von Angelika Petrich-Hornetz
Die Gute kann wirklich nichts dafür, außerdem begann das Gemunkel, ob Rihannas Hit Umbrella mit dem Regen auf der britischen Insel zusammenhängt schon lange vor der großen Überschwemmung im Südwesten, einer Katastrophe, bei der sich Scherze jeglicher Art grundsätzlich erübrigen. Und so verstummte das Gerücht, dass es bereits so lange regnete, wie der Hit in den englischen Charts auf dem ersten Platz thronte, auch gleich wieder. Es wich dem nackten Entsetzen. Ein verregneter Sommer? Kann passieren, aber die Überschwemmungen hätte Petrus sich sparen können.
Genauso groß fiel das Entsetzen auf der anderen Seite des Kontinents aus. Während der Nordwesten absoff, brennt die Südhälfte Europas in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Nicht nur das ein Grund sich in Deutschland nicht übers Wetter zu beklagen. Sicher, Camping an Nord- und Ostsee fühlen sich zur Zeit vor allem fußfeucht an. Doch möchten die Camper deshalb etwa mit den in England oder Griechenland aus ganz unterschiedlichen Gründen im Wasser stehenden Kollegen tauschen, wo es um Leib und Leben geht? Wohl kaum. Man kann sich über lediglich unbeständiges Wetter natürlich immer beklagen, andererseits dann auch ehrlich freuen: Immerhin, es bringt einen nicht um, und bietet damit grundsätzlich die Chance, das Beste daraus zu machen.
Wer dennoch einen Zusammenhang zwischen diesjährigem sommerlichen Liedgut und Wetter herstellen will, wird feststellen, dass erstmals seit Jahren eines fehlt, nämlich der obligatorische Sommerhit, bei dem ungefähr Dreiviertel der Hörer nicht mehr weghören können oder wollen. Gestern lief sogar Lambada im Radio: Das Ding ist doch mindestens schon fünfzehn Jahre alt? Jedenfalls hatte jeder Sommer bislang einen unverwechselbaren Gassenhauer, der von den Radiostationen rauf und runter gedudelt wurde. Das Gros der Zuhörer, die so einem verfallen, fängt mindestens an zu lächeln und träumt plötzlich von Meer, Palmen, sonnenbeschienen Berghängen oder glitzerndem Nachtleben bei lauen Temperaturen. Herrlich. Aber dieses Jahr?
Selbst die Kinder auf der Straße, die gestern von der Flussbadeanstalt vor einem heftigen, plötzlich einsetzenden Regenguss flüchteten, krähten auf ihrem Heimweg dem grauen Himmel Maia-Hiii, Maia-Huu, Maia-Haaa, Maia-hahaaa entgegen. Mai A Hee (oder Dragostea Din Tei) der moldawischen Boy-Group O-Zone war der unangefochtene Sommerhit des Jahres 2004, immerhin 14 Wochen auf Platz 1 der deutschen Single-Charts, traf erfolgreich den Musiknerv des Sommers in ganz Europa.
Dabei sieht's beim Blick in die MTV-Dancecharts aus deutschen Landen zunächst einmal gar nicht so schlecht aus. David Guetta featuring Chris Willis steht mit dem sogar regenkompatiblen Love Is Gone einem temporeichen, Frust-Disco-Song nicht unpassend auf dem ersten Platz. Mit der Liedzeile We’ve been trough können schließlich auch zahlreiche Engländer, Griechen sowie deren Urlauber ihre besonderes Beziehung zum diesjährigen Sommer treffend beschreiben.
Klar, in der misslichen Lage, nichts Neues erfinden zu können, greift man gern zu Altbewährtem. Also kein Wunder, dass mal wieder Light My Fire auf ganz oben in die Charts neu eingestiegen ist, übrigens immer noch verfolgt von Rihannas Regenschirm. Und dann taucht mal wieder Ride Like The Wind auf Platz 7 auf – der xte Aufguss. Darauf folgt der mindestens 348. Remix von Marleys Sun Is Shining. Überraschend nur, dass immer auf die 68er und Reggae-Zöpfe geschimpft wird - ohne die wäre der Sommer 2007 nämlich wohl noch öder, als er ohnehin schon ist. Und zur 349. Version von Tainted Love (Platz 19), muss man wohl auch nichts mehr sagen.
