Interview mit dem Rechtsanwalt Michael Seidlitz,
die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz
Am 28. August 2007 ist ein Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union in Kraft getreten, das u.a. Änderungen des Aufenthaltsgesetzes bringt. Dabei sind insbesondere die Neuregelungen beim Ehegattennachzug umstritten. Migrantenverbände hatten mehrfach dagegen protestiert, Betroffene kündigten Verfassungsklagen an. Kritisiert wird zum Beispiel, dass nachziehende Ehegatten nach dem neuen Gesetz künftig Deutschkenntnisse nachweisen müssen - allerdings gilt dies nicht für Ehegatten aus allen Ländern. Außerdem müssen nachziehende ausländische Ehegatten bei Vorliegen besonderer Umstände künftig die Sicherung ihres Lebensunterhalts nachweisen. Wir fragten den Rechtsanwalt Michael Seidlitz, wie sich die Forderung nach einem gesicherten Lebensunterhalt möglicherweise auch auf deutsche Staatsbürger, insbesondere auf Auswanderer, und auf gemischt-nationale Ehen auswirken könnte.
Wirtschaftswetter: Herr Seidlitz, für wen gilt das geänderte Aufenthaltsgesetz? Inwiefern sind auch Deutsche im Ausland davon betroffen?
Michael Seidlitz: Das Aufenthaltsgesetz in seiner bisherigen und nun mit Wirkung vom 28. August 2007 gänderten Fassung regelt nur die Rechte und Pflichten von Ausländern. Die Änderungen beschränken somit den Rückzug von Deutschen aus
dem Ausland nach Deutschland in keiner Weise. Diese können also wie bisher jederzeit ohne weiteres nach Deutschland zurückkehren, selbst wenn sie neben der deutschen noch eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen und / oder hier auf Sozialleistungen angewiesen sein sollten.
Dagegen kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel für Deutschland grundsätzlich nur dann erhalten, wenn u.a. sein Lebensunterhalt gesichert ist. Abweichend davon durften nach dem bisherigen Recht der ausländische Ehegatte
und die ausländischen minderjährigen ledigen Kinder eines im Bundesgebiet lebenden Deutschen sowie dessen ausländischer Elternteil zur Ausübung der Personensorge nachziehen, ohne dass deren Lebensunterhalt gesichert sein musste.
Wirtschaftswetter: Und das ändern die neuen Regeln im Aufenthaltsgesetz nun?
Michael Seidlitz: Für den Nachzug der eben erwähnten ausländischen Kinder sowie des ausländischen Elternteils eines Deutschen bleibt es im Ergebnis bei der bisherigen Regelung, d.h. die Sicherung von deren Lebensunterhalt ist weiterhin nicht erforderlich.
Für den Nachzug des ausländischen Ehegatten eines Deutschen gilt dagegen jetzt eine differenziertere Regelung. Danach ist zwar in der Regel die Aufenthaltserlaubnis auch weiterhin ohne Rücksicht auf die Sicherung des Lebensunterhalts zu erteilen, jedoch kann in atypischen Fällen die Nachzugserlaubnis von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden.
Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ist zu entnehmen, dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers ein atypischer Fall - dort als besondere Umstände bezeichnet - dann vorliegen kann, wenn einem gemischt-nationalen Ehepaar die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist.
Das soll insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der deutsche Ehegatte zusätzlich zur deutschen auch noch dieselbe Staatsangehörigkeit wie sein ausländischer Ehepartner besitzt, also Doppelstaatler ist, oder wenn der deutsche Ehegatte geraume Zeit im Herkunftsland des ausländischen Ehepartners gelebt und gearbeitet hat und die dortige Sprache beherrscht.
Auch wenn dies der Fall ist, kann die Eheführung im Ausland natürlich trotzdem unzumutbar sein. Erst die Verwaltungspraxis und die Rechtsprechung werden zukünftig die sich aus der unbestimmten gesetzlichen Regelung ergebenden Abgrenzungsfragen einzelfallbezogen klären können. Von Unzumutbarkeit würde ich beispielsweise dann ausgehen, wenn der deutsche Ehepartner erkrankt ist und einer langwierigen medizinischen Behandlung bedarf, die er im Ausland nicht erhalten könnte, oder wenn er deshalb nach Deutschland zurückgekehrt ist, um hier einen nahen Angehörigen, z.B. einen Elternteil, zu pflegen.
Wirtschaftswetter: Deutsche, die mit einem Ausländer verheiratet sind und in dessen Heimatland leben, sind davon selbst nicht betroffen?
Michael Seidlitz: Wie gesagt, dürfen deutsche Staatsbürger jederzeit aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehren, und zwar selbst dann, wenn ihr Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn zum Beispiel eine Frau im Zuge ihrer Heirat und ihres Umzugs ins Ausland ihre deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben hat, weil sie dann keine Deutsche mehr ist, sondern Ausländerin.
Wirtschaftswetter: Inwiefern werden deutsche Staatsbürger, die im Ausland verheiratet sind, von den Neuregelungen trotzdem berührt?
Michael Seidlitz: Auch wenn, wie gesagt, das Rückkehrrecht eines deutschen Staatsbürgers dadurch unmittelbar nicht beschränkt wird, muss er sich natürlich gut überlegen, ob er notfalls auch allein nach Deutschland zurückziehen will, falls sein ausländischer Ehepartner bei Vorliegen eines atypischen Falles mangels Sicherung des Lebensunterhalts (noch) nicht nachziehen darf.
Wirtschaftswetter: Und diese Einschränkung wird kritisiert?
Michael Seidlitz: Einige meinen, dass diese Änderungen verfassungswidrig sein könnten, weil sie unzulässig in das Grundrecht auf Ehe und Familie eingreifen und einen Deutschen unter Umständen vor die missliche Wahl stellen könnten, entweder im Ausland mit seinem Ehepartner zusammen oder in Deutschland ohne diesen zu leben.
Wirtschaftswetter: Was ist mit den Kindern aus solchen Ehen, dürfen auch diese nur dann nachziehen, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist?
Michael Seidlitz: Ausländische minderjährige ledige Kinder von Deutschen dürfen nach Deutschland auch dann nachziehen, wenn ihr Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Das heißt also, dass es in Bezug auf diese Kinder im Ergebnis bei der alten Rechtslage bleibt.
Michael Seidlitz beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Recht der neuen Medien sowie gewerblichem Rechtsschutz und vertritt Unternehmen sowie Freiberufler im IT- und Medien-Bereich.
2007-09-04 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz und Gesprächspartner Michael Seidlitz
Foto Themenbanner: ©Dr. Elisabeth Kärcher
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