IFA 2005 deutlich zu sehen war. Die SED-Reaktionszeit liegt mit einer Millisekunde weit unter den mittlerweile verbesserten Werten der Konkurrenztechnologien.
Riesenkontraste von 100.000:1 soll die von Canon und Toshiba entwickelte SED-TV-Technologie aufbieten. Doch auf der diesjährigen Innovations-Trend-Messe CES war die japanische Revolution nur hinter verschlossenen Türen zu sehen.
In der Vergangenheit bezweifelten Experten, dass es möglich sein könnte, eine Massenproduktion zu Wettbewerbspreisen zu bewerkstelligen, da bei der SED-Technologie fein vordefinierte Panelstrukturen mit Milliarden kleiner Nanospalte auf einer großen Fläche produziert werden müssten.
Da die SED-Grundidee auch für China nicht über die oben genannte Canon-Toshiba-Patentanmeldung geschützt ist, könnte es sein, dass zumindest im Austragungsland der Wettkämpfe 2008 andere auf dem SED-TV-Siegerpodest stehen werden. Vorausgesetzt, sie würden eine vergleichbare Fabrikation wie die, in die Canon nun alleine investieren muss, zuwege bringen, um ähnliche SED-Panels zu produzieren, wie diese in der Canon-Toshiba-Patentanmeldung beschrieben worden sind.
Der Zwischenstand des ambitionierten Ziellaufes sorgt für Spannung: Einst war davon die Rede, dass SED Inc. bis 2010 den Markt großer Flachbildschirme über 40 Zoll dominieren wolle. Mittlerweile stehen auch andere kleine Bildschirmrevolutionen in den Startlöchern. Petra Woyzik, MarCom-Managerin bei Samsung, sprach am Rande der CeBIT-Preview in München davon, dass ihr Unternehmen noch in diesem Jahr Laser-TV, OLED- und LED-Fernseher, die ebenfalls mit Vorteilen wie Stromersparnis punkten, auf den Markt bringen werde.
Auch wenn die CeBIT in diesem Jahr etwas weniger Unterhaltungselektronik als in den Vorjahren zeigte, dürfte auf jeden Fall die Internationale Funkausstellung (IFA) im September wieder einiges im Bilde führen.
2007-03-30 by Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: © Annegret Handel-Kempf
Illustrationen: © Angelika Petrich-Hornetz
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