Keine Sommer-Innovationen? Michael Grays monotoner Rhythmus, macht es schwer, sich das Land da irgendwo draußen überhaupt nur vorzustellen. Bei den Disco-Boys (I Love You So) ist es umgekehrt, Melodie eingängig, der Text eine einzige lahme Wiederholung – auch wenn man’s ja immer wieder gern hört. Es folgt People Like Them von Tomcraft & Naidoo - in herbstlich-düsteren House- oder Dub-Versionen. Kurz dahinter und neu eingestiegen Space von Micha Moor, noch so ein Stückchen, das zu jedem Wintersternenhimmel besser passt. Schließlich ist man dann Außerirdischem, zumindest auf der Nordhalbkugel, grundsätzlich viel näher als ausgerechnet im Hochsommer.
Versuchen wir es mit Roger Sanchez’ Not Enough. Nein, zu schwere, monotone Kost in lediglich bemühter Leichtigkeit. Genauso die Sunfreakz featuring Andrea Britton. Von dem Song bekommt man zwar ganz leicht heruntergezählte Herzrhythmusstörungen sowie den Eindruck die neunziger Jahre hörten nie auf - aber garantiert kein Sommerfeeling.
ich & ich beschwören indes den selben Stern: Auch das passt besser zu langen Herbst- und Winterabenden, so viel Insbrünstigkeit hat in einem Sommerhit, der nicht weniger als von den Stühlen reißen soll, statt und auf’s Sofa zuwerfen, eigentlich wenig zu suchen. Da passt dann auch Róisín Murphys Overpowered (Neueinstieg auf Platz 18 in der Woche ab 27.Juli) trotz herausragender, wirklich schöner Stimme in die Reihe der Hits, die vom Outer Space bis zur Seelenverwandtschaft alles zu bieten haben – außer das sommerliche Kribbeln in den Fingerspitzen, das es so schwer macht, keinen Luftsprung zu tätigen.
Deutsche Dance-Charts werden am häufigsten nach Verkaufszahlen, bei MTV nach Verkauf und DJ-Nutzung gewertet. Viele Hitlisten messen inzwischen auch die Downloads. In den offiziellen Single-Charts stehen Mark Medlock und Dieter Bohlen auf Platz eins. You Can Get It klingt leider schon wieder zu seicht, trifft den weltweiten Wetterfrust keinesfalls und kommt an Lambada, Macarena (Sommerhit 1996 vom spanischen Duo „Los del Rio“), Las Ketchup (Sommerhit 2002) und Co einfach nicht heran. Schließlich hat ein echter Sommer viel Sonne, Heiterkeit, Bewegung, aber auch Wärme, und damit viel Gefühl, zu bieten. Ähnlich nett und gleichfalls bemüht am Reißbrett entworfen wirkt Monrose’ Hot Summer.
Immerhin das deutsche Duo Tommi und Inga (Humpe) mit dem einprägsamen Namen 2raumwohnung setzt sich ab - und bietet mit "36 Grad" (aufgestiegen von 36 auf 25) einen urbanen Hauch von Sommerhit. Und es kommt noch besser auf der Special-Edition-CD: Der Sommer der jetzt nicht war - das kommt uns in Deutschland angesichts der Wetterkarte doch irgendwie bekannt vor. Und Ich bin der Regen kann natürlich für unsere Nachbarn auf der Insel nur Gift sein, doch in Kroatien wäre derjenige welche bestimmt sehr willkommen. 2raumwohnung
Demensprechend kann man für einen gelungenen Urlaub außerhalb Deutschlands dank unvorhersehbarer Wetteränderungen wohl kaum noch brauchbare Ratschläge austeilen, ohne damit auf die Nase zu fallen. In einigen Ländern schwimmen die Zelte weg, in anderen gehen die Urlauber ins Wasser um zuzusehen, wie ihr Feriendomizil verbrennt. Das einzige Beständige an diesem Sommer scheint seine Unbeständigkeit und Urlaubs-Unbeplanbarkeit zu sein.
Ähnlich In Deutschland. Hier kann man lediglich die Empfehlung abgeben, sich erstens Bekleidung für jedes Wetter einzupacken, möglichst im so genannten Zwiebelverfahren (in Schichten) tragbar, sowie die obligatorische Regenjacke und Gummistiefel oder modischen Crocks keinesfalls zu vergessen. Camping ist momentan - ohne Wohnwagen - sehr kritisch, feste Behausungen sind vorzuziehen, möglichst beheizbar, in den Bergen gab's Ende Juli sogar stellenweise nächtlichen Bodenfrost.
