von Astrid Wehling
Ob es wirklich eine so gute Idee war, ausgerechnet auf Bali zu urlauben??
Dieser Gedanke schießt mir während des Landeanflugs auf Denpasar durch den Kopf. Schließlich hat Bali in Australien in den letzten Jahren eher negative Schlagzeilen gemacht. Bomben, die Nightclubs hoch gehen lassen, und Strandrestaurants, in denen Selbstmordattentäter Terror zum Sonnenuntergang verbreiten – sind nicht gerade das, was man über ein Tropenparadies lesen will.
Genauso wenig passen junge Australier ins Bild, die zusammen mit anderen Ausländern wegen Drogenschmuggels nun ihre lange Haft absitzen oder sogar auf die Vollstreckung der Todesstrafe warten. Schuld sind natürlich nicht die Dummköpfe selbst, sondern korrupte Flughafenangestellte und Zöllner, die ahnungslose Touristen für ihre kriminellen Geschäfte missbrauchen.
Und obendrein hält die australische Regierung die Reisewarnungen für Indonesien inklusive Bali seit Jahren im oberen Bereich. Wer unbedingt fahren wolle, der solle es tun, auf eigene Gefahr bitteschön. Und hinterher nicht sagen, man hätte ihn nicht gewarnt.
Ach, Ihr neurotischen Australier, lästerten meine Bali erfahrenen Freunde aus Deutschland, mit denen ich mich treffen werde. Und sie überzeugten mich, dass ein Kurzurlaub auf Bali nicht gefährlicher sei als ein Spaziergang am Sydneyer Hafen. Und ich muß gestehen, nach einem gut gekühlten Bintang-Bier auf der Hotelterrasse, unter tausend Sternen, bei milden Nachttemperaturen, packt mich dann doch die Vorfreude auf das Neue.
Am nächsten Tag machen wir uns dann auf den Weg gen Osten. Bali ist etwas größer als Mallorca, hat aber rund 2,5 Millionen Einwohner mehr. Dem ersten Eindruck nach ist mindestens die Hälfte davon zur gleichen Zeit wie wir auf den Straßen unterwegs. Ich fand den Straßenverkehr in Rom schon spannend, Manila war noch besser - aber Bali toppt alles. Nicht nur, daß Mopeds, Autos, Kleinbusse und LKWs abenteuerlich beladen aus allen Richtungen zu kommen scheinen, nein, man muß auch aufpassen, keinen der unzähligen Hunde zu überfahren. Oder die kleinen Opferpakete, die überall auf dem Boden liegen, zur Beruhigung der Götter und Dämonen, manchmal auch mitten auf stark befahrenen Kreuzungen.
Balis Bevölkerung besteht zu 93 Prozent aus Hindus. Bali ist die einzige hinduistische Insel Indonesiens, eingerahmt von etwa sechstausend Inseln mit muslimischer Bevölkerung. Vor 3500 Jahren von Indien nach Indonesien gewandert, wurden die Hindus vor gut 600 Jahren vom Islam von Java nach Bali verdrängt. Dass sich hauptsächlich Priester, Könige und Künstler absetzten, ist mit ein Grund, daß sich der hinduistische Glaube gegen alle Einflüsse von außen behaupten konnte und dazu auch bereits vorherrschende Elemente aus Ahnenkult, Magie und Animismus mit aufnahm.
Balis Vergangenheit war immer von Krieg, Blut und Katastrophen geprägt, ob Sklavenhandel, Besetzungen, Kolonisation, Weltkriege, Vulkanausbrüche oder eben die Terroranschläge des 21. Jahrhunderts. Und doch gelten die Balinesen als ausgesprochen freundlich, zuvorkommend und immer darauf bedacht, durch ihre Rituale ihr Leben und das des Gegenübers in Balance zu halten. Was mir auch mehr als notwendig erscheint, wenn ich dran denke, dass die sieben Vulkane der Insel immer noch als aktiv gelten und die politische Situation in Indonesien und Südostasien nicht gerade als stabil bezeichnet werden kann.
