von Cornelia Schaible
Nein, besonders anmutig sehen sie nicht aus. Aber das hat auch keiner behauptet. Wie der Name schon sagt, zählen bei diesem Lammfellstiefel eher die inneren Werte: Die australischen ugg boots (auch ugh oder ug boots geschrieben), leiten ihren Namen von ugly her, was auf Deutsch hässlich heißt. Zum ersten Mal hörte ich das von einem Freund meines Mannes, der in Sydney lebt und den wir vor Jahren in Chicago trafen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie wir einst auf das Thema kamen, denn wir saßen im Millennium Park, und es war Sommer und ziemlich heiß. Da schlappte bestimmt niemand in Fellstiefeln vorbei. In Australien seien die Dinger übrigens ziemlich out, fügte der Freund noch hinzu. Aber wie gesagt, die Unterhaltung ist schon eine Weile her.
Seitdem haben sich die Australier nämlich eines Besseren besonnen. Und das aus gutem Grund. Was wir damals nicht wussten: Um die mollig warmen Stiefel war ein Rechtsstreit entbrannt, den sich eine US-Firma mit australischen Herstellern lieferte – mit einem in der Geschichte des Markenschutzes ziemlich einmaligen Ausgang. Das Ungetüm von einem Pelzstiefel aus der Schuhwüste Australiens, mit dem Frauen wie Enten gehen, wie Birgit Weidinger im vergangenen Frühjahr in der Wochenendausgabe der Süddeutschen schrieb, ist nämlich längst amerikanisiert. Das hatte man Down Under nur viel zu spät bemerkt. Und so hätten die Australier beinahe eine nationale Ikone eingebüßt.
Aber alles schön der Reihe nach. Uggs waren das traditionelle Schuhwerk von australischen Schafzüchtern und Bauern – am Rohmaterial bestand schließlich kein Mangel. In den 1960er-Jahren endeckten Surfer die kuschelige Fußbekleidung und machten sie populär. Irgendwann schlug dann aber wieder das ländliche Image der Stiefel durch, und sie wurden höchstens noch als Hausschuhe getragen. Bis ein findiger Aussie-Surfer sie an die Küste Kaliforniens brachte und erfolgreich vermarktete. Auch am eiskalten Pazifik wärmt sich die Surfergemeinde gerne die Zehen. Mitte der 90er-Jahre kaufte die US-Firma Deckers Outdoor Corporation die Markenrechte und vertrieb die Stiefel fortan als UGG Australia. Das Unternehmen ließ den Namen auch in anderen gängigen Schreibweisen schützen.
Das interessierte Down Under allerdings niemanden. Bis auf einmal Pamela Anderson in Baywatch damit aufkreuzte – sie trug die Lammfellpuschen zum knallroten Badeanzug (das Foto gibt’s auch im Internet). Worauf sich die Australier die Augen rieben und staunten. Und damit nicht genug: Oprah Winfrey, Top-Talkmasterin aus Chicago, setzte die Stiefel im Jahr 2003 erstmals auf die Liste ihrer Favorite Things, praktischerweise als Einkaufszettel für Weihnachten zum Ausdrucken. Plötzlich stapften alle in UGGs herum.
Pünktlich zum Fest 2003 verschickte auch Deckers Outdoor Corporation weltweit einen Brief an die Hersteller von Lammfellstiefeln mit der Drohung, es würde gerichtlich gegen sie vorgegangen, sollten sie es wagen, ihre Produkte weiterhin unter dem Namen Ugg beziehungsweise Ugh boots zu vertreiben. Das ließen sich indessen nicht alle einfach so gefallen. Ein australischer Stiefelhersteller kämpfte darum, den – seiner Auffassung nach – generischen Begriff weiterhin benutzen zu können, und die Gerichte gaben ihm recht. 2006 wurde die Marke aus dem australischen Handelsregister entfernt: Die ziemlich bizarre David-gegen-Goliath-Geschichte ist im Film The Good, the Bad and the Ugg Boot dokumentiert.
Nachdem endlich auch die australischen Hersteller kapiert hatten, dass ihre Produkte in Amerika ausgesprochen gut liefen, wollten sie natürlich auch den US-Markt beliefern. Da hier der Markenschutz für Uggs weiterhin besteht, werden sie inzwischen unter anderen Namen (etwa Emu) vertrieben – oder einfach als sheepskin boots. Das schmälert zwar den Wiedererkennungswert für den Stiefel mit Kultstatus, dafür kommen sie dann tatsächlich aus Australien. Die Schuhe der Marke UGG Australia werden in China hergestellt.
Pamela Anderson zieht sich diesen Stiefel übrigens nicht mehr an: Sie habe nicht gewusst, so entschuldigte sich die Baywatch-Nixe und bekennende Tierschützerin, dass die Uggs aus richtigem Schafsfell hergestellt würden. Das schert die meisten anderen Lammfellstiefel-Fans allerdings nicht. Genauso wenig wie die Tatsache, dass die empfindlichen Treter weder für den Winter in Chicago noch sonstwo geeignet sind. Am besten zieht man sie tatsächlich als Haus- oder Hüttenschuhe an. Aber immer mit nackten Füßen hineinschlüpfen! Und dann vom Strand träumen…
2008-01-10 Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text: ©Cornelia Schaible
Illustration: ©aph
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