An den Küsten miete man sich möglichst strandnah ein: Wenn die Sonne im Juli oder August nämlich ein paar Stunden durchkommt, dann brennt sie zuverlässig. Strandnah einquartiert, kann man sie sofort erspähen und ohne Umschweife (nicht lange überlegen: ab an den Strand!) nutzen. Das Wasser der Nord- und Ostsee ist momentan mit 18 bis 19 Grad schön frisch, damit zeitweise sogar wärmer als die Luft. Wer nur etwas abseits der Küste ein Quartier bekam: Nicht irre machen lassen - sofern es schön warm wird, aber im Binnenland noch bewölkt, lohnt es sich durchaus, sich höchstpersönlich vom Badewetter zu überzeugen: Nicht selten sehen Sie direkt am Strand nicht eine einzige Wolke, während zehn Kilometer landeinwärts eine graue Wolkendecke die Sommerlaune deckelt.
Suchen Sie sich möglichst eine Ecke aus, die verkehrstechnisch günstig erreichbar, mehr als nur Strandleben zu bieten hat, wie kulturelle Angebote, Theater, Kino, Museen - oder Maisfelder. Grundsätzlich ist es immer empfehlenswert, vor Ferienbeginn lieber ein bisschen länger sowie intensiver über den Urlaubsort recherchieren, als sich erst vor Ort schlau zu machen. Die Methode erspart nachher, wenn Sie da sind, viel Such- und Organisierzeit.
Wer allerdings die Ruhe sucht, ist bekanntlich in jedem Wetter gut aufgehoben: Lesen, gut (vor allem endlich in Ruhe!) Essen, Joggen, Radfahren, Wandern, Saunen, Schwimmbad – das macht auch bei kühleren Temperaturen Spaß. Man wird sogar von den sonst üblichen Mückenviechern nicht so sehr belästigt wie sonst um diese Jahreszeit. Wer ein gemütliches Hotel oder eine nette Ferienwohnung erwischt hat, dem geht es auch jetzt gut. Nur Zelten, das ist in diesem Sommer leider gar nicht so schön wie letztes Jahr.
In dem Fall sollte man sich nicht unnötig quälen. Dafür ist ein Urlaub definitiv nicht da. Genießen und übers Wetter lachen, solange es geht, aber beherzt den Sommerurlaub abbrechen und den Rest der freien Tage gemütlich zu Hause – mit Ausflügen – verbummeln, lautet der ultimative Tipp für verhagelte Planungen. Auch auf Balkonien kann es sehr nett sein, wenn keine Pflicht ruft. Wer einen freien Kellerraum hat, sollte einmal über die Anschaffung einer Tischtennisplatte, statt des nächsten, neuen Computers, nachdenken. Gibt’s denn etwas Schöneres als mit Ping-Pong zu antworten, wenn draußen der Regen an die Kellerfenster trommelt?
Wenn Sie sich bis jetzt noch wacker gehalten, vielleicht das Remix-Album von 36 Grad oder Paul Potts - DER Aufsteiger des Jahres - rauf und runter gespielt haben, sich jedoch immer noch kein Sommerwetter einstellen will, gibt es gegen das Versagen der Hitparaden-Troubadoure noch die eigene brachiale (Stimm-)Gewalt: Doktor Sommer von Rio Reiser oder das altbewährte Wann wird’s endlich wieder Sommer? von Rudi Carrell lauthals trällern. Sollte auch dieser beherzte Versuch, die Außentemperatur zu steigern, misslingen und auch die letzte Chance (im August) auf 30 Grad im Schatten langsam, aber sicher schwinden, dann nehmen Sie die aktuellen Temperaturen endlich und einfach hin. I'm Singing in the Rain ist schließlich auch sehr schön.
Oder lassen Sie passend zum Sommerregen mit der Bossa-Nova Version aus der Jazz-Club-Reihe von Verve ihre schlechte Laune schlicht hinwegdudeln. Und setzen dafür all das Prickelnde und Schöne eines Sommers um, das man bei diesem Mist-Wetter auf einem großen breiten Bett mit einem Ihnen äußerst wohl gesonnen Menschen anfangen kann. Prompt haben Sie auch ohne Sommerhit Good Vibrations und The Warmth Of The Sun im Haus. Nächstes Jahr legen Sie dann rechtzeitig los, mit dem Trällern für gutes Wetter und haben seit dem Sommer 2007 zudem immer eine passende Idee für kühlere Tage parat. Wer wollte da etwa noch vermissen, allein auf einem Badelaken in der Sonne zu braten?
2007-08-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschafswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz
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