Ein Drittel des Tages verbringt der Balinese mit Opfern. Die kleinen, sorgsam präparierten Päckchen aus Bambus oder Palmblättern, bestückt mit Früchten, Blüten, Reis und Räucherstäbchen sind überall auf der Insel präsent. Sowieso duftet die ganze Insel abseits der Hauptstraßen nach Räucherstäbchen, Frangipani und anderen exotischen Blüten und nach den obligatorischen Nelkenzigaretten.
Die Postkartenmotive, die Bali weltweit berühmt gemacht haben, lassen dann auch nicht lang auf sich warten. Reisterrassen und Reisfelder – der Begriff reisgrün wird sofort in unser Vokabular aufgenommen. Die nebelverhangenen Vulkanspitzen, die weißen Strände im Süden und die schwarzen im Norden. Ubud, die Künstlerstadt inmitten der Reisfelder, in der sich schon vor gut neunzig Jahren die westliche Avantgarde wie H. G. Wells, Margaret Mead, Vicki Baum oder Charlie Chaplin vergnügten. Der deutsche Maler Walter Spies hat hier neben unzähligen Bildern auch ein Haus und jede Menge Geschichten hinterlassen.
Und es gibt heilige Affenwälder mit äußerst aufdringlichen und unheiligen Makaken zu sehen, Wassertempel und Paläste längst vergessener balinesischer Könige und immer wieder Tempel in jedem Dorf – ein volles Programm für gerade einmal zehn Tage.
Wir wohnen in kleinen Häusern mit kunstvoll geschnitzen und bemalten Türrahmen, an denen sich jeder Nichtbalinese erstmal kräftig den Kopf einrennt. Wir schlafen unter Moskitonetzen, die nicht nur vor Mücken, sondern auch vor den kleinen Geckos und Lizzards schützen, die nächtens ihre Jagd an der Zimmerdecke aufnehmen. Wir vermeiden die Surfreviere von Kuta und die Edelresorts von Nusa Dua. Trinkfreudige Australier, Surfbretter und australisches Bier hab ich zu Hause genug, und die Luxushotels überlasse ich gerne den japanischen oder europäischen Touristen.
An den nördlichen Stränden ist das Leben gelassener, ruhiger und selbst die unvermeidlichen Strandhändler murmeln ihr Wantasarong-atshirt-amassage-wanttransport-whataboutdiving-maybetomorrow? etwas relaxter und weniger nervend als im hektischeren Süden. Wir dümpeln in warmem Wasser und genießen abends den Sundowner am Strand. Als wir dann auch noch von balinesischen Freunden zu Hause bekocht werden, ist mein Seelenfrieden vollkommen. Ich sag nur: Fisch in Bananenblättern gegart, mit Chili, Ingwer, Knoblauch gewürzt, Hähnchen auf Zitronengrasspießen, Spanferkel, Schwarzer Milchreis mit Kokosnuss und frischgepresste Säfte aus Bananen, Ananas, Papaya, Mango – oder am besten aus allem zusammen: Heaven!
Die zehn Tage gehen viel zu schnell vorbei. Und ich ziehe Bilanz – Bali ist ganz sicher nicht nur das romantische Honeymoon-Paradies, wie gerne in Prospekten oder Romanen beschrieben. Es ist eine Insel, die laut sein kann, dreckig und chaotisch. Auch schon mal unbequem oder aufdringlich. Es gibt hier viele Menschen, die im Monat so viel verdienen, wie ich in Sydney für ein Abendessen ausgebe. Und die Nachwirkungen der Anschläge lassen sich immer noch an den vergleichbar niedrigen Besucherzahlen ablesen.
Doch Bali hat einen besonderen Zauber, der Horror und Terror trotzt und der einen abseits der großen Touristenpfade ganz schnell in Beschlag nimmt.
Auf dem Weg zum Airport lehne ich mich zurück – es sind nur fünf Flugstunden bis Sydney. Ich komme wieder.
2008-08-25, Astrid Wehling, Wirtschaftswetter
Text: ©Astrid Wehling
Fotos: ©Asrid Wehling
Infos zu Datenschutz + Cookies
zurück zu: Lifestyle
zurück zu: Startseite Wirtschaftswetter
wirtschaftswetter.de
© 2003-2022 Wirtschaftswetter® Online-Zeitschrift