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Bitte nicht stören!

Damit Naherholung wirken kann

von Angelika Petrich-Hornetz

Derjenige, der zu Hause bleibt, erlebe keinen Erholungseffekt, lautet eine Binsenweisheit. Allein die Aussicht, ausgerechnet im Urlaub vom Trott wieder eingeholt zu werden, dürfte damit ein guter Grund sein, möglichst weit zu verreisen.

Doch die aktuellen Kraftstoffpreise verleiden es sogar den deutschen Reiseweltmeistern, ihrer Vorliebe für Fernziele zu frönen. Nicht zuletzt deshalb nimmt die Tendenz zum Urlaub im Inland zu. Dort gibt es ja auch viel zu entdecken. Dem Klimawandel sei Dank, kann sich der Bayerische zeitweise sogar in einen Regenwald und die Ostseeküste ein paar Wochen lang in eine Variante des Mittelmeeres verwandeln, wie zuletzt im Mai geschehen, als am deutschen Binnenmeer Temperaturen wie an der Costa Brava herrschten - vertrocknetes Gras inklusive.

Um dem steigenden Ölpreis zu entkommen setzt der kalorienbewusste Sparfuchs unter den Reisenden auf das Fahrrad, – und selbst ein Pferd dürfte sich trotz der Kosten für Unterbringung und Heu langsam wieder rechnen. Autofahrer dagegen planen ihren Urlaub zunehmend in kurzen Entfernungen von einem Bundesland ins nächste. Wohnmobilbesitzer fahren immer noch an die See, allerdings inzwischen bewusst nicht mehr Hunderte Kilometer nach Kroatien, sondern immer öfter an die näher gelegene Küste Mecklenburg-Vorpommerns.

Ansonsten bleibt alles beim Alten: Die Koffer werden gepackt, das Haus verschlossen, die Alltagsroutine räumlich und zeitlich konsequent hinter sich gelassen. Vielleicht fehlt ein bisschen der gewohnte Stau auf der Autobahn oder das Warten in der Schlange vor dem Ferienflieger. Der Rest ist jedoch so, als würde man wer weiß wohin fahren, denn die wenigsten Deutschen haben ihr Heimatland bereits so ausgiebig erforscht, so dass sie auch dort nicht noch ganz neue Welten entdecken könnten – nur, dass sie dieses Jahr viel schneller da sind. Dann gibt es auch noch die sparsame und ruhige Pilger-Variante: Wandern und Slow-Travel - langsames Vorwärtskommen in Kombination mit dem minimalistischem Schick asketischer Unterkünfte ist in und kann durchaus erholsamer ausfallen, als über langweilige Autobahnen zu hechten.

Versüßt wird der Urlaub der kurzen Distanzen mit wenig aufwändigen Reisvorbereitungen - zum Beispiel durch das Wegfallen von Impfungen gegen exotische Krankheiten, dem Organisieren von Auslandskrankenversicherungen und teuren Medikamenten für sämtliche Eventualitäten vom Durchfall bis zur Malaria. Außerdem entfallen nervige Reisepass- oder Visaanträge und die akribisch betriebene Selbstinformation über alles, was man im jeweiligen Land nun darf oder nicht, unter anderem, welche Nahrungsmittel am besten nicht gegessen werden sollten, ob das Wasser abgekocht werden muss, welche außergewöhnlichen Verkehrsregeln gelten, und welche Umgangsformen oder Trinkgelder üblich sind. Auch den Sprachkurs kann man sich getrost sparen. Bis auf wenige saisonal überfüllte Regionen ist das Binnenland für jegliche Spontanreisen folglich bestens geeignet.

Weitaus schwieriger als die Inlandsreisenden haben es da die Zuhause-Urlaubenden, die nicht ihre Türen verschließen und richtig wegfahren, sondern in Tagesausflügen zu urlauben gedenken. Um nicht wieder automatisch in den Alltagstrott zu verfallen, muss man sich dafür schon mehr einfallen lassen: Die Naherholung will geplant werden. Die übliche berufs- und alltagsbedingte Erreichbarkeit, die sich bei Fern- und Indlandsreisen von selbst erledigt, bleibt bei Ferien zu Hause ohne aktives Zutun nämlich bestehen und verhagelt den Erholungseffekt. Da kann man nur raten, den PC, das Telefon und vor allem das Handy abzustellen, wenn nicht gleich drei Wochen, dann zumindest tage- oder stundenweise.
Außerdem verleitet das Urlauben auf Balkonien dazu, unbeliebte Alltagstermine in die schönsten Wochen des Jahres zu legen, weil es ja so praktisch ist. Doch diese – zum Beispiel Kontrolltermine beim Zahn- und Augenarzt - verhindern die notwendige Abwechselung: Man arbeitet lediglich nicht, ansonsten bleibt alles beim Alten, und genau diese fehlende Abwechslung schränkt wiederum den Erholungseffekt stark ein. Entschwinden Sie also lieber auf einen Ausflug und achten Sie genau darauf, sich selbst bewusst abzugrenzen, um nicht wieder in den Trott zu fallen. Hilfreich ist dabei auch eine Ankündigung für Kunden, Kollegen, Verwandte und Freunde, dass man in den Ferien ist und daher höchstens eingeschränkt erreichbar. Ein Anrufbeantworter kann das für die noch nicht Informierten ja noch ein paar Mal wiederholen: Bitte nicht stören!

Für gewöhnlich hat der Klimawandel kaum Vorteile, für Reisende jedoch einen, nämlich, dass man nicht alles planen kann: Die Chancen auf Wetterlagen, Infekte und Co scheinen sich global anzugleichen. Der berühmte verregnete Sommerurlaub an der Nordsee muss genauso wenig eintreffen, wie die erwartete Sonne an der Costa del Sol. Während die Dänen möglicherweise braun wie die Tunesier werden, bläst auf Mauritius eventuell ganz unerwartet eine sehr steife Brise. Während den Kreuzfahrern im Schwarzen Meer vielleicht vom Norovirus statt vom Seegang schlecht wird, erleben die Urlauber in der Südsee möglicherweise nichts von den dort sonst gefürchteten Darmerkrankungen, sondern besten Service bei prächtiger Gesundheit?

Bei aller notwendigen Information, Planung und Vorsorge, die man vor jedem Urlaub, ob fern oder nah, unbedingt auch tätigen sollte, auf überraschendes Wetter, Glück und Pech trifft man heutzutage weltweit: Alles ist inzwischen überall möglich. Garantien auf Sonne und Wohlgefühl gibt es daher auch in den Ferien nicht, ob nah oder fern. Urlaub heißt vor allem, die Abwesenheit vom Alltagtrott und das Glück der puren Gegenwart zu genießen, egal wo und in welcher Wetterlage.


2008-07-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Illustrationen + Themenbanner: ©ap
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